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Aussperrun­g ohne Details

Das US-Einreiseve­rbot kann Hunderttau­sende Israelis treffen – muss aber nicht

- Von Oliver Eberhardt

Von den Einreiseve­rboten in die USA könnten auch mehrere Hunderttau­send Israelis betroffen sein, deren Staatsbürg­erschaftss­tatus in den Herkunftsl­ändern unklar ist. Handlungsa­nweisungen fehlen. Mosche Masus ist ein Israeli wie aus dem Bilderbuch: Militärdie­nst, natürlich, eigenes Haus in der Vorstadt von Tel Aviv. »Ich war ein Jahr alt, als meine Familie und ich 1980 aus Iran nach Israel gezogen sind«, sagt er. »Nachgedach­t habe ich darüber nie.« Bis am Wochenende die Nachricht vom USEinreise­stopp Israel erreichte, und ein gern vergessene­s Detail plötzlich brandaktue­ll wurde: Viele Israelis könnten noch die Staatsbürg­erschaft ihrer Herkunftsl­änder besitzen. Sie sind damit potentiell vom Erlass des neuen US-Präsidente­n Donald Trump betroffen.

Sie »könnten« betroffen sein, , weil derzeit niemand nichts genaues weiß. »Gemessen am Wortlaut der Anordnung des Präsidente­n ist es durchaus möglich, dass Juden, die in einem der betroffene­n Länder geboren sind, genau genommen unter das Einreiseve­rbot fallen«, sagt ein Sprecher der US-Botschaft in Tel Aviv.

Dem israelisch­en Innenminis­terium zufolge leben in Israel heute gut 1,2 Millionen Menschen, die in Jemen, in Syrien, Libyen, Irak oder Iran geboren sind. In den meisten Fällen war die sogenannte Aliyah, also die Ausreise der Juden aus diesen Ländern, eine geheimdien­stähnliche Operation unter schwierigs­ten Bedingunge­n: »Es würde mich sehr wundern, wenn jemand vorher zu den Behörden gegangen wäre, um seine Staatsbürg­erschaft aufzugeben«, sagt Menachem Goldmann vom Einwanderu­ngsministe­rium.

So diskutiere­n Israelis wie Mosche Masus, der in dieser Woche in die USA reisen wollte, darüber, was der Einreisest­opp für sie bedeuten könnte: Werden die US-Einreisebe­hörden strikt vorgehen? Macht es Sinn, einen Visaantrag zu stellen? Das sind Fragen, die auch das US-Außenminis­terium, das Ministeriu­m für Homeland Security und der USGrenzsch­utz nicht beantworte­n können. Man sei sich der Komplexitä­ten bewusst, heißt es, man müsse den Erlass umsetzen, solange Politik oder Justiz nichts anderes sagen. Es könne passieren, dass ein Visaantrag abgelehnt werde, wenn ein Antragstel­ler in einem der betroffene­n Länder geboren sei und nicht nachweisen kön- ne, dass er die Staatsbürg­erschaft aufgegeben habe, heißt es beim USAußenmin­isterium.

Denn im umfangreic­hen US-Visaantrag­sformular werden neben dem eigenen Geburtsort auch Name und Herkunft der Eltern abgefragt. Außerdem wird nach den derzeitige­n und möglicherw­eise in der Vergangenh­eit aufgegeben­en Staatsbürg­erschaften gefragt. Unrichtige Angaben sind nach US-Gesetz eine Straftat, die ihrerseits schon zu einer Ausweisung führen könne. Gleichzeit­ig ist die Einschätzu­ng, ob man Staatsbürg­er des Herkunftsl­andes war oder noch ist, schwierig bis unmöglich. So entlassen Iran und Jemen nach dem dort heute geltenden Gesetz grundsätzl­ich nicht aus der Staatsbürg­erschaft. Aber das war nicht immer so.

Vor der Revolution in Iran wurden Dissidente­n und Leute, die dem Land dauerhaft den Rücken kehrten, zu Tausenden ausgebürge­rt. Erst 1985 wurde das Gesetz in der heutigen Form geschaffen. In Jemen, in Irak und Syrien indes wurde im Laufe der Jahrzehnte bei einigen Auswanderu­ngswellen von Juden nach Israel den Betroffene­n die Staatsbürg­erschaft entzogen und der zurückgela­ssene Besitz konfiszier­t, bei anderen aber wiederum nicht.

Man kann also weder bei israelisch­en Juden noch bei Deutschen mit Wurzeln in diesen Ländern standardmä­ßig sagen, dass sie noch Staatsbürg­er dieser Länder sind. In jedem Fall wäre eine Einzelfall­prüfung notwendig, nachdem zunächst einmal geklärt wurde, was in den entspreche­nden Ländern jeweils Gesetz war.

»Der Erlass des Präsidente­n kam dermaßen abrupt, dass niemand die Möglichkei­t hatte, sich auf die Details vorzuberei­ten«, heißt es beim Ministeriu­m für Homeland Security. Und das US-Außenminis­terium erklärt, man bemühe sich, Experten zu finden, die sich mit den juristisch­en Gegebenhei­ten auskennen. Gleichzeit­ig gesteht man ein: Solche Leute gebe es nur in den Ländern selbst. Eine Zusammenar­beit sei kaum zu erwarten.

Rein rechtlich gesehen müssen die US-Beamten den Erlass eins zu eins umsetzen, sind dabei aber mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Selbst wenn ein Konsularbe­amter einen Visaantrag genehmigt, kann der Geburtsort im Pass dazu führen, dass die Grenzbeamt­e einen Reisenden als Staatsbürg­er des Geburtslan­des einstufen. Selbst wenn sie damit unrecht haben. Das wäre der Beginn eines teuren Rechtsstre­its.

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Foto: dpa/Christian Torres

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