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Eine Stadt kämpft gegen das Kleinstgel­d – kein Sieg in Sicht

Ein Jahr, nachdem die Klever Einzelhänd­ler Ein- und Zwei-Cent-Münzen aus den Kassen verbannt haben, zieht man dort eine gemischte Bilanz

- Von Erich Reimann, Kleve dpa/nd

Vor Jahresfris­t starteten Einzelhänd­ler im niederrhei­nischen Kleve einen Versuch: krumme Rechnungsb­eträge werden auf fünf Cent auf- oder abgerundet. Doch nur 57 Prozent der Händler sind zufrieden. Anfang Februar 2016 sorgte die 50 000-Einwohner-Stadt Kleve in NRW bundesweit für Schlagzeil­en. Zahlreiche Einzelhänd­ler hatten sich zusammenge­tan und sagten dem lästigen Kleinstgel­d den Kampf an. Ein- und Zwei-Cent-Münzen sollten aus den Ladenkasse­n verschwind­en, krumme Rechnungsb­eträge stattdesse­n auf fünf Cent auf- oder abgerundet werden, so wie es in den nahe gelegenen Niederland­en schon lange üblich ist.

»Geehrte Kunden, wir RUNDEN«. Das Schild steht auch heute noch an der Kasse des Intersport-Geschäfts in Kleve. »Wir bleiben der Sache treu«, sagt Filialchef Christof Dammers. Bei den Kunden stoße der Verzicht auf das Kleinstgel­d ganz überwiegen­d auf positive Resonanz – egal ob sie beim Bezahlen durch das Runden ein oder zwei Cent mehr bezahlen müssen oder einsparen, betont er. Auch eine Umfrage der Hochschule Rhein- Waal zeigt, dass der Kampf gegen das Kleinstgel­d bei Kunden durchaus auf Unterstütz­ung trifft. Fast drei Viertel (72 Prozent) von 376 in der Klever Fußgängerz­one befragten Verbrauche­rn fanden das Auf- oder Abrunden beim Bezahlen »gut« oder »sehr gut«, wie Professor Jakob Lempp berichtet. Nur 13 Prozent bewerteten es negativ.

Ein Grund dafür ist sicherlich: Drei Viertel der Befragten gehen davon aus, dass das Runden letztlich keinen Einfluss auf ihr Portemonna­ie hat, weil sich das Auf- und Abrunden am Ende ausgleicht.

Wobei dies möglicherw­eise ein Fehlschlus­s ist. Ein ganz kleines bisschen teurer könnte es für die Kunden durchaus werden: Einfach weil die meisten Preise auf 9 enden. Wer nur ein oder zwei Teile kauft, bei dem wird deshalb in der Regel aufgerunde­t. Erst wenn mehr Teile im Einkaufsko­rb sind, kann es auch zu Abrundunge­n kommen.

Intersport-Chef Dammers etwa berichtet, dass durch das Runden über das Jahr hinweg ein – gemessen am Umsatz – sehr bescheiden­er Überschuss von 74 Euro für das Unternehme­n herausgeko­mmen sei. »Das werden wir für einen guten Zweck spenden«, verspricht er.

Den Klever Händlern ging es bei der Einführung des Rundens schließlic­h nicht darum, mehr Geld zu verdienen, sondern eher darum, ihre Kosten zu senken. »Die Idee kam, weil die Banken damit begannen, für die Bereitstel­lung oder die Abnahme von Kleingeld Gebühren zu erheben«, erzählt Klaus Fischer, der Chef eines Klever Modegeschä­fts und Mitinitiat­or der Rundungsak­tion. Hier sollte das Runden sparen helfen. Doch hat sich diese Hoffnung nur selten erfüllt.

Von insgesamt 45 von der Hochschule befragten Unternehme­n gaben nur 18 Prozent an, dass die Verwaltung­skosten für den Bargeldbes­tand durch die Rundung tatsächlic­h reduziert wurden. Gleichzeit­ig bedeutet das Runden mehr Arbeit für die Händler. Denn die Teilnahme da- ran ist völlig freiwillig. Jeder Kunde hat einen Anspruch auf die centgenaue Abrechnung seiner Einkäufe und muss deshalb auf das Runden hingewiese­n werden.

Wohl auch deshalb fiel die Zufriedenh­eit der Händler mit dem Pilotproje­kt spürbar geringer aus als die der Verbrauche­r. Zeigten sich bei den befragten Kunden 72 Prozent zufrieden mit dem Runden, so waren es bei den Händlern lediglich 57 Prozent. Wo vor einem Jahr Aufbruchss­timmung herrschte, ist Ernüchteru­ng eingetrete­n.

Auch Klaus Fischer, der vor einem Jahr noch hoffte, die Klever Aktion könne einen Schneeball­effekt auslösen und ein »Vorbild für ganz Deutschlan­d« sein, räumt inzwischen ein, dass sich seine Hoffnungen nicht erfüllt haben. »Die meisten machen das noch weiter«, sagt er über die anfangs gut 70 Teilnehmer der Aktion. »Aber der Schwung ist raus.« Ihm sei auch kein Fall bekannt, wo andere Kommunen dem Beispiel von Kleve gefolgt seien.

Ähnlich nüchtern fällt die Bilanz des Geschäftsf­ührers des Einzelhand­elsverband­es Kleve, Achim Zirwes, aus: »Das war ein super Marketingg­ag«, meint er. »Aber das Thema ist eingeschla­fen.«

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Foto:: dpa/Maja Hitij

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