Ist »Geoblocking« eine Löschung?
Urteil im Würzburger Facebook-Prozess erwartet
Ein junger Syrer klagt auf die restlose Entfernung von Inhalten, die ihn fälschlich mit Terror und Gewalt in Verbindung bringen. Zur Debatte steht aber auch das Geschäftsmodell des Netzwerks. Im Facebook-Prozess vor dem Würzburger Landgericht wird am Dienstagnachmittag ein Urteil erwartet. Wenn sich die Parteien bis dahin nicht auf eine außergerichtliche Einigung verständigt hätten – wonach es zuletzt nicht aussah –, werde am Nachmittag über die Klage des syrischen Flüchtlings Anas Modamani auf eine einstweilige Verfügung gegen den Internetriesen entschieden.
In dem konkreten Verfahren geht es um Verleumdung. Modamani hatte im Herbst 2015 einen Schnappschuss von sich selbst neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgenommen und auf seine Facebook-Seite gestellt. Dieses Bild wurde in der Folge immer wieder in falschen Kontexten auf der Plattform verbreitet und Modamani so in Zusammenhang mit Gewalttaten und Terrorakten gebracht, mit denen er nichts zu tun hatte. Modamanis Anwalt, der Würzburger Experte für ITRecht, Chan-jo Jun, fordert von Facebook eine nachhaltige und unwiederbringliche Löschung solcher Beiträge. Facebook aber habe gegen fragliche Inhalte nur ein »Geoblocking« verhängt, also technisch dafür gesorgt, dass sie von Deutschland aus nicht ohne Weiteres aufrufbar sind. Das genügt Jun nicht – auch weil sich diese geografische Blockade leicht umgehen lasse.
Als Beleg dafür führte Jun in einer Erklärung nach der Gerichtsanhörung Anfang Februar zwei Links an, die auf eine Fotomontage verwiesen, die seinen Mandanten fälschlich mit jenen jungen Männern aus einer Berliner Flüchtlingsunterkunft in Verbindung bringt, die einen Obdachlosen misshandelten. Selbst mit einem herkömmlich eingestellten Rechner ist unter einem dieser Links das fragliche Bild aus Deutschland weiter aufzurufen. Wird eine Software benutzt, die den Standort des Computers verschleiert, trifft dies laut Jun auch für den anderen Link zu. Und schon aus dem nahen Ausland sei der Inhalt ohnehin völlig problemlos zu erreichen.
Vor Gericht geht es also zunächst um die konkrete Frage, ob diese mit etwas Geschick zu umgehende geografische Blockade eine Löschung darstellt. Darüber hinaus steht aber Grundsätzliches in Frage: Ist Facebook ein Medium, das für von Nutzern eingestellte Texte, Bilder und Videos inhaltliche Verantwortung hat – oder nur ein neutraler Anbieter von Speicherplatz? Bisher vertritt das Netzwerk, dessen Geschäftsmodell auf von Nutzern produzierten Inhalten basiert, strikt die zweite Theorie und unterwirft die Nutzer-Inhalte lediglich seinen »Gemeinschaftsstandards«, die hinter dem deutschen Presserecht weit zurückbleiben.
Jun hält dem entgegen, dass sich Facebook – als Kompensation der Gebührenfreiheit – an eingestellten Inhalten weitgehende Rechte vorbehält. Auch kombiniere das Netzwerk Inhalte auf den Nutzer-Seiten zu eigenen Beiträgen – etwa jene Jahresrückblicke, die für die Mitglieder die »Highlights« eines Jahres zusammenfassen. Zudem entscheide Facebook, »ob ein geposteter Artikel von vielen oder wenigen Menschen gesehen wird« und greife so »in die Ausspielung ein«.