Die Zukunft hat schon begonnen
Alte und neue Stars: Frankreichs Handballer werden Weltmeister
Die goldene Generation hat es noch mal geschafft: Frankreich gewinnt gegen Norwegen den WM-Titel. Trainer Didier Dinart hat das Team mit Blick auf die kommenden Jahre aber schon erfolgreich umgebaut. Es kam beinahe exakt so, wie es alle erwartet hatten. Es war der Torwart der französischen Mannschaft, der dem Finale der Handball-Weltmeisterschaft seinen Stempel aufdrückte. So war es schließlich immer gewesen, wenn die beste Mannschaft der zurückliegenden zehn Jahre im Endspiel eines großen Turnieres stand. Diesmal blieb der Gegner aus Norwegen so lange chancenreich, bis der Schlussmann der »Equipe tricolore« seineMagie versprühte und sein Team zu einem 33:26-Sieg trieb. Nur einen Unterschied gab es im Vergleich zu den Finals der jüngeren Vergangenheit. Nicht Thierry Omeyer war der umjubelteHeld, der Triumphator hieß Vincent Gerard.
Es ist keine Überraschung, dass die favorisierten Franzosen zum vierten Mal in den vergangenen acht Jahren den WM-Pokal überreicht bekamen. Beim globalen Kräftemessen, mit der Unterstützung der eigenen Fans im Rücken, waren sie der haushohe Fa- vorit und wurden dieser Erwartungshaltung letztlich nur gerecht. Unerwartet war aber, dass die Last nicht nur auf den Schultern der Superstars der Franzosen lag, sondern bislang weniger bekannte Akteure ins Scheinwerferlicht der Handballwelt traten. Nikola Karabatic und Daniel Narcisse waren wie erwartet prägende Figuren, aber nicht allein an ihnen hing das Wohl der französischen Seriensieger.
Gerard ist kein Nachwuchstorwart mehr, schließlich feierte der Schlussmann aus Montpellier gerade seinen 30. Geburtstag. Im Vergleich mit dem 40-jährigen Omeyer gehört Gerard, der gegen Norwegen 41 Prozent aller Würfe entschärfte, aber noch die Zukunft. Den Status eines Talents hatten hingegen zu Beginn der zwei Turnierwochen der Halbrechte Nedim Remili (21) und Kreisläufer Ludovic Fabregas (20), die als Nachwuchshoffnungen in die WM gestartet waren, um sie als Stars zu beenden.
Didier Dinart verteilte nach Beginn der Feierlichkeiten in der Arena von Paris einige Handküsse ins Publikum. Darüber hinaus strahlte der Trainer die spezielle Art des Stolzes aus, der sich immer nur in den Momenten einstellt, in denen ein lange Zeit verfolgter Plan auch aufgeht. »Ich bin stolz auf die Mannschaft und darauf, was wir hier erschaffen haben«, sagte Dinart kurz darauf dem französischen TV-Sender, der seinen ersten großen Titel als Chef dieser Mannschaft bis in die hinterste Ecke des Landes transportiert hatte.
Als Spieler war Dinart viele Jahre selbst ein Teil der Goldenen Generation und galt dabei als bester Abwehrspieler seiner Zeit. Drei Mal wurde er Weltmeister, zwei Mal Olympiasieger und schnappte sich zwei Mal den EM-Titel, ehe er 2013 Co-Trainer der Nationalmannschaft wurde. Bis zum vergangenen Sommer blieb er der zweite Mann hinter dem langjährigen Chefcoach Claude Onesta, wenngleich die Einflüsse von Dinart schnell sichtbar wurden. Der gerade 40 Jahre alt gewordene Handballlehrer war darauf bedacht, das einseitige und auf den athletischen Vorteil basierende Spiel der Franzosen weiterzuentwickeln und variabler zu gestalten. Als Dinart nach den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro ganz offiziell zum Chef befördert wurde, baute er das Team nach seinen Vorstellungen um.
Die Neuerungen spiegelten sich nicht in der personellen Auswahl seines Kaders wieder, sondern viel mehr in der Selbstverständlichkeit, mit der er auf Formentwicklungen der Spieler reagierte. Rechtsaußen Luc Abalo, viele Jahre unumstrittene Stammkraft und spektakulärer Flugkünstler, stand bei den wichtigen Partien dieser WM kaum noch auf dem Feld. Omeyer, der Dominator vieler großer Partien, stand in Halbfinale und Endspiel nur 15 von maximal möglichen 120 Minuten auf dem Parkett.
Dinart hat das französische Team fit für die Zukunft gemacht, ohne dabei die Erfolgsgier in der Gegenwart zu vernachlässigen. »Didier Dinart kann den Handball in Frankreich lange prägen«, sagte Guillaume Gille. Der ehemalige Spielmacher ist seit vergangenen Sommer der Assistent von Dinart – und wie der Chef auch als Aktiver hoch dekoriert. Weil Gille und Dinart mit vielen der in die Jahre gekommenen Stars der Franzosen selbst noch Titel gewonnen hatten, konnten sie den schleichenden Wechsel ohne Reibungsverlust moderieren.
Der letzte große Moment dieser WM in Frankreich, die mit mehr als 540 000 Zuschauern in den Hallen die mit den zweitmeisten Besuchern in der Geschichte nach der WM 2007 in Deutschlandwar, war dann doch noch einmal Thierry Omeyer vorbehalten. Der 40-Jährige durfte als Kapitän den WM-Pokal entgegennehmen, um ihn einige Sekunden später dem Hallendach entgegenzustrecken. Beim nächsten Triumph der Franzosen dürfte auch diese Rolle ein anderer übernommen haben.