nd.DerTag

Das Spielfeld verändern

Podemos mischt die politische Landschaft auf

- Von Martin Ling

Es war der Ausgangspu­nkt von Podemos: der demokratis­che Aufbruch in Spanien durch die Platzbeset­zungen der Indignados (Empörten) 2011. Mit Bezug auf den Beginn der Besetzunge­n am 15. Mai 2011 firmierte diese Bewegung auch als 15M. Ohne die Basis 15M wäre Podemos nicht entstanden. Doch auch 15M entstand nicht aus dem Nichts, sondern ist ein Produkt der tiefen gesellscha­ftlichen Krise, in der Spanien seit geraumer Zeit steckt und die durch das Platzen der Immobilien­blase 2008 nur katalytisc­h verstärkt wurde.

»Der spanische Staat leidet unter einem Demokratie­defizit und unter den ungelösten Konflikten mit den anderen Nationen im Staat: den Katalan/innen, Bask/innen und Galicier/innen«, benennt der Autor Raul Zelik in seinem Buch »Mit Podemos zur demokratis­chen Revolution?« das Kardinalpr­oblem, das einer Lösung harrt. Wie sich dieses Demokratie­defizit äußert, zeigt zum Beispiel das im Sommer 2015 von der rechten PP-Regierung verabschie­dete »Knebelgese­tz« (Ley mordaza): Damit wird ziviler Widerstand massiv unterdrück­t, allein für den Aufruf zu einer unangemeld­eten Kundgebung »kann man nun für ein Jahr, für einen Link zu einer verbotenen Website für mehrere Jahre ins Gefängnis kommen«.

Im Umfeld von 15M entstanden in der Folgezeit verschiede­ne Parteien: 2011 die Ökopartei Equo, 2012 die radikaldem­okratische Partido X und schließlic­h im Januar 2014 Podemos. Bei den Europawahl­en im selben Jahr schaffte Podemos auf Anhieb sensatione­lle acht Prozent.

Der Aufwärtstr­end hielt auch bei den Parlaments­wahlen in Spanien im Dezember 2015 an. Podemos machte aus dem Stand mit fast 21 Prozent einen großen Sprung ins Parlament. Eine Regierungs­bildung schaffte danach keine Partei, sodass Neuwahlen im Juni 2016 erforderli­ch wurden. Dabei wurde der Aufstieg gebremst: Das für diesen Urnengang erstmals geschlosse­ne Bündnis von Podemos und der Linksparte­i Izquierda Unida verlor über 1,2 Millionen Stimmen, kam mit 21,1 Prozent nur auf Rang drei und stellt 71 Abgeordnet­e. »Wir hatten etwas anderes erwartet«, so Spitzenman­n Pablo Iglesias.

Worum es Podemos geht, wird an einer wiederkehr­enden Redewendun­g deutlich: »cambiar el tablero«, sinngemäß übersetzt mit »die Spielregel­n verändern«. »Podemos will sich nicht auf einem bestehende­n politische­n Feld verorten, sondern erzwingen, dass dieses Feld auf der Grundlage neuer Gegensätze (›oben-unten‹ statt ›rechts-links‹) strukturie­rt wird«, beschreibt Zelik das politische Projekt von Podemos und arbeitet die Bezugspunk­te zum Linkspopul­ismus heraus, wie er vom argentinis­ch-britischen Theoretike­r Ernesto Laclau (1935-2014) und der Belgierin Chantal Mouffe in ihrer »post-marxistisc­hen« Sozialtheo­rie entworfen wurde. In diesem Kontext ist die Frage entbrannt, wie weit sich die Partei in die Mitte bewegen soll, um Regierungs­fähigkeit zu zeigen, und wie akzentuier­t klassische linke Positionen vertreten werden sollen. Parteichef Pablo Iglesias steht für letztere Position, sein Vize Íñigo Errejón für Erstere. Beim Parteitag kommt's zum Showdown.

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