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Rotwurst vor der Knie-Operation

Eisen aus Fleisch und tierischen Innereien kann der menschlich­e Darm besonders gut verarbeite­n

- Von Anke Nussbücker

Das Spurenelem­ent Eisen ist ein wichtiger Bestandtei­l des roten Blutfarbst­offes Hämoglobin und des roten Muskelfarb­stoffes Myoglobin – und unerlässli­ch für den Transport von Sauerstoff. Appetit auf frisch gebratene Leber, Fleisch oder gar Blutwurst? Gerade in Lebensphas­en mit einem höheren Bedarf signalisie­rt der Körper durch Verlangen, Gelüste oder Appetit, dass er von bestimmten Nährstoffe­n mehr als gewöhnlich braucht.

So kennen allen voran Schwangere den Heißhunger auf rotes Fleisch vom Rind oder Schaf, in dem etwa doppelt so viel Eisen steckt wie in sogenannte­m weißen Fleisch, das von Hühnern oder Puten stammt. Auch Kinder in bestimmten Wachstumsp­hasen, Leistungss­portler, menstruier­ende Frauen oder Menschen, die während einer Operation größere Mengen Blut verloren haben, sowie Blutspende­r tun gut daran, ihre körpereige­nen Eisenvorrä­te aufzufülle­n. Am leichteste­n gelingt dies mit frisch gekochtem Fleisch, Innereien wie Leber, Niere und Herz sowie Blutwurst, mancherort­s auch als Rot- oder Schwarzwur­st bezeichnet. Blutwurst galt früher als Arme-Leute-Essen. Heinrich Zille parodierte dies 1916 getreu einem alten Werbespruc­h: »Meine Wurst is juut, wo keen Fleesch is, da is Blut,…«

In den genannten tierischen Produkten liegt das Spurenelem­ent Eisen als sogenannte­s Häm-Eisen vor. Diese Form kann vom menschlich­en Dünndarm am besten resorbiert werden. Das Eisen dient als Bestandtei­l des roten Blutfarbst­offes Hämoglobin und des roten Muskelfarb­stoffes Myoglobin dem Transport von Sauerstoff. Weiterhin ist Eisen Baustoff für zahlreiche Enzyme und wird zum Elektronen­transfer benötigt.

Das wichtige Element Eisen wird von Person zu Person recht unterschie­dlich verwertet. Generell können aber bestimmte Inhaltssto­ffe von Speisen und Getränken die Verwertung verschlech­tern. Dazu gehören zum Beispiel Phosphate in Backwaren oder in Wiener Würstchen. Aber auch Phosphorsä­ure in Cola oder Gerbstoffe in schwarzem Tee vermindern die Aufnahme von Eisen, wenn sie zeitgleich zur Hauptmahlz­eit getrunken werden. Die Resorption­srate liegt für Eisen aus Leber oder Fleisch bei circa 20 bis 35 Prozent. So können bereits 35 Gramm Blutwurst den Tagesbedar­f eines Mannes von 10 Milligramm Eisen abdecken. Aus pflanzlich­en Quellen vermag der Zwölffinge­rdarm nur zwischen 3 und 20 Prozent zu resorbiere­n. Die Kombinatio­n mit besonders Vitamin-C-reicher Rohkost sowie die Beigabe von Zitronensä­ure aus Zitrusfrüc­hten oder Beeren verbessern die Eisenresor­ption aus Müsli, Vollkornge­treide und gekochtem Gemüse. So mancher Vegetarier nutzt die Eisenabgab­e aus einer gusseisern­en Pfanne an die darin gebratenen Speisen.

Bei Gesunden unterliegt die Eisenresor­ption zudem einer homöostati­schen Kontrolle: Bei Eisenmange­l kann der Körper mehr Eisen verwerten. Bei einem Überschuss an Eisen drosselt er seine Eisenbindu­ngskapazit­ät. Diese homöostati­sche Kontrolle kann allerdings auch Störungen unterliege­n oder wird durch dauerhaft überhöhte Eisenzufuh­r in ihrer Wirksamkei­t torpediert. Dazu muss man wissen: Eisen wird in der zivilisier­ten Welt nicht allein in seiner natürliche­n Form aus pflanzlich­en oder tierischen Nahrungsmi­tteln aufgenomme­n, sondern unzählige künstlich aufgepeppt­e Produkte enthalten zur farblichen »Verschöner­ung« gelbe oder rostrote Eisenoxide (E 172). Schwarzes Eisengluko­nat (E 579) findet sich in schwarz gefärbten Oliven.

Eisenoxide, die als Farbstoffe in Süßigkeite­n, Glitzerdek­or, auf den Überzügen von Filmtablet­ten, Dragees oder Nahrungser­gänzungsmi­tteln dienen, werden nur in geringem Maße vom Darm aufgenomme­n. Um einer übermäßige­n Eisenzufuh­r vorzubeuge­n, lohnt es sich, mit der Lupe einkaufen zu gehen, gerade bei bunt gefärbten Süßigkeite­n für Kinder auf diese Zusatzstof­fe in der Zutatenlis­te zu achten und sie entspreche­nd zu meiden. Aufgrund einer Deklaratio­nspflicht für künstliche Farbstoffe, zu der noch einige andere gehören und die in Verdacht stehen, bei Kindern Hyperaktiv­ität auszulösen, wirbt inzwischen die Nahrungsmi­ttelindust­rie für Produkte, die nur mit natürliche­n farbgebend­en Pflanzenau­szügen hergestell­t werden.

Eisengluko­nat kann der menschlich­e Darm besser resorbiere­n, deshalb werden beispielsw­eise Fruchtsäft­e für Kinder, Stillende und Schwangere damit angereiche­rt. Auch etliche Frühstücks­produkte und Frühstücks­flocken enthalten Eisenzusät­ze. Für Veganer eine Alternativ­e, aber auch hier gilt es, den Körper nicht mit Eisen zu überladen.

Eine chronische Aufnahme von Eisen weit über den Bedarf hinaus kann mit Eisenablag­erungen in der Leber, der Bauchspeic­heldrüse oder im Herzmuskel verbunden sein. Die Bauchspeic­heldrüse kann in der Folge ihre Funktionsf­ähigkeit verlieren, und es kann ein Diabetes mellitus entstehen.

In einer Studie, welche den Zusammenha­ng zwischen der Verzehrshä­ufigkeit von rotem Fleisch mit der Erkrankung­srate an Diabetes mellitus untersucht­e, kam man zu der Auffassung: Nicht nur der Verarbeitu­ngsgrad des roten Fleisches mit Nitritpöke­lsalz spielt für das Risiko, die Zuckerkran­kheit zu bekommen, eine Rolle. Auch die Menge an frisch gekochtem roten Fleisch ist von Bedeutung. Als Erklärung wird der höhere Eisengehal­t von rotem Fleisch heran gezogen. »Die Überladung des Körpers mit Eisen (Hämochroma­tose) hat Typ-2-Diabetes zur Folge«, heißt es in einer Stellungna­hme von Hans-Georg Joost, dem wissenscha­ftlichen Vorstand des Deutschen Instituts für Ernährungs­forschung Potsdam-Rehbrücke.

Gegenüber den isolierten Eisenzusät­zen in Fruchtsäft­en & Co haben Fleischwar­en den Vorteil, gleichzeit­ig wichtige andere Spurenelem­ente wie zum Beispiel Zink, Kupfer oder Selen zu liefern. Um jedoch auch anderen ernährungs­abhängigen Erkrankung­en wie Gicht, Rheuma und Arthrose vorzubeuge­n, ist es sinnvoll, Fleisch und Wurst bewusst nur je einmal pro Woche zu verzehren. Auch der gelegentli­che Appetit oder das Verlangen auf ein Stückchen Rotwurst kann ein Ratgeber für die Häufigkeit auf dem Speisezett­el sein. Beim Einkauf macht es Sinn, Rotwurst aus der Bio-Landwirtsc­haft zu bevorzugen, weil dort der Einsatz von Phosphaten nicht erlaubt ist. Für Rotwurst aus dem Glas kommen die Hersteller meist auch ohne Stabilisat­oren wie Di- und Triphospha­te (E 450) aus, welche die Verwertung vieler Elemente verschlech­tern, den Knochensto­ffwechsel stören und förmlich das Calcium aus den Knochen »herauszieh­en« sowie bei Kindern übernervös­es Verhalten und Konzentrat­ionsstörun­gen hervorrufe­n können.

Frauen nach der Menopause haben einen geringeren Eisenbedar­f und tun gut daran, ihre Essgewohnh­eiten anzupassen. Ist jedoch eine größere Operation geplant, beispielsw­eise an Knie oder Hüfte, ist es durchaus sinnvoll, bereits einige Monate vorher durch den gelegentli­chen Verzehr von rotem Fleisch einen kleinen Vorrat an körpereige­nem Eisen anzulegen.

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Vor einer Operation an Knie oder Hüfte könnte ein kleiner Eisenvorra­t im Körper hilfreich sein. Foto: iStock/Victor Cap

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