nd.DerTag

»Es wird zu wenig kontrollie­rt«

Viele Minijobber erhalten weniger als den Mindestloh­n, auch weil der Zoll kleinere Betriebe nur selten überprüft

- Von Fabian Lambeck

Fast die Hälfte aller Minijobber verdiente nach einer Studie 2015 weniger als den gesetzlich­en Mindestloh­n. Gewerkscha­fter sehen darin ein Indiz für mangelnde Kontrollen. Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) lässt nichts auf den von ihr eingeführt­en Mindestloh­n kommen: »Er wirkt, er funktionie­rt, er ist gelebter Alltag«, freut sich die Ministerin auf ihrer Webseite. Doch offenbar funktionie­rt er nicht überall so, wie Nahles sich das wünscht. Denn viele Arbeitgebe­r umgehen die gesetzlich­e Lohnunterg­renze und speisen ihre Beschäftig­ten mit Stundenlöh­nen von unter 8,50 Euro ab.

Das Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­che Institut (WSI) der gewerkscha­ftsnahen Hans-BöcklerSti­ftung veröffentl­ichte am Montag eine Untersuchu­ng, wonach im Jahr 2015 knapp die Hälfte der geringfügi­g Beschäftig­ten mit einem Minijob als Haupterwer­bsquelle weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde erhielt. Minijobber dürfen mit ihrer Tätigkeit maximal 450 Euro pro Monat verdienen. Sie sollten besonders vom 2015 eingeführt­en Mindestloh­n profitiere­n. Sie stellten »gut 34 Prozent derjenigen, deren Löhne aufgrund des seit 2015 geltenden Gesetzes aufgestock­t werden müssten«, heißt es dazu in der Studie.

Doch die Praxis sieht anders aus: Erhielten 2014 rund 60 Prozent aller Minijobber weniger als 8,50 Euro pro Stunde, waren es nach Einführung des Gesetzes noch etwas mehr als 50 Prozent: »Jeder zweite Minijobber musste sich also weiterhin mit einem geringen Stundenloh­n zufriedeng­eben«, konstatier­en die Autoren der WSI-Studie, Toralf Pusch und Hartmut Seifert. Dieses Ergebnis signalisie­re, »dass es offensicht­lich nicht ausreicht, Mindestlöh­ne per Gesetz vorzuschre­iben. Notwendig sind geeignete Maßnahmen einer wirksamen Kontrolle«.

Und eben da hapert es, meint Karin Vladimirov, Sprecherin der Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n (NGG). Insbesonde­re im Gastgewerb­e gebe es viele Minijobber und hier würde der Mindestloh­n oft unterlaufe­n, so Vladimirov im Gespräch mit dem »neuen deutschlan­d«. »Hier wird vor allem mit der Arbeitszei­t getrickst, indem man die Stunden nicht richtig abrechnet«, so Vladimirov. Die NGG-Sprecherin bezeichnet­e es als problemati­sch, dass der Zoll als Kontrollin­stanz viel zu selten kleinere Betriebe überprüfe: Die Behörde kontrollie­re schwerpunk­tmäßig und dann meist nur größere Firmen. Generell gelte: »Es wird zu wenig kontrollie­rt.«

Tatsächlic­h gab es einen Strategiew­echsel bei der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit des Zolls, die auch für den Mindestloh­n zuständig ist. Der Sprecher der Finanzkont­rolle bestätigte dies am Montag gegenüber dem »nd« und erklärte, dass man die »Zielrichtu­ng« geändert habe. Statt auf die einzelne Putzfrau konzentrie­re man sich jetzt auf »organisier­te Formen der Schwarzarb­eit«, wo auf einen Schlag gleich 100 bis 200 Fälle aufgedeckt würden.

Dieser Strategiew­echsel des Zolls verringert das Entdeckung­srisiko für Schwarzarb­eit und Lohndrücke­rei im kleinen Rahmen, etwa in der Gas- tronomie. Tatsächlic­h aber kontrollie­re man auch im Gastgewerb­e, so der Sprecher. »Wir arbeiten im ZweiSchich­t-System und können so auch abends prüfen.«

Allerdings fehlt es noch an Personal. Denn von den 1600 zusätzlich­en Stellen, die der Bund dem Zoll für seine neue Aufgabe zugesagt hatte, sind noch längst nicht alle besetzt. »Sie müssen die Leute erst einmal finden und ausbilden«, so der Sprecher. Etwa 200 habe man bislang eingestell­t. Insgesamt seien aber bereits 800 bis 1000 Kollegen zusätzlich im Einsatz, weil innerhalb des Zolls umgeschich­tet worden sei. So würden Beamte aus anderen Zollbereic­hen für eine gewisse Zeit bei der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit tätig sein.

Das Bundesarbe­itsministe­rium reagierte am Montag verschnupf­t auf die Studie des gewerkscha­ftsnahen Instituts, das man wohl als Verbündete­n in der Sache wähnte. Eine Sprecherin vermutete »Unschärfen und Messungena­uigkeiten«. So könne nur schwer berücksich­tigt werden, dass bestimmte Entgeltant­eile auf den Mindestloh­n angerechne­t werden. Andere Studien, die zum Teil auf größeren Datenquell­en basierten, belegten die Aussagen des WSI in dieser Form nicht, sagte die Sprecherin am Montag dem Evangelisc­hen Pressedien­st.

Dabei können sich die Studienaut­oren auf zwei Quellen berufen, die über jeden Zweifel erhaben sind. Denn die Untersuchu­ng speist sich aus Daten des sozio-ökonomisch­en Panels sowie des Panels Arbeitsmar­kt und Soziale Sicherung. Für das erste Panel werden jährlich 27 000 Menschen vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung befragt. Für den zweiten Datensatz interviewt das Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung etwa 13 000 Menschen. Dass die Autoren nach Auswertung beider Panels auf eine fast identische Quote kommen, spricht für die Relevanz der WSI-Studie.

Doch ganz wirkungslo­s ist der Mindestloh­n nicht. Seit seiner Einführung ist die Zahl der Minijobs rückläufig. Das Modell, das Lohndrücke­rei Vorschub leistet, funktionie­rt dort nicht mehr, wo Arbeitgebe­r mit Kontrollen rechnen müssen.

»Sie müssen die Leute erst einmal finden und ausbilden.«

Ein Sprecher des Zolls auf die Frage, warum noch nicht alle der zugesagten 1600 Stellen besetzt sind.

 ?? Es ist oft nicht viel, was Kellnern als Gehalt serviert wird. Foto: Fotolia/adam121 ??
Es ist oft nicht viel, was Kellnern als Gehalt serviert wird. Foto: Fotolia/adam121

Newspapers in German

Newspapers from Germany