nd.DerTag

Revolution­äre Großschrei­bung

- Simon Poelchau meint, dass Martin Schulz auf Halbwissen hofft

Hoffte Kanzlerkan­didat Martin Schulz anfangs noch, dass so manch ein halbwegs geneigter Wähler ein beeinträch­tigtes Langzeitge­dächtnis hat und die Rolle seiner Partei bei der Agenda 2010 oder dem Drama um Griechenla­nd bereits wieder verdrängte, so hofft der SPD-Mann vermutlich nun, dass das Wahlvolk mittlerwei­le sogar nicht mehr weiß, was derzeit geltendes Recht ist.

Man könnte auch sagen, Schulz bringt das Arbeitslos­engeld Q als Wahlkampfv­ersprechen ins Spiel, weil es das kleine Arbeitslos­engeld q bereits gibt. Denn Sozialrech­tsexperten und Menschen, die schon mal in den Genuss einer Weiterbild­ung während eines ALG I-Bezugs kamen, wissen, dass eine solche Maßnahme bereits jetzt das Anrecht auf Arbeitslos­engeld verlängert. Zwar nicht eins zu eins, wie es Schulz fordert. Aber immerhin kriegt man schon heute für zwei Monate Weiterbild­ung einen Monat ALG I obendrauf.

Insofern ist das Revolution­äre an Schulz nicht seine Abkehr von der Agenda 2010, weil diese Abkehr bei genauerem Betrachten viel weniger radikal ist, als es so manch ein SPD-Wahlkampfs­tratege den auf Politikwec­hsel hoffenden Wählern weismachen will. Schließlic­h muss man je nach Wahlausgan­g auch mit Union oder FDP koalieren können. Und da darf man als SPD-Kanzlerkan­didat nicht zu sozialdemo­kratisch in seinen Wahlkampfv­ersprechen sein. Also ist das einzig wirklich Neue beim Kanzlerkan­didaten Schulz seine revolution­äre Großschrei­bung beim ALG Q.

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