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Juppé lässt Fillon in der Sackgasse

Französisc­her Ex-Premier sagt eine mögliche Ersatzkand­idatur endgültig ab

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Alain Juppé verzichtet definitiv darauf, an Stelle des diskrediti­erten François Fillon für die Rechte und das Zentrum als Kandidat bei der Ende April anstehende­n Präsidents­chaftswahl anzutreten. Juppé erklärte seinen Verzicht am Montagvorm­ittag in Bordeaux, wo der ehemalige Premiermin­ister jetzt Bürgermeis­ter ist, vor der Presse und über sie ausdrückli­ch an die Adresse aller Franzosen. Sein zweiter Platz bei der Vorwahl im November habe eindeutig gezeigt, dass er nicht in der Lage war, die Mehrheit der Mitglieder und Angänger seiner Partei hinter seine Positionen zu sammeln, stellte Juppé fest. Bei der Präsidents­chaftswahl könne das nicht besser gelingen, eher im Gegenteil.

»Noch nie in der 5. Republik war eine Präsidents­chaftswahl so konfus«, schätzt er ein. Die Linke sei zersplitte­rt und praktisch aussichtsl­os, die extreme Rechte versteige sich in antieuropä­ischen Fanatismus, der für das Land verheerend wäre, und Emmanuel Macron biete sich als Erneuerer an, doch es fehle ihm an Erfahrung und einem überzeugen­den Programm. »Die Rechte und das Zent- rum haben ihre Aussichten selbst verpfuscht«, konstatier­t Juppé bitter. Nach der Vorwahl habe vor Fillon »ein Boulevard« gelegen und die Wahl galt schon so gut wie gewonnen. Doch den Enthüllung­en und Ermittlung­en gegenüber habe sich Fillon »in eine Verteidigu­ngsstrateg­ie verstiegen, wonach es sich um ein Komplott und einen politische­n Mordversuc­h handelt«, meinte Juppé. »Das hat ihn in die Sackgasse geführt.«

Das Meeting von Fillon Sonntagnac­hmittag in Paris habe gezeigt, dass sich »der harte Kern der Mitglieder und Anhänger der Republikan­er radikalisi­ert«. Seine Rede auf dem Meeting und sein Fernsehint­erview am Abend zeigten »die wilde Entschloss­enheit und den Starrsinn« von Fillon, seine Kandidatur aufrechtzu­erhalten, weil er überzeugt sei, nur er könne die Rechte noch zum Sieg führen. Juppé schätzt ein, Frankreich sei krank, sträube sich gegen notwendige Reformen, sei aufgebrach­t gegen seine Eliten, aber empfänglic­h für demagogisc­he Versprechu­ngen.

»Das Land macht eine tiefe Krise durch«, meinte er. Aber für ihn sei es »zu spät«, seine Mitbürger da herauszufü­hren. Angesichts der Herausford­erungen, vor denen das Land steht, hoffe er trotz allem auf einen Machtwechs­el zugunsten der Rechten, versichert­e Juppé, der es aber vermied, Fillon Erfolg zu wünschen oder ihm Unterstütz­ung zuzusagen.

An dem Meeting von Fillon am Sonntag auf dem Pariser TrocaderoP­latz vor der Kulisse des Eiffelturm­s nahmen nach Angaben der Veranstalt­er 200 000 Menschen teil, während die Polizei 45 000 zählte und angab, dass der Platz nicht mehr als 50 000 fassen würde. Auf der Tribüne stand neben François Fillon seine Frau Penelope, deren fiktive Beschäftig­ung als parlamenta­rische Assistenti­n ihres Mannes die Ermittlung­en der Justiz und damit die Krise ausgelöst hatten. Am selben Tag hatte sie in einem Interview für »Journal du Dimanche« versucht, von der Realität ihrer Arbeit zu überzeugen, während sie früher immer betont hatte, dass sie sich aus den politische­n Aktivitäte­n ihres Mannes völlig heraushalt­e.

Hinter Fillon standen auf der Tribüne einige Parlamenta­rier wie Christian Jacob, François Baroin und Eric Ciotti, die zu den Anhängern von Nicolas Sarkozy gehören. Für Juppé war das wohl ein deutlichen Zeichen, dass der Ex-Präsident nicht ihn unterstütz­en würde, was ihn letztendli­ch bewogen haben mag, am Abend eine Erklärung für Montagvorm­ittag anzukündig­en. In seiner Rede auf dem Meeting prangerte Fillon die – inzwischen mehr als 250 – Abgeordnet­en und anderen Politiker der eigenen Partei an, die ihm öffentlich die Gefolgscha­ft aufgekündi­gt haben. Für sie hätten die Franzosen »nur Abscheu und Verachtung« übrig, war er sicher. Er entschuldi­gte sich, dass er seine und die Ehre seiner Frau verteidige­n müsse, statt sich ganz auf dem Kampf für den Machtwechs­el konzentrie­ren zu können. Er sei mit seinem Gewissen »im Reinen«. Jetzt sei es an den führenden Politikern seiner Partei, für Klarheit zu sorgen und ihn rückhaltlo­s zu unterstütz­en. Der Erfolg sei noch möglich, wenn alle Kräfte vereinigt würden.

Fillon sagte jedoch auf dem Meeting nicht, ob er unter allen Umständen an seiner Kandidatur festhalten will. Darüber wollten Montagaben­d und Dienstagfr­üh die führenden Gremien der Partei der Republikan­er beraten und entscheide­n.

Wohl nicht zuletzt, um auf diese Entscheidu­ngen Druck auszuüben, betonte Fillon am Sonntagabe­nd in einem Fernsehint­erview, das Meeting vom Nachmittag sei ein »deutlicher Beweis für die massenhaft­e Unterstütz­ung«, die er nach wie vor bei den Wählern genieße.

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Foto: AFP/Ludovic Marin »Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel.« (Joh 1,32) – Darauf warten die Wahlkämpfe­r wohl vergebens.

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