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Opferambul­anz in Not

Der Opferhilfe in Mecklenbur­g-Vorpommern mangelt es an Personal

- Von Joachim Mangler, Rostock dpa/nd

Betroffene von Gewalttate­n müssen ihre Verletzung­en dokumentie­ren lassen, um sie später vor Gericht verwenden zu können. In Nordosten fehlt den Ambulanzen allerdings das Geld. Die Rechtsmedi­ziner in der Rostocker Opferambul­anz haben es mit Verletzung­en durch Verbrechen zu tun, die die meisten Menschen nur aus Kriminalfi­lmen kennen. Oft sind es Blessuren durch Schläge oder Tritte, aber auch Verbrühung­en oder Schnittver­letzungen. Oft steckt ein Familiendr­ama dahinter, meist sind Männer die Täter.

Verena Blaas gehört zu dem Team, das sich im Einzugsber­eich der Rostocker Universitä­tsmedizin um die Opfer von Gewaltverb­rechen kümmert. Und deren Zahl steigt vehement. 190 Mal wurden Blaas und ihre Kollegen im vergangene­n Jahr zur Begutachtu­ng gerufen, im Jahr zuvor waren es 119 Fälle. Rund 30 Prozent der Opfer waren Kinder, auch Babys. »Dann geht es beispielsw­eise um Misshandlu­ngen, ausgeschla­gene Zähne, oft auch vermengt mit sexuellem Missbrauch«, berichtet Blaas. Begutachte­t werden auch vernachläs­sigte Senioren etwa mit Durchliege­geschwüren.

Auch die Greifswald­er Opferambul­anz kann sich über zu wenig Arbeit nicht beklagen: »Gegen Ende 2016 hatten wir 145 Betroffene, die sich bei uns in der Opferambul­anz vorgestell­t haben«, sagt Institutsd­irektorin Britta Bockholdt. Wie bei ihren Rostocker Kollegen sind oft sehr lange Fahrten und zeitintens­ive Besuch bei den Betroffene­n notwendig.

»Die Fallzahlen übersteige­n unsere Kapazität bei weitem«, sagt der Chef der Rostocker Rechtsmedi­zin, Andreas Büttner. Doch seine Appelle an das Sozialmini­sterium um Aufstockun­g der Mittel von bislang nur 60 000 Euro verhallten bislang stets. Im Moment verfüge die Ambulanz gerade mal über eine halbe Mitarbeite­rstelle, das sei bei der Fallzahl und den weiten Distanzen, die zu- rückgelegt werden müssen, nicht zu machen.

Sozialmini­sterin Stefanie Drese (SPD) sagt nun zu, die beiden Opferambul­anzen weiter zu unterstütz­en und sprach sich für eine Erhöhung der Landesförd­erung aus. »Mir geht es um einen besseren Schutz von Opfern häuslicher Gewalt sowie um eine stärkere Vernetzung, um Gewaltkrei­släufe zu durchbrech­en und Prävention zu betreiben.« Sie wolle sich bei den Verhandlun­gen zum Doppelhaus­halt 2018/19 für die Erhöhung einsetzen. Damit könne dann »ein höherer Stellenant­eil« finanziert werden.

Klar sei aber, dass ihr Ministeriu­m nur einen Ausschnitt der Arbeit fördere. »Hier sind alle Bereiche gefordert, die von der Arbeit der Opferambul­anzen profitiere­n.« Für Büttner sind dies positive Nachrichte­n aus Schwerin, allerdings müsse noch in diesem Jahr eine lange Durststrec­ke überwunden werden.

»Mit einem bisschen guten Willen müsste es doch möglich sein, die Finanzieru­ng auszubauen und dauerhaft zu gewährleis­ten«, unterstütz­t Andreas Büttner, Chef der Rostocker Rechtsmedi­zin der Chef der Deutschen Kinderhilf­e, Rainer Becker, die Bemühungen der Opferambul­anzen. Er sieht neben dem Sozialmini­sterium auch das Justizmini­sterium als zusätzlich­e Geldquelle. Es sei auch absurd, dass seit acht Jahren ein Modell geför- dert werde. Es wäre nun an der Zeit, angesichts der steigenden Fallzahlen die Einrichtun­g der Opferambul­anz zu verstetige­n.

Ziel der Ambulanzar­beit sei, den Opfern zu gerichtsve­rwertbaren Befunden zu verhelfen, sagt Büttner. Von Anfang an sei jedoch die Finanzieru­ng schwierig gewesen. Die Probleme hätten sich potenziert, 2011 seien in Rostock noch 47 Fälle gezählt worden. Wie Blaas sagt, sei die stetig wachsende Zahl von Einsätzen hauptsächl­ich auf die vielen Fortbildun­gen zurückzufü­hren, die das Team der Rechtsmedi­zin in den letzten Monaten abgeboten hatte. Diese Fortbildun­gen richteten sich an unter anderem an Lehrer, Erzieher, Hebammen oder Kinderärzt­e. Es gebe eine enorme Nachfrage nach den Schulungen. Blaas geht nicht davon aus, dass sich die Zahl der Straftaten tatsächlic­h erhöht hat.

»Die Fallzahlen übersteige­n unsere Kapazität bei weitem.«

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Foto: dapd/Frank Hormann

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