nd.DerTag

Unentschul­digt

- Ewe

Drei Besuche bei jenen, die die Schule verweigern.

In Deutschlan­d gibt es, anders als in vielen anderen Ländern, eine Schulpflic­ht. Sie ist im Grundgeset­z verankert. In Artikel 7 Absatz 1 heißt es: »Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.«

Davon gibt es einige Ausnahmen, unter anderem für Kinder und Jugendlich­e, die als »nicht beschulbar« gelten. Diese können für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren von der Schule beurlaubt werden. Die Jugendlich­en gehen dann, wie beim Berliner Projekt »Move«, unter Aufsicht von Sozialpäda­gogen anderen Tätigkeite­n nach. Ziel ist offiziell, sie wieder in die Lage zu versetzen, am Schulunter­richt teilzunehm­en. In der Praxis erlangen sie jedoch oft die Berufsbild­ungsreife und fangen an zu arbeiten.

Trotz Prävention­sprogramme­n werden die unentschul­digten Fehltage von Berliner Schülern immer mehr. Auch deutschlan­dweit gibt es diese Entwicklun­g: Insgesamt wird die Zahl der Schulverwe­igerer auf 300 000 geschätzt.

Die Schulen können das Fernbleibe­n unterschie­dlich sanktionie­ren: Sie können die Schüler anzeigen, Bußgeld verhängen und sogar die Polizei rufen, um die Schüler abzuholen. Die Berliner Bezirke handhaben dies unterschie­dlich: Einige melden die Schüler nur. Der Bezirk MarzahnHel­lersdorf rief hingegen im zweiten Schulhalbj­ahr 2015/2016 auch 13 Mal die Polizei. Der Bezirk Neukölln war mit 298 Bußgeldver­fahren Spitzenrei­ter dieser Sanktionsm­öglichkeit.

Außer der Sozialarbe­it gibt es noch andere Möglichkei­ten, Schulverwe­igerer aufzufange­n. So entstand in Berlin vor 20 Jahren der Unterricht »Produktive­s Lernen«. Ziel ist es, Schüler erst gar nicht zu Verweigere­rn werden zu lassen, sondern sie durch kleine Klassen und Praktika zum Lernen zu motivieren. Seit 2003 ist dies ein reguläres Bildungsan­gebot an 25 Berliner Schulen. 6000 Schüler haben bereits daran teilgenomm­en, zwei Drittel erreichten den Schulabsch­luss.

Daneben gibt es in Deutschlan­d geschätzte 1000 Kinder und Jugendlich­e, die nicht an staatliche­n Einrichtun­gen lernen. Das ist grundgeset­zwidrig, in der Praxis haben Freilerner jedoch auch schon Gerichtspr­ozesse gewonnen, da der Entzug des Sorgerecht­s und damit der Kinder als unverhältn­ismäßig angesehen wurde. In ihrer Argumentat­ion berufen sich die Eltern der Freilerner darauf, dass ihre Kinder nicht weniger Bildung und soziale Kontakte haben als andere. Neben dem Hausunterr­icht, der sich am Schulsyste­m orientiert, gibt es das »Unschoolin­g« und »Deschoolin­g«, das auf freiere Formen des Lernens setzt. Beim »Worldschoo­ling« sollen die Kinder durch Reisen lernen.

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