Auf Wacht gegen Hetzer
Neue Forschungsstelle in Potsdam hat Antisemitismus und Rechtsextremismus im Fokus
Eine neue Forschungsstelle zu Antisemitismus und Rechtsextremismus am Moses Mendelssohn Zentrum trägt den Namen von Emil Julius Gumbel, eines frühen Mahners vor der Gefahr des Nazismus. Als das Moses Mendelssohn Zentrum der Universität Potsdam vor einigen Tagen seine Statistik zu ausländerfeindlichen Aufmärschen im Land Brandenburg vorlegte, war dies der erste umfassende Beitrag einer neuen Forschungseinrichtung. Institutsleiter Julius Schoeps stellte bei dieser Gelegenheit die Emil Julius Gumbel Forschungsstelle (EJGF) vor, deren Arbeitsgebiet der Antisemitismus und Rechtsextremismus in Geschichte und Gegenwart sowie die Auseinandersetzung der demokratischen und zivilen Gesellschaft zur Abwehr dieser Tendenzen ist.
Mit Emil Julius Gumbel (18911966) werde ein »entschiedener Republikaner, streitbarer Pazifist und früher Warner vor dem Nationalsozialismus« geehrt – so erläuterte Schoeps die Namensgebung. Der Mathematiker und Publizist jüdischer Herkunft habe schon in den 1920ern mit wissenschaftlichen Methoden die Netzwerke der extremen Rechten in der Weimarer Republik untersucht. Schoeps legte Wert auf die Feststellung, dass die »altehrwürdige« Universität Heidelberg Gumbel bereits 1932, noch vor der Machtergreifung durch den Hitlerfaschismus, entlassen habe. 1933 fielen in Deutschland seine Werke den Bücherverbrennungen zum Opfer, er selbst emigrierte über Frankreich in die USA, wo er 1953 einen Lehrstuhl an der Columbia Universität erhielt. Es werde »die Erinnerung an seine Verdienste um die Republik in Deutschland kaum noch gepflegt«.
Schoeps dankte der Landesregierung und ausdrücklich Kulturministerin Martina Münch (SPD) für die finanzielle Unterstützung des Projektes. Die rot-rote Regierung hatte ihre Beteiligung am Aufbau der Forschungsstätte vor gut einem Jahr beschlossen. Nunmehr seien eine »Verstetigung der Arbeit« und eine stärkere Systematisierung möglich, sagte Forschungsstellenleiter Gideon Botsch. Dabei konzentriere man sich auf das Bundesland Brandenburg und die neuen Länder. Die Kapazitäten würden ermöglichen, »den Antisemitismus in seiner ganzen Breite wahr- zunehmen«. Dazu gehöre die Dokumentation, die Analyse, der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis bis hin zur Auswertung von Drohbriefen, »soweit sie uns erreichen«. Auf Nachfrage wurde deutlich, dass er weniger Drohbriefe meinte, die an das Mendelssohn Zentrum gerichtet sind, sondern, vor allem ganz andere Adressaten haben. Neu sei die Tendenz, dass diese Briefe nicht mehr anonym abgesandt werden, sondern mit Name und Unterschrift, fügte Schoeps hinzu.
Das besondere Augenmerk der Forschungsstelle gilt Schoeps zufolge den rechtsextremen Akteuren – Einzelpersonen, Parteien und Vereinen, Kleingruppen und Netzwerken, Verlagen, Zeitschriften und Medien. Und es gilt ihren Handlungen – von der alltäglichen Diskriminierung bis zur Produktion von Ideologie und Propaganda, von Aufmärschen und Schmierereien bis zu Friedhofs- und Gedenkstättenschändungen, von Gewalttaten bis zum Mord.
An der EJGF entsteht derzeit eine Spezialdokumentation zum Rechtsextremismus in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zu den Sammlungsschwerpunkten zählen Eigenpublikationen der extremen Rechten – insbesondere mit Bezug zu Antisemitismus, Israel und dem Phänomen der »Holocaust-Leugnung«, ferner Periodika, Schulungs- und Propagandamaterialien. Einen der Schwerpunkte dieser Spezialdokumentation bilde das rechtsextreme Milieu im Land Brandenburg.
Primärquellen mit Bezug zum Land Brandenburg und den östlichen Bundesländern, inklusive Kleinschriften, Flugblätter, Musikerzeugnisse und Ephemera, sollen möglichst umfangreich dokumentiert werden. Weiterhin wird die Sammlung von Sekundärliteratur zu Rechtsextremismus und Antisemitismus der Bibliothek des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien ausgebaut.
Im Begleitmaterial heißt es dazu: »Antisemitismus und Rechtsextremismus werden dabei nicht nur als Einstellungen und Ideologien oder als Verhaltensmuster gewertet, sondern als historisch gewachsene politische Bewegungen, die auf die Entfaltung von politischem oder kulturellem Einfluss orientiert sind. Daher will an der EJGF nicht nur die Gegenwart von Antisemitismus und Rechtsextremismus erforscht, sondern auch deren geschichtliche Entwicklungen.«