Machtkampf bei Podemos
Podemos (Wir können es), der linke Newcomer unter Spaniens Parteien, hält am 11. und 12. Februar seinen Kongress in Madrid ab. Es stellen sich zwei Fragen: Wer wird Vorsitzender und können sie, die Delegierten, die Spaltung verhindern? Streit zwischen unt
Schlammschlachten und Machtkämpfe im Vorfeld des Parteitags haben die neue Partei geschwächt. Das Wort »Selbstmord« geht um. »WANDEL«: So heißt eigentlich das Motto auf dem Kongress von »Podemos« (Wir können es). Dort soll das Werkzeug für den Wandel in Spanien entstehen. So formuliert es die Partei vor »Vistalegre II«, ihrer zweiten »Nationalen Bürgerversammlung«. In der Stierkampfarena im Madrider Stadtteil Carabanchel soll wie bei der konstituierenden Versammlung im Oktober 2014 der neue Kurs bestimmt werden. Das Ziel sei, »unsere politische Orientierung und unser Organisationsmodell an die neue Situation anzupassen, um besser die Interessen der breiten Bevölkerung verteidigen zu können.« Gleichberechtigung und die »aktive Beteiligung der Bevölkerung in politischen Prozessen« soll gestärkt und »die Austeritätspolitik beendet« werden. Dafür müsse die rechte Volkspartei (PP) entmachtet und eine »alternative Regierung im Dienst unserer Bevölkerung geschaffen werden.«
Podemos geplante Ausrichtung klingt ähnlich wie 2014, als einem dynamischen Projekt, das bei Wah- len schon für Überraschungen gesorgt hatte, eine Struktur gegeben wurde. Die Wortwahl war zwar anders, denn es wurde vom Sturz des »Regimes« oder der »Kaste« gesprochen. Damals wurde von guten Umfrageergebnissen getragen, sogar geeint ein Projekt entworfen, das nach Umfragen sogar die Chance haben sollte, die Wahlen Ende 2015 zu gewinnen. Das misslang und eine anfänglich leise Kritik am Kurs des Parteivizes Íñigo Errejón wurde lauter.
2017 verhindert nun der Machtkampf, dass Errejón und Generalsekretär Pablos Iglesias erneut auf einer Liste antreten. Seit Wochen wird eine Schlammschlacht in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Der Parteimitbegründer Luis Alegre, der zum Umfeld des Generalsekretärs gehörte, erklärte zum Beispiel, es gäbe um Iglesias herum eine »Konspirationstruppe«, die bereit sei, das »alles zu zerstören, um ihre Position in der Hofgesellschaft nicht zu verlieren«. Darunter sei niemand mehr von denen, »die ihn von Beginn an begleitet haben.«
Appelle, nicht in der Öffentlichkeit die »schmutzige Wäsche« zu waschen, gehen unter. Weil sich in der Arena nun ein Zweikampf anbahnt, ist zum Beispiel die Nummer Drei der Partei abgesprungen. Die Mitbegrün- derin Carolina Bescansa und das Führungsmitglied Nacho Álvarez kandidieren nicht mehr, weil sie einen »Zusammenstoß von zwei Zügen« sehen. Ihre Versuche, eine gemeinsame Grundlage zu schaffen, seien gescheitert, erklärte auch der Universitätsprofessor Carlos Fernández Liria. Der Philosoph, der eine ideologische Referenz für Iglesias war, wirft jenem vor, den Kongress »als Szenario einer totalen Konfrontation« zu planen, um Errejón »zu vernichten«. In einem offenen Brief an Mitglieder aus allen Fraktionen spricht Liria von »Selbstmord«. Viele Leute seien längst »genervt, wütend und desillusioniert«. Das bestätigen auch Umfragen, in denen Iglesias in der Beliebtheit auf den letzten Platz der Parteiführer abgerutscht ist.
Errejón stellt Iglesias nicht in Frage. Er wirbt sogar dafür, ihn erneut zu wählen. Aber er fordert die Basis auf, seine inhaltlichen Vorstellungen zu stützen, um eine breite Ausrichtung der Partei zu garantieren, damit sie der Empörten-Bewegung gerecht wird, aus der entstanden ist. Man solle ein »Tandem« bestätigen, meint Errejón, doch Iglesias wolle ein »Plebiszit« gewinnen. Der spricht von »zwei Führungspersonen und zwei Projekten«, unter denen man wählen müsse. Er werde in die zweite Reihe zu- rücktreten, sollte sich der Errejón-Flügel durchsetzen. »Wenn Errejón gewinnt, ist er der Chef.« Es sei »absurd«, der Generalsekretär »eines Projektes zu sein, das man nicht verteidigt«, sagt er. In der Partei, an der Basis und unter den Wählern ist man zusehends entsetzt über eine Nabelschau, aus der Inhalte verschwunden sind. In der parteinahen Zeitung »Público« spricht Juan Carlos Escudier von »persönlichen« Problemen, »Misstrauen, Neid und Rivalitäten«. Es sei ein »erfundener Krieg« und »Selbstmord«, da die Projekte real kompatibel seien. Es gehe auch nicht um einen Zwist, ob verstärkt Politik auf der Straße oder in Parlamenten gemacht werden soll. Miguel Urbán, Anführer der Fraktion der »Antikapitalisten« fordert selbstkritisch: »Die Fernsehserie mit Alphamännchen, an der ich auch beteiligt war, muss aufhören.« Man riskiere, dass sich die Basis abwende. Damit gehe Podemos aber das stärkste Element verloren. Es gehe nicht um die Unterstützung von Personen, sondern um das gemeinsame Projekt. Dass bei diesem Vorspiel Podemos »stärker« aus dem Kongress hervorgeht, wie Iglesias am Mittwoch in »Público« behauptet, darf bezweifelt werden. Vielmehr kann nach dieser Zuspitzung sogar eine Spaltung nicht ausgeschlossen werden.
»Wenn Errejón gewinnt, ist er der Chef. Es ist absurd, der Generalsekretär eines Projektes zu sein, das man nicht verteidigt.« Pablo Iglesias, Generalsekretär Podemos