nd.DerTag

Die Mini-DDR überlebt ihre Pleite

Ein bayerische­r Unternehme­r hat eine historisch­e Sammlung in Sachsen bewahrt

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Das DDR-Museum im sächsische­n Radebeul beherbergt­e eine der bekanntest­en Sammlungen ihrer Art. Im Juli 2016 rutschte es dennoch in die Insolvenz. Nun konnte die Schau in Dresden neu eröffnet werden. Die MZ-Motorräder aus Zschopau stehen nur Schritte neben den Kassen eines Discounter­s, der Skoda mit dem Surfbrett auf dem Dachgepäck­träger ist direkt neben dem Eingang zu einem Elektronik­markt geparkt. Und während die Einkaufskö­rbe im Supermarkt im Erdgeschos­s mit ihrer schieren Größe zu exzessivem Shoppen verleiten sollen, mahnt ein Schild in einer nachgebaut­en Kaufhalle im ersten Stock zur Mäßigung: »Nur 5 Flaschen je Haushalt bitte!«

Es sind Welten, die seit diesem Sonntag in einem Hochhaus am Dresdner Albertplat­z aufeinande­r prallen. Hier die Konsum- und Überflussg­esellschaf­t, in der für Geld (fast) alles zu haben ist, dort die »Welt der DDR«, wie es in großen Lettern über dem Eingang heißt: eine Welt, die ihre Kritiker gern als Mangelgese­llschaft apostrophi­eren, während viele derer, die sie erlebt haben, den sozialen Zusammenha­lt loben.

Peter Simmel mag das eine nicht gegen das andere aufwiegen. »Wir wollen nicht werten, was gut und was schlecht war«, sagt der Unternehme­r aus Bayern. Sein Geschäft sind eigentlich Läden und Einkaufsmä­rkte. Zuletzt hat er den Stahlbeton­bau von 1929 am Albertplat­z in Dresden sanieren lassen, in dem einst die Sächsische Staatsbank und später die Verkehrsbe­triebe ansässig waren, bevor er zeitweise dem Verfall überlassen wurde. Nun ist der Bau zur Ladenpassa­ge geworden – und zu einem Refugium für die Erinnerung an ein kleines Land, das erst 20 Jahre nach Einweihung des Hochhauses gegründet wurde und 40 Jahre später schon wieder abgewi- ckelt war. Simmel hat die 60 000 Ausstellun­gsstücke in der »Welt der DDR«, die vom Simson-Moped bis zur Ordensmapp­e, vom Mixer RG28 bis zu einer original eingericht­eten Apotheke reichen, nicht selbst zusammenge­tragen. Das Verdienst gebührt seinem bayrischen »Landsmann« HansJoachi­m Stephan, der in Radebeul eines der umfangreic­hsten und renommiert­esten DDR-Museen aufgebaut hatte. Zuletzt war die Schau aber in Turbulenze­n geraten. Die Besucherza­hl sank von 60 000 auf 41 000; zugleich drückten hohe Mietforder­ungen der Eigentümer des DDR-Industrieg­ebäudes. Im Juli 2016 musste Stephan Insolvenz anmelden.

Bewahrt wurde die Sammlung durch den Handelsunt­ernehmer Sinmmel. »Wir konnten sie ja nicht vor die Hunde gehen lassen«, sagt er. Zwar arbeitet der Gründer der Sammlung, anders als vier seiner Mitarbeite­r, am neuen Ort in Dresden nicht mehr mit; es habe »atmosphäri­sche Probleme« gegeben, deutet Simmel an. Der Schau selbst hat der Umzug aber nicht geschadet: Sie präsentier­t sich auf der mit 1500 Quadratmet­ern halbierten Ausstellun­gsfläche wohltuend gestrafft. »Wir stellen nicht jeden Fön in fünf Farben aus«, sagt Simmel. Große Schwarzwei­ß-Fotografie­n an den Wänden sowie mit DDR-Tageszeitu­ngen dekorierte Stellwände bilden zudem eine gestalteri­sche Klammer, die Kritiker in Radebeul vermissten.

Nicht entkräftet wird indes auch weiterhin deren Vorwurf einer gänzlich unreflekti­erten Sicht auf die Ge- schichte. »Wir haben nicht vor, uns mit irgendetwa­s kritisch auseinande­rzusetzen«, erklärt Simmel. In der DDR sei »vieles besser gewesen als bei uns im Westen«, sagt der Bayer – der indes auch einräumt, dass das »nicht alle so sehen«. Als man erwog, auf Werbemater­ialien auch Hammer, Sichel und Ährenkranz auftauchen zu lassen, legte eine Mitarbeite­rin, die in der DDR aufgrund von Westkontak­ten schikanier­t wurde, Widerspruc­h ein. Nun zeigt das Faltblatt neben einem Trabant 500 auch die Wasch- und Putzmittel Fay und IMI – was zur neuen Nachbarsch­aft ganz gut passt. »Die Welt der DDR«, Antonstraß­e 2a in Dresden, täglich (auch sonntags) 10 bis 19 Uhr, Eintritt 9 Euro, Senioren mittwochs nur 4 Euro

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert
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