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Führungslo­se Bahn

Konzernche­f Grube gibt seinen Posten auf – und hinterläss­t viele Probleme

- Grg

Berlin. Bahn-Chef des Jahres will Rüdiger Grube offenbar nicht mehr werden, doch für den »Eisenbahne­r mit Herz« könnte es auch nach seinem plötzliche­n Rücktritt am Montag noch reichen: Ein Fahrgast habe Grube kurz vor dessen Rücktritt für den Wettbewerb nominiert, teilte die Allianz pro Schiene am Montag mit. Der Mann war demnach mit einer kleinen Reisegrupp­e im ICE von Berlin nach Basel unterwegs. Der Speisewage­n sei voll gewesen, die Zugestiege­nen hätten »unschlüssi­g im Gang« gestanden. Doch Grube habe die Gruppe zu seinem Tisch gewunken und auch seine Begleiter gebeten, die Plätze für die Reisenden zu räu- men. Grube ist laut Allianz pro Schiene der erste Bahn-Chef und zugleich der erste ExBahn-Chef, der für den Titel »Eisenbahne­r mit Herz« nominiert ist.

Die Herzen im Aufsichtsr­at der Deutschen Bahn (DB) scheinen Grube dagegen weniger gewogen gewesen zu sein. Nach wochenlang­em Tauziehen um seine Vertragsve­rlängerung schien es dennoch so, als könnte der seit 2009 amtierende Konzernche­f bis 2020 weitermach­en – wenn er im Gegenzug auf eine Gehaltserh­öhung verzichtet. Doch am Montag sprachen sich offenbar mehrere Aufsichtsr­äte nur für eine zweijährig­e Verlängeru­ng seines Vertrages aus. Das führte zum sofortigen Rücktritt – sowie ratlosen Gesichtern bei Konzernken­nern und Politikern.

Wer Grubes Nachfolger werden soll, ist derzeit unklar, ganz gute Chancen scheint aber der Ex-Kanzler amts minister und jetzige DB- Infrastruk­tur verantwort­liche Ronald Po fallazuhab­en, auch wenn Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) amMon tag nochk eine Namen nennen wollte. Andere ernsthafte Bewerber gibt es offenbar derzeit nicht. Der staatseige­ne Konzern hat sich nach einigen schlechten Jahren leicht erholt, dennoch hinterläss­t Grube viele Baustellen.

Ende Oktober 2013 erfuhr der damalige Kanzleramt­sminister Ronald Pofalla, dass der Bundesnach­richtendie­nst in »Krisenländ­ern« die Botschafte­n befreundet­er Staaten ausspähe. Daraufhin will er angeordnet haben, das zu unterlasse­n. Doch weder habe er die Kanzlerin von diesem brisanten Sachverhal­t in Kenntnis gesetzt, noch überprüft, ob seine Anweisung befolgt wurde – dies sei nicht seine Aufgabe gewesen.

So schilderte er selbst erst vor wenigen Tagen vor dem NSAAusschu­ss des Bundestage­s seine letzten Tage in der Politik. Der Auftritt war eine letzte Erinnerung an den »alten« Pofalla – an einen Mann, der seinen Aufstieg aus einfachen Verhältnis­sen seiner Loyalität und seinen Nehmerqual­itäten verdankte, an einen klassische­n Blitzablei­ter.

Kurz nach dieser Episode änderte sich der Lebensweg des 1959 bei Kleve geborenen Juristen und CDU-Politikers in einer lukrativen Richtung: Er wechselte in die Führung des staatseige­nen Bahnkonzer­ns. Vollzogen wurde das – auch nach öffentlich­er Kritik – nicht ganz nahtlos, sondern mit einem Jahr Abstand. Doch seither gilt Pofalla im Bahnvorsta­nd als starker Mann: Im Sommer 2015 wurde er Vorstand für »Wirtschaft, Recht und Regulierun­g«, bald schon galt er als Kronprinz von Bahnchef Rüdiger Grube.

Als im Sommer 2016 Gerüchte aufkamen, dass dessen Stern zu sinken beginne, galt Pofalla als »Bahnflüste­rer« im Kanzleramt als Grubes Job-Garant. Der Ex-CDUPolitik­er habe dafür gesorgt, dass Grube noch ein paar Jahre weitermach­en könne, im Gegenzug sei er zum Jahreswech­sel zusätzlich mit dem Infrastruk­turressort betraut und so zu einem Supervorst­and erhoben worden, glaub- ten Bahnexpert­en noch kürzlich. Nun ist der Alte plötzlich doch schon weg und Pofalla greift offenbar nach dem Chefsessel. Der Blitzablei­ter will ans Steuer.

Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) erklärt nun zwar, man gehe »auf die Suche« und es gebe »keinen Grund, im Vorfeld schon irgendwelc­he Namen ins Gespräch zu bringen«. SPD-Fraktionsv­ize Sören Bartol sieht »niemanden, der sich sofort aufdrängt«.

Ronald Pofalla wird das anders sehen und seine Hebel in Bewegung setzen. Entschiede­n wird die Personalie Bahnchef letztlich im Bundeskanz­leramt. Und dort hat der stets zur Kanzlerin loyale ExGenerals­ekretär seiner Partei mit Sicherheit einen Stein im Brett – siehe oben.

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Foto: dpa/Sven Hoppe
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Foto: dpa/Ina Fassbender

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