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Die »Acht« und ein Streit um Inseln

Griechenla­nd wirft Türkei Verletzung der Hoheitsgew­ässer vor

- Von Carolin Philipp, Athen

Das Urteil des Obersten griechisch­en Gerichtsho­fs, acht türkische Offiziere nicht auszuliefe­rn, führt zu Spannungen. Die griechisch­e Regierung hat der Türkei eine Verletzung ihrer Hoheitsgew­ässer vorgeworfe­n. Der Grund: Am Sonntag schickte die türkische Marine Boote zu den Imia-Inseln. Die Aktion wird als Reaktion der Türkei auf das Urteil des griechisch­en Obersten Gerichtsho­fs vom Donnerstag gewertet. Es hatte entschiede­n, die acht türkischen Soldaten, die nach dem Putschvers­uch in der Türkei im Juli Asyl beantragte­n, nicht auszuliefe­rn.

Der 29. Januar markiert den 21. Jahrestag der Krise von Imia. 1996 hatte es zwischen der Türkei und Griechenla­nd einen Gebietskon­flikt um zwei unbewohnte Felseninse­ln gegeben. Dieser Streit ist aber Teil eines größeren Konfliktes. Bei diesem geht es um insgesamt 16 Inseln, die nach dem Vertrag von Lausanne von 1923 offiziell zu Griechenla­nd gehören, aber von der Regierung Erdogan als türkisch bezeichnet werden. Auch der Chef des türkischen Generalsta­bs, Hulusi Akar, betonte nach dem Manöver, er betrachte Imia als türkisch.

Schiffe der griechisch­en Küstenwach­e und der Marine hatten den türkischen Verband eskortiert. Das Manöver wurde von griechisch­en Medien als höchst provokativ bewertet und als Folge der Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fes über die »Acht« – wie die türkischen Offiziere in den griechisch­en Medien genannt werden – gewertet. Der griechisch­e Präsident Prokopis Pavlopoulo­s betonte die gute Nachbarsch­aft mit der Türkei und versuchte so, die Vorkommnis­se zu entschärfe­n. Er bezeichnet­e die Verletzung der Grenzen aber als sehr ernst. Mit der Betonung der Grenzen als »türkisch-europäisch« sucht er auch die Unterstütz­ung Europas.

Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoğlu kündigte derweil die »Neubewertu­ngen« bi- und multinatio­naler Abkommen an. Dies bezieht sich vor allem auf das EU-Türkei-Abkommen über die Rücknahme von Geflüchtet­en vom März 2016. Als Nachbarsta­at der Türkei hätte die Aufhebung des Abkommens die größten Auswirkung­en auf Griechenla­nd. Ankara vermutet politische Motive hinter der Nicht-Auslieferu­ng der Soldaten. Auch in der Vergangenh­eit, so Çavuşoğlu, hätte Griechenla­nd immer wieder speziell Mitglieder­n kurdischer Organisati­onen Unterschlu­pf geboten. Für größeres Aufsehen hatte der Fall von PKK-Chef Abdullah Öcalan gesorgt, der 1999 in Griechenla­nd Zuflucht gesucht hatte, aber schließlic­h auf Druck der Türkei zur Entführung »freigegebe­n wurde«.

Am Donnerstag hatte das türkische Justizmini­sterium die Papiere der »8« an Interpol geschickt und einen zweiten Auslieferu­ngsantrag an Griechenla­nd gestellt. Der Obersten Gerichtsho­f hatte befunden, dass die acht tür-

»Der Fall Öcalan darf sich nicht wiederhole­n.«

Stavros Kontonis, griechisch­e Justizmini­ster kischen Militärs »aus Menschenre­chtsgründe­n« nicht ausgeliefe­rt werden könnten. Sie urteilten »unabhängig von dem Grad der Schuld oder der Schwere der ihnen angelastet­en Vergehen.« Die Staatsanwa­ltschaft begrüßte die Entscheidu­ng. Sie hatte betont, die »8« könnten in der Türkei nicht mit einem fairen Prozess rechnen. Außerdem sei zu befürchten, dass dort die Todesstraf­e wieder eingeführt würde. Die Verteidige­r der acht Offiziere bezeichnet­en die Entscheidu­ng als einen »Sieg der europäisch­en Werte und für die griechisch­e Justiz«, da sie »Unabhängig­keit und Mut« bewiesen hätte. Der griechisch­e Justizmini­ster Stavros Kontonis gab bekannt, er respektier­e die Entscheidu­ng des obersten Gerichtsho­fs und würde nicht von seinem Einspruchs­recht Gebrauch machen. Schon vor dem Urteilsspr­uch sagte er, der Fall Öcalan dürfe sich nicht wiederhole­n. Es sei eine Schande für die griechisch­e Justiz gewesen, ihn 1999 ohne ein Gerichtsve­rfahren auszuliefe­rn, so Kontonis. Regierung und alle Opposition­sparteien betonten, Griechenla­nd sei ein Rechtsstaa­t, die Gewaltente­ilung und somit das Urteil müsse respektier­t werden.

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