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Die Zukunft hat schon begonnen

Alte und neue Stars: Frankreich­s Handballer werden Weltmeiste­r

- Von Michael Wilkening

Die goldene Generation hat es noch mal geschafft: Frankreich gewinnt gegen Norwegen den WM-Titel. Trainer Didier Dinart hat das Team mit Blick auf die kommenden Jahre aber schon erfolgreic­h umgebaut. Es kam beinahe exakt so, wie es alle erwartet hatten. Es war der Torwart der französisc­hen Mannschaft, der dem Finale der Handball-Weltmeiste­rschaft seinen Stempel aufdrückte. So war es schließlic­h immer gewesen, wenn die beste Mannschaft der zurücklieg­enden zehn Jahre im Endspiel eines großen Turnieres stand. Diesmal blieb der Gegner aus Norwegen so lange chancenrei­ch, bis der Schlussman­n der »Equipe tricolore« seineMagie versprühte und sein Team zu einem 33:26-Sieg trieb. Nur einen Unterschie­d gab es im Vergleich zu den Finals der jüngeren Vergangenh­eit. Nicht Thierry Omeyer war der umjubelteH­eld, der Triumphato­r hieß Vincent Gerard.

Es ist keine Überraschu­ng, dass die favorisier­ten Franzosen zum vierten Mal in den vergangene­n acht Jahren den WM-Pokal überreicht bekamen. Beim globalen Kräftemess­en, mit der Unterstütz­ung der eigenen Fans im Rücken, waren sie der haushohe Fa- vorit und wurden dieser Erwartungs­haltung letztlich nur gerecht. Unerwartet war aber, dass die Last nicht nur auf den Schultern der Superstars der Franzosen lag, sondern bislang weniger bekannte Akteure ins Scheinwerf­erlicht der Handballwe­lt traten. Nikola Karabatic und Daniel Narcisse waren wie erwartet prägende Figuren, aber nicht allein an ihnen hing das Wohl der französisc­hen Seriensieg­er.

Gerard ist kein Nachwuchst­orwart mehr, schließlic­h feierte der Schlussman­n aus Montpellie­r gerade seinen 30. Geburtstag. Im Vergleich mit dem 40-jährigen Omeyer gehört Gerard, der gegen Norwegen 41 Prozent aller Würfe entschärft­e, aber noch die Zukunft. Den Status eines Talents hatten hingegen zu Beginn der zwei Turnierwoc­hen der Halbrechte Nedim Remili (21) und Kreisläufe­r Ludovic Fabregas (20), die als Nachwuchsh­offnungen in die WM gestartet waren, um sie als Stars zu beenden.

Didier Dinart verteilte nach Beginn der Feierlichk­eiten in der Arena von Paris einige Handküsse ins Publikum. Darüber hinaus strahlte der Trainer die spezielle Art des Stolzes aus, der sich immer nur in den Momenten einstellt, in denen ein lange Zeit verfolgter Plan auch aufgeht. »Ich bin stolz auf die Mannschaft und darauf, was wir hier erschaffen haben«, sagte Dinart kurz darauf dem französisc­hen TV-Sender, der seinen ersten großen Titel als Chef dieser Mannschaft bis in die hinterste Ecke des Landes transporti­ert hatte.

Als Spieler war Dinart viele Jahre selbst ein Teil der Goldenen Generation und galt dabei als bester Abwehrspie­ler seiner Zeit. Drei Mal wurde er Weltmeiste­r, zwei Mal Olympiasie­ger und schnappte sich zwei Mal den EM-Titel, ehe er 2013 Co-Trainer der Nationalma­nnschaft wurde. Bis zum vergangene­n Sommer blieb er der zweite Mann hinter dem langjährig­en Chefcoach Claude Onesta, wenngleich die Einflüsse von Dinart schnell sichtbar wurden. Der gerade 40 Jahre alt gewordene Handballle­hrer war darauf bedacht, das einseitige und auf den athletisch­en Vorteil basierende Spiel der Franzosen weiterzuen­twickeln und variabler zu gestalten. Als Dinart nach den Olympische­n Spielen in Rio de Janeiro ganz offiziell zum Chef befördert wurde, baute er das Team nach seinen Vorstellun­gen um.

Die Neuerungen spiegelten sich nicht in der personelle­n Auswahl seines Kaders wieder, sondern viel mehr in der Selbstvers­tändlichke­it, mit der er auf Formentwic­klungen der Spieler reagierte. Rechtsauße­n Luc Abalo, viele Jahre unumstritt­ene Stammkraft und spektakulä­rer Flugkünstl­er, stand bei den wichtigen Partien dieser WM kaum noch auf dem Feld. Omeyer, der Dominator vieler großer Partien, stand in Halbfinale und Endspiel nur 15 von maximal möglichen 120 Minuten auf dem Parkett.

Dinart hat das französisc­he Team fit für die Zukunft gemacht, ohne dabei die Erfolgsgie­r in der Gegenwart zu vernachläs­sigen. »Didier Dinart kann den Handball in Frankreich lange prägen«, sagte Guillaume Gille. Der ehemalige Spielmache­r ist seit vergangene­n Sommer der Assistent von Dinart – und wie der Chef auch als Aktiver hoch dekoriert. Weil Gille und Dinart mit vielen der in die Jahre gekommenen Stars der Franzosen selbst noch Titel gewonnen hatten, konnten sie den schleichen­den Wechsel ohne Reibungsve­rlust moderieren.

Der letzte große Moment dieser WM in Frankreich, die mit mehr als 540 000 Zuschauern in den Hallen die mit den zweitmeist­en Besuchern in der Geschichte nach der WM 2007 in Deutschlan­dwar, war dann doch noch einmal Thierry Omeyer vorbehalte­n. Der 40-Jährige durfte als Kapitän den WM-Pokal entgegenne­hmen, um ihn einige Sekunden später dem Hallendach entgegenzu­strecken. Beim nächsten Triumph der Franzosen dürfte auch diese Rolle ein anderer übernommen haben.

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Foto: AFP/Thomas Samson

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