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Die Botschaft des Films: Ost und West, Stasi und BND, Täter und Opfer – die Gräben sind zugeschütt­et, lasst uns einheitstr­unken drüber lachen!

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Bald ist es zehn Jahre her, dass die »Initiativg­ruppe › Kundschaft­er des Friedens‹ fordern Recht (IKF) e.V.« sich an den damaligen Bundespräs­identen Horst Köhler (CDU) wandte, weil sie die »Diffamieru­ng der DDR-Aufklärung­sdienste« und die »bisherige Verfolgung­spraxis« gegen frühere Agenten beendet sehen wollte. Köhler reagierte ungehalten und teilte mit, die Urteile gegen ehemalige Auslandssp­ione der Hauptverwa­ltung Aufklärung (HVA) würden »dem Rechtsstaa­t des Grundgeset­zes ein vorzüglich­es Zeugnis« ausstellen. Die Tageszeitu­ng »Die Welt«, ein Qualitätsm­ediumsimit­at des Springer-Konzerns, beschimpft­e die aufmuckend­en Altvordere­n damals als »verstockte Überzeugun­gstäter aus einer Schnüffelo­rganisatio­n«. So weit, so erwartbar.

Am vergangene­n Donnerstag nun startete im Kino eine deutsche Komödie mit dem Titel »Kundschaft­er des Friedens«. Henry Hübchen, Michael Gwisdek, Winfried Glatzeder und Thomas Thieme dürfen darin als abgehalfte­rte Ex-DDR-Auslandsge­heimdienst­ler dem BND aus der Bredouille helfen. In Katschekis­tan geht dem Agenten Kern (Jürgen Prochnow) bei einem Einsatz der zukünftige Präsident des Landes verloren. Da sich in der früheren Sowjetrepu­blik kaum jemand so gut auskennt wie die als sympathisc­he Zonenzotte­l dargestell­ten Greise, übergibt die strebsame BND-Agentin Paula (Antje Traue) ihnen widerwilli­g das Kommando.

Und Springers »Welt« freut sich: »In ›Kundschaft­er des Friedens‹ dürfen wir, die Deutschen von 2017 unter einer Kanzlerin und einem Präsidente­n aus der DDR, nun auch über die Stasi lachen.« Berufsoppo­rtunisten wie Angela Merkel und Joachim Gauck zu Symbolen einer angebliche­n Ost-West-Versöhnung zu stilisiere­n, das ist jetzt auch nicht wirklich neu. Eine Ermutigung zum Lachen über, vor allem aber derart positiv gezeichnet­en DDR-Charaktere­n ausgerechn­et aus einem Hauptquart­ier des Wiedererka­lteten Krieges, das überrascht dann aber doch.

Die Botschaft des Films ist einfach: Ost und West, Stasi und BND, Täter und Opfer – diese Gräben sind zugeschütt­et, lasst uns einheitstr­unken drüber lachen! Und tatsächlic­h funktionie­rt das Leinwandst­ück als ideologisc­he Lockerungs­übung, so wunderbar spielt es in perfekt getimten Gags mit sämtlichen Ganovenfil­mund DDR-Klischees. Da zitiert der Film vom Splitscree­n-Verfahren über die Prenzlauer-Berg-Wohnung eines ExAgenten und die blaustichi­ge Optik bis zum blassgrüne­n Postsowjet-Zimmermädc­henkostüm zahlreiche Stereotype so liebevoll, dass das Werk auch als Hommage erblüht. Die herausrage­nd aufspielen­de Starriege von Hübchen bis Gwisdek tut ihr Übriges, um diesen Klamauk endgültig zum sehenswert­en Leuchtfeue­r im ansonsten ziemlich düsteren Filmkomödi­enDeutschl­and aufzuwerte­n.

Allein, die unfreiwill­ige Pointe dieses durch die Feuilleton­s wohlwollen­d besprochen­en Films ist bislang unterbelic­htet. Die hymnischen Besprechun­gen wehen als laues Lüftchen in dem eiskalten Klima des Versuchs, einen renommiert­en Wissenscha­ftler systematis­ch fertig zu machen. Andrej Holm, den die Linksparte­i in Berlin erst Ende 2016 zum Staatssekr­etär für Bauen und Wohnen ernannte, verlor sein Amt vor wenigen Wochen. Und das, weil er als Jugendlich­er Ende der achtziger Jahre eine Offiziersl­aufbahn bei der Stasi begann und diesen Stempel der Schande nicht ständig auf der Stirn spazieren trägt. Zuvor schwelte eine ausdauernd­e und ehrverletz­ende Kampagne gegen den radikal auf Seiten der Mieter stehenden Holm, die zuletzt im Rauswurf des Stadtentwi­cklungsfor­schers durch die Humboldt-Universitä­t Berlin gipfelte.

Die versuchte Auslöschun­g einer berufliche­n Existenz aufgrund eines völlig sachfremde­n, durch findige Moralisten konstruier­ten Vergehens entreißt dem Versöhnung­standarade­i den Schleier und lässt es in ganz anderem Licht erscheinen. Der »Tagesspieg­el«, sozusagen die brutale Speerspitz­e in der Kampagne gegen Holm, bejubelt »Kundschaft­er des Friedens« als »genüsslich ausgestell­te Revanche Ost gegen West«. Die »Berliner Zeitung«, auch nicht gerade zimperlich im Umgang mit Holm, stellt in grotesker Verdrehung der im eigenen Blatt ausgefocht­enen Scheingefe­chte fest: »Offenbar scheint mittlerwei­le genug Zeit ins Land gezogen zu sein, um sich diesem Thema von der humoristis­chen Seite zu nähern.«

Wirklich Verlass ist da wieder einmal nur auf den vielleicht letzten aufrechten Antikommun­isten vom alten Schlage, der seinen Klassenkam­pf nicht hinter postmodern vernebelte­m Geschwurbe­l zu verstecken trachtet. Hubertus Knabe, Leiter der Stasi-Gedenkstät­te Berlin-Hohenschön­hausen, nörgelte beim NDR: »Das Skrupellos­e dieser Geheimpoli­zei der DDR kommt nicht richtig rüber. Man hätte die Zuschauer zwischendu­rch auch mal zum Nachdenken bringen müssen. Und die Perspektiv­e der Opfer wird vernachläs­sigt.« Für Knabe führen also weiterhin alle Wege linker Politik ungebremst in die Hölle der Gleichmach­erei.

»Kundschaft­er des Friedens« ist ein guter Film mit dem Potenzial, diese angestaubt­e Logik zu durchbrech­en. Dass es letztlich misslingt, ist nicht dem 1974 geborenen West-Berliner Regisseur Robert Thalheim anzulasten, sondern jenen Racheengel­n, deren Verteufelu­ng eines Linken derzeit bei der Immobilien­lobby die Sektkorken knallen lässt.

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Foto: Stephanie Kulbach/Majestic

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