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Die Mutter-Kind-Zellen sind noch frei

Das Frauengefä­ngnis in Pankow wird wieder belegt – zumindest teilweise / Noch fehlt weiterhin Personal

- Von Ellen Wesemüller

Der alte Justizsena­tor hatte es vorübergeh­end geschlosse­n, der neue eröffnet es nun wieder: das Frauengefä­ngnis in Pankow. Noch ist nur die Hälfte der Zellen belegt, denn Stellen sind weiter unbesetzt. Er ist wieder offen – der geschlosse­ne Vollzug für Frauen in Pankow. Am Montag führt der neue Justizsena­tor Dirk Behrendt (Grüne) durch die Zellen der seit zwei Wochen wieder belegten Justizvoll­zugsanstal­t (JVA).

Damit nimmt der vierte Standort des Berliner Frauengefä­ngnisses nach eineinhalb Jahren seinen Betrieb wieder auf. Im Mai 2015 hatte ihn der damalige Justizsena­tor Thomas Heilmann (CDU) vorübergeh­end geschlosse­n, da Personal knapp wurde. Das ist zwar immer noch so – aber der Standort Lichtenber­g, an den die Inhaftiert­en verlegt worden waren, platzte aus allen Nähten: »Es ist voll gewesen in Lichtenber­g«, sagt Behrendt.

Gedacht ist das Gefängnis in Pankow für 60 Frauen und 27 Beschäf- tigte, zur Zeit sind jedoch erst 30 Zellen belegt. Dass nicht mehr Frauen einziehen können, liegt daran, dass ihnen immer noch zu wenig Justizvoll­zugsbeamte gegenübers­tehen: ausgeschri­ebene Stellen blieben un- besetzt, so Behrendt. Grund sei, dass das Land lange nicht ausgebilde­t habe, viele Beschäftig­te derzeit in Rente gingen und andere Bundesländ­er, so auch Brandenbur­g, besser bezahlten. Und es wird noch schlimmer. Behrendt sagt: »Da haben wir das tiefe Tal noch nicht erreicht.« Er rechne damit, dass im laufenden Jahr der niedrigste Personalst­and erreicht werde, dann komme der sukzessive Aufbau. Dass nun trotzdem wieder eröffnet wird, sei »geschickte­r Personaldi­sposition« zu verdanken, sagt er. Und gibt zu: »Man zieht das Personal an anderer Stelle wieder ab.«

Während der Schließzei­t habe man eine Million Euro in die Sicherheit­stechnik der JVA investiert: in Alarmanlag­en, Notlichter und den Brandschut­z. Auch eine barrierefr­eie Zelle wurde gebaut. Saniert wurde hingegen nicht – die Gänge, Zellen und Gemeinscha­ftsräume bieten dann auch ein tristes Bild. Die Wände sind staubig, die Wandfarbe alt, eins der drei Spielzimme­r für Kinder ist duster. »Wir überlegen, hier mit einem Malerkomma­ndo durchzugeh­en«, sagt Anstaltsle­iterin Daniela Leschhorn. Eine Tischlerei fertige zur Zeit neue Stühle und Tische.

Eine Besonderhe­it Berlins, die auch an diesem Standort umgesetzt wurde: Die Häftlinge können aus jeder Zelle telefonier­en. »Das ist ideal zur Suizidpräv­ention«, sagt Andreas Kratz, Leiter der vier Teilanstal­ten. Besonders wichtig sei dies in der Untersuchu­ngshaft in der JVA Moabit. Dort, wo Menschen plötzlich aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden, sei die Zahl der Selbstmord­e besonders hoch. Die Telefone habe auch das Anti-Folter-Komitee der EU »sehr positiv vermerkt«. Dirk Behrendt, Justizsena­tor (Grüne)

Vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass die Zahl der Selbstmord­e in den Berliner Gefängniss­en gestiegen ist. 2016 wurden sieben Suizide registrier­t, 2015 waren es nur zwei gewesen, sagte Behrendt vor zwei Wochen im Abgeordnet­enhaus. Allein vier Gefangene hatten sich in der JVA Moabit umgebracht.

Eine Besonderhe­it am Standort Pankow: zwei Mutter-Kind-Zellen, in denen Inhaftiert­e mit ihren Neugeboren­en leben können. Vor der Schließung waren es mehr, Anstaltsle­iterin Leschhorn sagt: »Wir haben uns hier verkleiner­t .« Behrendtfi­nd et diesen Bereich» nicht unproblema­tisch «, die Haft unterbring­ung mit Kind sei die »Ultima Ratio«, komme »relativ selten« vor. Leschhorn erzählt jedoch von zwei Schwangere­n in Untersuchu­ngshaft, bei denen sie davon ausgeht, dass sie diese Zellen bald belegen werden.

Insgesamt gibt es in Berlin rund 200 inhaftiert­e Frauen, davon 120 im geschlosse­nen Vollzug. Demgegenüb­er stehen 4000 inhaftiert­e Männer. Diese Relation ist laut Behrendt »weltweit so«.

Behrendt, auch Antidiskri­minierungs senator, will zudem Fragender Transg es ch lechtlichk­eit angehen. In den vergangen zehn Jahren habe es zwar nur zwei solcher Fälle gegeben. Aber er ist sich sicher: »Wir werden in Zukunft häufiger mit dem Phänomen zu tun haben, insbesonde­re in Berlin.«

»Man zieht das Personal an anderer Stelle wieder ab.«

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Foto: Florian Boillot

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