Showdown bei der Pipeline
Die umkämpfte Ölpipeline Dakota Access darf fertiggebaut werden. Aktivisten und Indianerstämme wollen den Protest nun nach Washington tragen. Ein Schneesturm zog gerade über das Protestcamp im Reservat der Standing-Rock-Sioux im US-Bundesstaat North Dakota, als sich am Mittwoch die schlechte Nachricht verbreitete: Das Ingenieurskorps der US-Armee hat angekündigt, nun doch den Weiterbau der umstrittenen Ölpipeline Dakota Access auf der ursprünglich geplanten Route zu genehmigen. Die Erlaubnis werde innerhalb der nächsten Tage erteilt, heißt es in einem Brief der Organisation, die bei Infrastrukturprojekten Bauingenieursdienstleistungen im staatlichen Auftrag erfüllt, an den Vorsitzenden des Kongressausschusses für natürliche Ressourcen, Raúl Grijalva.
Die Entscheidung kommt einigermaßen überraschend: Erst Anfang Dezember hatte das Ingenieurskorps der Armee die Genehmigung für den Weiterbau durch das Reservat der Standing-RockSioux verweigert und angekündigt, alternative Routen zu prüfen sowie eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit »voller« Öffentlichkeitsbeteiligung und genauer Analyse zu starten, was Jahre gedauert hätte. Davon ist nun keine Rede mehr.
Der Sinneswandel dürfte mit dem Machtwechsel im Weißen Haus zu tun haben: Im vergangenen Jahr war noch der pipelinekritische Präsident Barack Obama im Amt. Sein Nachfolger Donald Trump hatte Ende Januar eine von Obama angeordnete Umweltstudie gecancelt und die Überprüfung neu angeordnet.
Die 1900 Kilometer lange Leitung, die Öl von Frackingbohrstellen im Norden North Dakotas an der kanadischen Grenze durch mehrere Bundesstaaten bis nach Illinois transportieren soll, ist fertig bis auf ein Teilstück, das den Streitkräften gehört. Dieses führt unter dem Oahe-Stausee durch. Die Gegend am Missouri-Fluss ist das Wasserreservoir des Stammes der Standing Rock. Die Ureinwohner befürchten, dass das Wasser durch Pipelinelecks mit Öl verseucht werden könnte, und sehen auch heilige Stätten bedroht. Seit Monaten zelteten hier zunächst einige Dutzend Stammesangehörige, nach und nach kamen mehrere tausend Angehörige anderer Indianerstämme und Umweltschützer hinzu. Der Protest sorgte landesweit und auch im Ausland für großes Aufsehen. Bei Demonstrationen und Blockaden der Bauarbeiten ging die Polizei in den vergangenen Monaten hart vor, es gab mehrere Verletzte und hunderte Festnahmen.
Auch nach der Neugenehmigung durch Präsident Trump, dessen Unternehmen selbst Anteile an der Pipelinefirma Energy Transfer Partners hält und der von diesem im Wahlkampf mit Spenden unterstützt wurde, sollen die Proteste weitergehen. Bereits vergangene Woche wurden bei ersten Auseinandersetzungen mit der Polizei 76 Aktivisten festgenommen, die versuchten, ein weiteres Camp auf der künftigen Baustelle zu errichten. Die Standing Rock setzen jetzt aber auf Deeskalation und wollen den Protest lieber zu den Machtzentralen nach Washington tragen. »Unter dieser Administration sind alle unsere Rechte in Gefahr«, begründete Stammessprecher Dave Archambault II den Strategiewechsel. Trumps Entscheidung setze ein »historisches Muster gebrochener Versprechen an Indianerstämme und die Verletzung von Vertragsrechten« fort.
Die Großdemonstration in der Hauptstadt ist für den 10. März geplant. Dann wird es zeitlich schon eng: Laut dem Pipelinebetreiber werde es bis zur Fertigstellung gerade mal 60 Tage dauern.