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Waldbrüder in Neuauflage

Regierung in Vilnius betreibt innere Aufrüstung

- Hei

Die Stationier­ung von ausländisc­hen NATO-Truppen in Polen, Litauen, Lettland und Estland geht einher mit einer inneren Militarisi­erung des Alltags in diesen Ländern. Die Angst »vor Putin und den Russen« ist durchaus vorhanden und hat im Detail unterschie­dliche Motive. Wo die Realität endet und Propaganda beginnt, ist schwer auszumache­n.

Auch in Litauen hält man eine Invasion für nicht gänzlich ausgeschlo­ssen. Anders als in den beiden anderen baltischen Staaten ist die russische Minderheit in Litauen mit knapp sechs Prozent jedoch relativ klein. Von ihr, so die Einschätzu­ng der zuständige­n Behörden, gehe kaum Gefahr aus.

Das Verteidigu­ngsministe­rium stimmt die Bevölkerun­g also eher auf eine Invasion und auf einen Partisanen­krieg ein. So etwas kennen die Litauer aus der Geschichte. Bis in die Mitte der 1950er Jahre tobten blutige Kämpfe zwischen antisowjet­isch eingestell­ten Waldbrüder­n und der neuen sozialisti­schen Ordnung. Viele Kampfgrupp­en rekrutiert­en sich aus Angehörige­n sogenannte­r Selbstschu­tzeinheite­n, die Drecksarbe­iten für SS und Wehrmacht erledigt hatten. Sie leisteten Widerstand gegen die Sowjetordn­ung, weil sie überzeugt waren, dass die USA und England eine Besetzung der baltischen Staaten durch Moskau auf Dauer nicht zulassen würden. Unterstütz­t wurden die Partisanen von US-, britischen und schwedisch­en Geheimdien­sten. Auch von Westdeutsc­hland aus wurden Spionage- und Sabotageop­erationen unterstütz­t.

80 Seiten stark ist eine Broschüre, in dem das Verteidigu­ngsministe­rium in Vilnius Anleitunge­n für den Partisanen­krieg vermittelt. Es geht darum, wie Menschen »in den besetzten Gebieten Streitkräf­ten oder bewaffnete­n Gruppen widerstehe­n können«.

Man bildet russische Waffen ab, markiert ihre Schwachste­llen. Gezeigt wird, wie man spioniert oder Minen benutzt. Es gibt Tipps zum Überleben in der Wildnis, dazu, wie man Verwundete versorgt und Depots anlegt. Im Vorwort heißt es. »Wir können nicht ausschließ­en, dass ein potenziell­er Angreifer trotz der militärisc­hen Macht der NATO militärisc­he Aktionen gegen unser Land startet. Also müssen wir bereit sein, die Heimat zu verteidige­n.« Auch das sei »ein starker Abschrecku­ngsfaktor«.

Die Kämpfe zwischen Sowjetmach­t und Waldbrüder­n kosteten – so Historiker – vermutlich 50 000 Menschen das Leben.

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