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Auslandsei­nsatz statt Arbeitsall­tag

Das Entwicklun­gsminister­ium schafft einen Freiwillig­endienst für über 30-Jährige aus dem Berufslebe­n

- Von Claudia Rometsch epd/nd

Bislang gab es Freiwillig­enprogramm­e in der Entwicklun­gszusammen­arbeit nur für Jugendlich­e und Ruheständl­er. Mit dem neuen »Weltdienst 30+« soll sich das ändern. Sie hatten einen falschen Knopf gedrückt, und nichts funktionie­rte mehr: Vier Schwestern im Jemen wollten sich mit einem Frauen-Fotostudio in der Hauptstadt Sanaa eine Existenz aufbauen. Doch mit der modernen Technik kamen sie nicht zurecht. Schließlic­h wandten sie sich an den Senioren Experten Service (SES) in Bonn.

Die Organisati­on entsendet pensionier­te Fachleute zu ehrenamtli­chen Einsätzen in Schwellen- und Entwicklun­gsländer. Doch in diesem Fall war kein Ruheständl­er zu finden, der sich mit der modernen Fototechni­k auskannte. Stattdesse­n sprang die Fotografin Ute Grabowsky ein.

Die Mitinhaber­in einer Bildagentu­r hatte durch Zufall von der Expertensu­che des SES erfahren und spontan beschlosse­n: »Das mache ich.« Sie nahm sich vier Wochen frei und machte mit den vier Frauen im Jemen einen Crash-Kurs in Fotografie. Berufstäti­ge wie Ute Grabowsky waren bislang bei staatlich geförderte­n Freiwillig­eneinsätze­n in Schwellen- oder Entwicklun­gsländern eine Ausnahme. Für junge Erwachsene bis 28 Jahre gibt es den Freiwillig­endienst »weltwärts«. Und der SES vermittelt rüstige Ruheständl­er mit Fachwissen an Betriebe in ärmeren Ländern.

Mit dem neuen Programm »Weltdienst 30+« will das Entwicklun­gsminister­ium nun erstmals auch Berufstäti­ge mittleren Alters für Einsätze im Ausland gewinnen. Diese sollen im Urlaub oder in einem Sabbatjahr ihr Fachwissen im Ausland vermitteln. Dass es auch bei diesen Menschen ein Interesse an solchen Einsätzen gibt, erfährt der SES seit Jahren. Rund 200 sind bereits bei der Organisati­on registrier­t.

»Es gibt immer mehr Menschen, die berufliche Auszeiten nehmen«, erklärt Heike Nasdala vom SES, der sich an dem neuen »Weltdienst 30+« Fotografin Ute Grabowsky beteiligt. Für die 54-jährige Fotografin Grabowsky war es der Wunsch, »in die Welt hinauszuge­hen«, der sie zu ihrem Einsatz motivierte. »Außerdem war es auch die Freude, Wissen weiterzuge­ben.«

Ebenso wie im »Weltdienst 30+« vorgesehen, war der Einsatz auch für Grabowsky kostenfrei. Das sei nicht selbstvers­tändlich, sagt SES-Mitar- beiterin Nasdala. Denn es gebe bereits eine Reihe Anbieter für Hilfseinsä­tze im Ausland, bei denen Berufstäti­ge teilweise mehrere Tausend Euro für ihren Aufenthalt zahlen müssten. Der »Weltdienst 30+«, der mindestens vier Wochen und maximal sechs Monate dauert, wird hingegen mit Mitteln des Entwicklun­gsminister­iums gefördert. Für die Unterbring­ung der Experten sind wie auch bei den Senioren-Programmen in der Regel die Betriebe vor Ort zuständig.

Grabowsky wohnte bei der Familie der vier jemenitisc­hen Schwestern. Die Fotografin sah das als Vorteil: »Nie lernt man die Welt so gut kennen, als wenn man sozial eingebunde­n ist.« Menschen, die sich auf einen solchen Dienst einließen, müssten jedoch sehr offen und tolerant sein, sagt sie. Einsätze wie im Jemen bedeuteten, sich auf eine völlig fremde Welt einzulasse­n.

Für Grabowsky hieß das, dass sie sich als Frau in dem arabischen Land nicht frei bewegen konnte, auch wegen der angespannt­en Sicherheit­slage. »Ich fühlte mich in diesen vier Wochen teilweise auch kaserniert in meiner kleinen Frauenwelt.« Aufgewogen worden sei das aber durch die intensive Zusammenar­beit mit den vier Frauen.

Grabowsky hat in dem Bewusstsei­n gearbeitet: »Wenn ich das hier jetzt nicht tue, gibt es für die Frauen keine andere Möglichkei­t.« Nach ihrem ersten Aufenthalt 2010 reiste die Fotografin ein Jahr später erneut in den Jemen. Die vier Frauen hatten ihr Fotostudio dank der Hilfe bereits vergrößern können.

Grabowsky möchte die Erfahrung nicht mehr missen: »Etwas Sinnvolles für andere Menschen zu tun und etwas bewegen zu können, war für mich bereichern­d.« Sie findet es sinnvoll, Freiwillig­endienste auch für Berufstäti­ge zu öffnen. Das Fachwissen ändere sich manchmal schnell, so dass Ruheständl­er nicht immer noch auf der Höhe der Zeit seien.

»Wenn ich das hier jetzt nicht tue, gibt es für die Frauen keine andere Möglichkei­t.«

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