Klein in den Umfragen, groß in den Medien
Kleinstparteien wie DENK oder Artikel 1 könnten für Überraschungen sorgen, indem sie neue Wählerschicht ansprechen
Die Migrantenpartei DENK holt laut Umfragen null bis zwei Sitze, schafft es aber immer wieder ins mediale Rampenlicht. Die Gründer stehen angeblich der türkischen Regierungspartei AKP nahe.
Vier Wochen vor den Wahlen sorgte die ehemalige Splitterpartei DENK letzte Woche erneut für einen Skandal: Die Migrantenpartei setzte im Wahlkampf Internettrolle mit Fakeaccounts ein, um ihre politischen Gegner online zu attackieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen, wie die Zeitung »NRC Handelsblad« enthüllte. Die Partei wollte nicht in den Mainstreammedien reagieren, schlug aber auf ihrem YouTube-Kanal zurück. Den klassischen Medien, so die Partei, sei nicht zu vertrauen. Ähnlich wie Geert Wilders PVV kommuniziert auch DENK vor allem via Social Media mit ihren potenziellen Wählern. Und vergleichbar mit der PVV setzt auch DENK auf Identitätspolitik – nur eben am anderen Ende des politischen Spektrums.
Die Partei gibt sich als Multikultipartei, will ein »Ministerium für gegenseitige Akzeptanz« und eine inklusive Gesellschaftsordnung. Schu- len sollen zur multikulturellen Erziehung verpflichtet werden und eine »Rassismuspolizei« mit 1000 Beamten soll Diskriminierung bekämpfen.
Die Partei wurde anfangs 2015 durch die beiden abtrünnigen Sozialdemokraten Tunahan Kuzu und Selcuk Öztürk gegründet. Die Abgeordneten zerstritten sich mit ihrer Partei, weil sie unzufrieden waren mit der Integrationspolitik der Arbeiterpartei PvdA. Sie gründeten die unabhängige Parlamentsfraktion Gruppe Kuzu/Öztük, aus der DENK hervorging. Seither sorgt die Partei immer wieder für Furore. So feierte sie im Juli auf ihrer Facebook-Seite die Tatsache, dass der türkische Präsident Erdogan den Putschversuch niederschlagen konnte. Über die Säuberungen, die darauf folgten, schwiegen sie jedoch. Die Abgeordneten seien in den Ferien, meinte eine Pressesprecherin.
Sie erkennen den Völkermord an den Armeniern nicht an, stellen andere Abgeordnete mit türkischem oder marokkanischem Hintergrund an den Pranger, indem sie ihnen vorwerfen, nur alibimäßig für die jeweiligen Parteien in der Kammer zu sitzen, sich aber nicht wirklich für die Interessen ethnischer Minderheiten einzusetzen. Auf ihrer Facebook-Seite stehen Videos, die zeigen, wie Abgeordnete türkischer Herkunft in der Zweiten Kammer über Fragen wie den Genozid an den Armeniern oder die Frage, ob Moscheen unter Polizeischutz gestellt werden sollten, abstimmen.
Wie gespannt die Stimmung bei Themen wie Rassismus und Identität ist, zeigte sich im Mai, als die in Surinam geborene Fernsehmoderatorin Sylvana Simons sich der Partei anschloss. Sie wurde daraufhin Opfer eines Online-Shitstorms und wütender rassistischer Ausbrüche. Im Dezember machte sie dann ihren Austritt aus der Partei bekannt. Sie fühle sich nicht genügend geschützt, begründete sie diese Entscheidung. Auch wollte sie sich mehr für Themen wie Frauen- und LGBT-Rechte einsetzen. Simons gründete ihre eigene Partei, Artikel 1, mit der sie am 15. März ebenfalls an den Wahlen teilnehmen wird. Laut Umfragen kommt sie auf null Sitze. Die Meinungsforscher geben aber zu, dass sie sich, wie DENK, an eine neue Wählerschicht richtet, die möglicherweise nicht durch die Meinungsforscher erfasst wird. Die beiden Parteien könnten also noch für eine Überraschung gut sein.