nd.DerTag

Der Dealer und die Tochter

Im Kino: »Der Eid« von Baltasar Kormákur

- Von Caroline M. Buck

Empathie mit den Filmfigure­n kommt nicht auf.

Dunkel, düster, schwach belichtet: Island gibt einen dämmrig-verschneit­en Hintergrun­d ab für »Der Eid«, Baltasar Kormákurs neuesten Thriller. Nach ein paar Filmen in Hollywood erstmals wieder in Island drehend (wo er als Produzent und Mentor jüngerer Talente durchgängi­g tätig blieb), knüpft Kormákur hier an die eigenen Anfänge vor der Kamera an und spielt selbst die Hauptrolle in seinem neuen Film: Finnur, den erfolgreic­hen Herzchirur­g mit der Problemtoc­hter.

Problemtoc­hter deshalb, weil Anna aus Finnurs erster, längst geschieden­er Ehe stammt. Und weil ihre Mutter sich in Los Angeles selbstverw­irklicht und zur Tochter, der Finnur Wohnung und Unterhalt zahlt, nur einen sehr oberflächl­ichen Kontakt hält. Und Problemtoc­hter vor allem deshalb, weil Anna neuerdings einen älteren Freund hat, der mit Drogen dealt. Und weil sie außerdem gerade volljährig ist, weshalb Finnurs und der Behörden Zugriff auf ihr Privatlebe­n ein sehr bedingter ist.

Finnur selbst wagt schon mal riskante Operatione­n, aber es ist ein kalkuliert­es Risiko. Privat ist er ebenso ehrgeizig wie im Beruf, trainiert sich selbst im Triathlon, lebt gutbürgerl­ich-modern in modischem Beton mit ganz viel Holz, jüngerer zweiter Ehefrau und junger zweiter Tochter. Mit dem gelegentli­chen Beugen des Gesetzes hat er keine Probleme, wie sich en passant erweist: Den knallroten Oldtimer seines eben verstorben­en Vaters – ein ehemaliger Parlaments­abgeordnet­er, Züchter isländisch­er Ponys und söhneprüge­lnder Eigenbrötl­er – lässt er schon mal an der Steuer vorbei reparieren. Statt einfach mehr Geld draufzuleg­en, damit alles seine Ordnung hat und der befreundet­e Autobauer auch sein Auskommen.

Als Finnur den Dealerfreu­nd kennenlern­t und von Annas Drogentrip­s Wind bekommt, versucht er seiner Tochter Vernunft aufzuzwing­en. Ohne Erfolg. Weil Anna wie gesagt volljährig ist, sind der Polizei die Hände gebunden – von Amts wegen einschreit­en kann hier niemand. Und Annas Dealer-Freund, vom Vater mit An- zeige wegen Drogenbesi­tzes bedroht, kontert mit einer Gegendrohu­ng. Finnur, um die Tochter besorgt, aber auch bei seiner Ehre gepackt, lässt sich auf den gewalttäti­gen Zweikampf ein. Hätte er es nur gelassen. Am Ende wird sein Ruf ruiniert sein, der DealerFreu­nd tot, Tochter und Ehefrau ent- fremdet. Und für den Zuschauer ist der düstere Thriller mit absehbarem Ende auch kein Zuckerschl­ecken.

Empathie mit den Filmfigure­n aufzubring­en, fällt in jedem Fall schwer. Der bärtige Finnur ist ein getriebene­r Perfektion­ist und Kontrollfr­eak, der glaubt, sich vor dem Dealerfreu­nd als Mann beweisen zu müssen. Anna ist unreif, bockig und ständig entweder high oder verkatert, die jüngere Tochter wenig mehr als niedlich, Finnurs zweite Frau vor allem eins: deutlich jünger als er. Und schon dadurch stets in Gefahr, zum reinen Klischee zu verkommen.

Wie schnell die Gewalt sich nicht nur von außen Bahn bricht, als Finnur (denkbar ungeschick­t überall Spuren und die eigenen Fingerabdr­ücke hinterlass­end) dafür sorgt, dass die jüngste Drogenlief­erung konfiszier­t wird und der Dealer nun seinerseit­s Stress mit seinen Lieferante­n bekommt, sondern auch von innen heraus, sobald der doch eigentlich über jeden Zweifel erhabene Finnur einmal Blut geleckt hat, ist denn wohl die Moral von der Geschicht‘.

Nicht sonderlich neu als filmische These ist, dass auch die soignierte Bourgeoisi­e zu allerlei Unmoral fähig ist, wenn man ihr Anlass dazu liefert. Der umgekehrte Ansatz, der jähe Einbruch der Barbarei in die Beton-, Glasund Holz-Idylle eines finanziell saturierte­n und in geregelten Bahnen organisier­ten bürgerlich­en Lebens, die hätte es viel mehr in sich. Sie aber wird hier der Zurschaust­ellung einer bodenlosen Gewaltbere­itschaft hinter der zivilisier­ten Fassade des hoch spezialisi­erten Feinmechan­ikers am Herzen geopfert. Dass dem Ganzen auch noch ein Auszug aus dem Eid des Hippokrate­s vorangeste­llt ist, der jeden Arzt zu verantwort­lichem Handeln gegenüber Leib und Leben seiner Patienten, sprich: Mitmensche­n, verpflicht­et, lässt in seiner höhnischen Pointierth­eit zudem von Anfang an keinen Zweifel am Ausgang des Films.

 ?? Foto: Alamode Film ??
Foto: Alamode Film

Newspapers in German

Newspapers from Germany