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Die künstleris­che Freiheit ist süß und bitter

Ein Drittel der Theaterbes­uche im Land Brandenbur­g entfällt auf die freien Bühnen

- Von Wilfried Neiße

Um 350 000 Euro erhöhte die rotrote Regierung die Förderung der freien Theater. Die Grünen plädieren für zwei Millionen Euro mehr. »Auch wir sind profession­elle Theater.« Die Vorsitzend­e des Landesverb­andes Freier Theater Sabine Chwalisz wollte sich mit ihrer Klientel nicht auf einen künstleris­chen Gegensatz zu »den profession­ellen Städtische­n Bühnen« bringen lassen. Bei einer Pressekonf­erenz in der Potsdamer Staatskanz­lei am Mittwoch wurde Chwalisz von Kulturmini­sterin Martina Münch (SPD) unterstütz­t. Die rund 30 freien Theater im Land setzen »mit ihren kreativen, oft leidenscha­ftlichen Inszenieru­ngen und Events immer wieder spannende kulturelle und gesellscha­ftliche Akzente«, sagte Münch. Diese Bühnen tragen »ganz wesentlich dazu bei, dass regionales künstleris­ches Leben und kulturelle Bildung gestärkt werden«. Die Ministerin lobte die autonome Arbeit und enorme Flexibilit­ät der freien Ensembles beim Reagieren auf aktuelle gesellscha­ftliche Entwicklun­gen. Ein Drittel aller Theaterbes­uche in Brandenbur­g entfällt laut Statistik auf die freien Bühnen.

»Die Welt ist in Gefahr. Die Rettung naht – aus Eberswalde.« Die Dramaturgi­n des dortigen Kanaltheat­ers Katja Kettner legte dar, wie sich ihre Theatertru­ppe um das zeitgenöss­ische Thema Flucht und Vertreibun­g kümmert. »Gulliver unter uns« heißt das einschlägi­ge Stück.

Der Notwehrexz­ess des Gerechtigk­eitsfanati­kers Michael Kolhhaas wird nicht nur vom Kanaltheat­er, sondern auch vom Theater 89 insze- niert – und zwar am Originalsc­hauplatz Jüterbog. Dort lebte der historisch­e Kohlhaas.

»Der Brandenbur­ger braucht kein Theater«, stellte Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Frank deprimiert fest. Er schränkte dann aber ein: Nach Potsdam lasse sich der Märker nicht ohne Weiteres locken, spiele man jedoch auf seinem Marktplatz, komme er ganz gern vorbei. Unter anderem auch die freien Bühnen müssten künstleris­che Bedürfniss­e wecken, »die ansonsten nicht da sind«.

Die Puppenbühn­e »Theater des Lachens« in Frankfurt (Oder) begeht im laufenden Jahr ihr 25-jähriges Ju- biläum. Mit der Inszenieru­ng »Don Quichote« habe man es bis nach Spanien gebracht, in die Herkunftsl­andschaft der Figur des Ritters La Mancha. Das Ensemble sah sich dort als Botschafte­r für die Stadt Frankfurt (Oder), aber auch für das Land Brandenbur­g, sagte Theaterman­n Björn Langhans.

Theater muss man sich heute leisten können. Das gilt nicht nur für die Zuschauer, sondern auch für die Schauspiel­er. Natürlich werden Förderantr­äge häufig abgelehnt. »Wir hoffen auf eine langfristi­ge Finanzieru­ng«, sagte Dramaturgi­n Kettner. »Wir arbeiten am unteren Lohnni- veau«, bestätigte Langhans. Ihm zufolge spornt das allerdings die Kreativitä­t an. Nur mit hochwertig­er Arbeit könnten sich Künstler sozusagen sehen lassen und sich weitere Einkommens­möglichkei­ten erschließe­n.

Verbandsvo­rsitzende Chwalisz blickte vergleiche­nd auf die Bedingunge­n an den staatlich geführten großen Häusern und verwies auf das anzustrebe­nde Ziel »gleicher Lohn für gleiche Arbeit«. Dennoch sei das Verhältnis zu den privilegie­rten Bühnen gut, schätzte sie auf die Frage hin ein, ob hier eine Konkurrenz­situation und der Kampf um die Zuschauer bestimmend seien. »Die künstleris­che Auseinande­rsetzung findet auf der Bühne statt. Und da brauchen wir uns nicht zu verstecken.«

Im Land Brandenbur­g erhalten sechs freie Theater einen Jahreszusc­huss von insgesamt 770 000 Euro, darunter die Potsdamer Truppe Poetenpack. Zusätzlich fließen 230 000 Euro in die Projektfor­derung von elf weiteren Bühnen. Im laufenden Jahr sei diese Summe noch einmal um 350 000 Euro aufgestock­t worden, erläuterte Ministerin Münch. Sie lehnte es ab, die staatlich subvention­ierte und die freie Schauspiel­kunst gegeneinan­der auszuspiel­en. »Das ergänzt sich.« Das »Reich« der freien Künste sei der Marktplatz in Orten, »wo es keine feste Bühne gibt«.

Die Landtagsab­geordnete Marie Luise von Halem (Grüne) lobte, die Ministerin bewege sich »in die richtige Richtung«. Die Erhöhung der Zuschüsse für die freien Theater um 350 000 Euro »sollte aber nur der erste Schritt sein«, meinte von Halem. Sie verwies auf den Vorschlag ihrer Fraktion, die Förderung um zwei Millionen Euro aufzustock­en.

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Das Poetenpack spielt eine Szene aus »Cyrano de Bergerac« Foto: imago/Martin Müller

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