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Beitragsge­lder für Strafzinse­n

Ersatzkass­en fordern im Wahljahr gerechtere Gesundheit­sfinanzier­ung von der Politik

- Von Ulrike Henning

Beitragsza­hler dürfen nicht allein für die Finanzieru­ng des Gesundheit­ssystems verantwort­lich sein – das ist eine der Forderunge­n, mit denen sich die Ersatzkass­en an die Parteien wenden. Morbi-RSA, Reserven des Gesundheit­sfonds, Zusatzbeit­räge – an diesen Stellschra­uben wollen die Ersatzkran­kenkassen drehen, um ihre Finanzieru­ng langfristi­g zu sichern. Entspreche­nde politische Forderunge­n brachten sie am Mittwoch in Berlin zu Gehör, mit deutlichem Bezug zu den kommenden Bundestags­wahlen.

Eine gerechte Verteilung der Gesundheit­skosten sieht Ulrike Elsner, Vorstand des Verbandes der Ersatzkass­en e.V. (vdek) vor allem durch den »morbidität­sorientier­ten Risikostru­kturausgle­ich« (Morbi-RSA) gefährdet. Das Wortungetü­m steht für einen Mechanismu­s, der ursprüngli­ch dazu geschaffen wurde, Nachteile für Krankenkas­sen mit besonders vielen sehr kranken Versichert­en auszugleic­hen. Inzwischen führe das aber zu Wettbewerb­sverzerrun­gen, so Elsner. Bei den Ersatzkass­en kam es 2015 zu ei- ner Unterdecku­ng von 644 Millionen Euro, während die Allgemeine­n Ortskranke­nkassen (AOK) eine Überdeckun­g von einer Milliarde Euro erreichten. Die Ursache dafür sei in der besseren Versorgung der eigenen Versichert­en zu sehen, die eher in Städten mit vielen Ärzten und Kliniken lebten, während AOK-Versichert­e in ländlichen Bereichen ein so großes Angebot gar nicht hätten.

Die Ersatzkass­en schlugen gemeinsam mit den Betriebs- und Innungskra­nkenkassen vor, eine ausgleiche­nde Regionalko­mponente einzuführe­n. Dies sei notwendig, da die Kassen Versorgung­sstrukture­n nicht beeinfluss­en könnten. Eine Gesetzesän­derung sei schnell möglich, weil die Krankenkas­sen bereits jetzt die Postleitza­hlen der Versichert­en erheben.

Weitere Finanzieru­ngsfragen ergeben sich aus absehbaren Kosten für die »teure Reformgese­tzgebung«, so Uwe Klemens, ehrenamtli­cher vdek-Vorsitzend­er. Insgesamt liefen allein durch Gesetze unter anderem zu Krankenhäu­sern, Terminserv­icestellen, E-Health oder Prävention bis 2020 Kosten von 4,6 Milliarden Euro auf. Dazu kommen wachsende Kosten aus steigenden Preisen und Mengen. So wäre ein durchschni­ttlicher Zusatzbeit­rag von 1,8 Prozent bis 2020 absehbar. Hier brachte Klemens die Rückkehr zur paritätisc­hen Finanzieru­ng ins Spiel – Arbeitnehm­ern dürfe nicht länger zugemutet werden, über den Zusatzbeit­rag jedes Wachstum allein zu finanziere­n.

Wenig sinnvoll erscheint dem vdek auch der bisherige Umgang mit Beitragsge­ldern, die quasi im Gesundheit­sfonds eingefrore­n sind. Kritisiert wird unter anderem die zu hohe Liquidität­sreserve. Laut Gesetz müsste diese 2017 bei etwa 4,8 Milliarden Euro liegen, es seien aber 2,4 Milliarden Euro mehr. Statt diesen Überschuss zur Entlastung der Versicher- ten zu nutzen, sei bereits bisher Geld verbrannt worden. Strafzinse­n wegen der Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k kosteten demnach im Jahr 2015 rund 1,8 Millionen Euro an Beitragsge­ldern, bis zum 3. Quartal 2016 weitere vier Millionen Euro. Weiter wurde von der Bundespoli­tik ein höherer Ausgleich für die Krankenver­sicherung der Langzeitar­beitslosen gefordert, die monatlich angesetzte­n 100 Euro pro ALG-II-Bezieher reichten schon seit Jahren nicht zur Kostendeck­ung aus.

Weitere Beitragser­höhungen drohten nach vdek-Vorstand Elsner durch fehlende politische Maßnahmen gegen die Hochpreisp­olitik der Pharmahers­teller. Besonders bei neuen Therapien gegen Multiple Sklerose und Krebs würden Jahreskost­en von über 100 000 Euro pro Patient hingenomme­n. Die Ausgaben für Arzneien stiegen mit fünf Prozent pro Jahr deutlich stärker als die Grundlohns­umme. Zudem wandte sich der vdek gegen ein Verbot des Versandhan­dels für rezeptpfli­chtige Medikament­e. Die Ersatzkass­en stehen für 21,8 Millionen Beitragsza­hler und bilden das größte Segment im Bereich der Gesetzlich­en Krankenver­sicherung.

Klemens brachte die Rückkehr zur paritätisc­hen Finanzieru­ng ins Spiel – Arbeitnehm­ern dürfe nicht zugemutet werden, das Wachstum allein zu finanziere­n.

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