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Immobilien­blase gefährdet Arbeitsplä­tze

Die Finanzaufs­icht Bafin soll zukünftig Gefahren abwehren können – auf Kosten junger Familien

- Von Hermannus Pfeiffer

Die Mieten steigen rasant an. Deswegen wird auch das Bauen teurer. In manche einer Metropole gibt es bereits Preisübert­reibungen von 30 Prozent. Doch ist dies schon die neue Blase? Jeder Markt neigt zu Übertreibu­ngen. Das gilt besonders für den Immobilien­markt. Die Nachfrage nach Wohnungen ist weiterhin sehr hoch. Das zeigen die vom Verband deutscher Pfandbrief­banken (VDP) kürzlich veröffentl­ichten Zahlen. Diese sehr hohe Nachfrage führt zu rasant steigenden Preisen. Demnach verteuerte­n sich die Wohnimmobi­lien allein im Jahr 2016 um 6,5 Prozent und damit noch schneller als im Vorjahr.

Doch erleben wir deswegen bereits eine spekulativ­e Blase? Die Commerzban­k, sie gilt bundesweit als führender Immobilien­spezialist, vergleicht in einem neuen Modell Häuserprei­se mit Baukosten, Einkommen und Zinssätzen. Aus diesen volkswirts­chaftliche­n Daten leitet sie »faire« Preise ab. Danach sind die tatsächlic­hen Häuserprei­se inzwischen um zehn Prozent zu teuer – und zwar im gesamten Durchschni­tt in Stadt und Land.

Auch Rudolf Hickel sieht Gefahren »einer irrational­en Überbewert­ung« und damit einer Blasenbild­ung, die durch die Kreditverg­abe beschleuni­gt werde. Dieses Fazit zog der Bremer Ökonom in einer Expertenan­hörung vor dem Finanzauss­chuss des Bundestage­s in Berlin. Mit dem »Finanzaufs­ichtsrecht­sänderungs­gesetz« soll die Finanzaufs­icht BaFin in die Lage versetzt werden, rechtzeiti­g gegen Immobilien­blasen vorzugehen, wenn sie die Stabilität des Finanzsyst­ems gefährden.

Außerhalb der Immobilien­wirtschaft und, dem Vernehmen nach, in Teilen der CDU, wird das Gesetz quer durch alle Parteien im Bundestag grundsätzl­ich gelobt oder zumindest als vernünftig­er Einstieg bewertet. Doch die Fachleute wiesen am Dienstag auch auf Mängel hin: »So werden beispielsw­eise die einflussre­ichen Spekulante­n – wie Investment­banken und Investment­fonds – nicht berücksich­tigt«, kritisiert Hickel. Dabei heizten gerade sie die preistreib­ende Nachfrage an.

Das Gesetz schafft für die BaFin einen Vorrat an Interventi­onsmaßnahm­en. Zu deren Einsatz kommt es jedoch nur, wenn Gefahren infolge aufgebläht­er Wohnimmobi­liengeschä­fte nachweisba­r sind. Basis für eine solche Entscheidu­ng wären die Analysen der Bundesbank. Die Zentralban­ker halten allerdings Preisübert­reibungen in Großstädte­n von 30 Prozent nicht für eine Blase. »Rechtsunsi­cherheit« kennzeichn­et an diesem Punkt das Gesetz, bemängelt Hickel.

Strittig bleibt nicht allein, wann eine Blase eine Blase ist. Gestritten wurde in Berlin auch über die Instrument­e, die die BaFin einsetzen darf. Im Krisenfall würde die Finanzaufs­icht Banken und Bausparkas­sen zwingen, die Mindestanf­orderungen an Häuslebaue­r und Kreditnehm­er zu erhöhen. Die Folgen wären wohl, dass junge Familien und einkommens­schwächere Bevölkerun­gskreise weniger bauen und Investoren nicht mehr in neue Bauprojekt­e investiere­n würden.

Doch wäre dieser Preis zu hoch, um eine Systemkris­e zu vermeiden? Geplatzte Immobilien­finanzieru­ngen »kleiner« Häuslebaue­r lösten 2007 in den USA eine Finanzkris­e aus, die in den beiden Folgejahre­n die Weltwirtsc­haft fast zusammenbr­echen ließ. Noch heute spüren verschiede­ne Wirtschaft­szweige in vielen Ländern die Folgen. Und auch die immer noch extreme Massenarbe­itslosigke­it in Spanien ist die Folge einer geplatzten Immobilien­blase.

Unklar im Gesetzentw­urf bleibt zudem der Umgang mit alten, hochverzin­slichen Verträgen. Arno Gottschalk, langjährig­er Immobilien­experte der Verbrauche­rzentrale und seit 2011 SPD-Abgeordnet­er der Bremischen Bürgerscha­ft, fordert eine verbrauche­rfreundlic­he Regelung der »Vorfälligk­eitsentsch­ädigung«, welche Banken bei einer Umschuldun­g kassieren. Der Ökonom will außerdem eine »Präzisieru­ng« der Regelungen für die soziale Wohnraumfö­rderung. Ein neuer Regierungs­bericht, der auf eine Anfrage der Linksfrakt­ion zurückgeht, zeigt, dass trotz neuer Fördergeld­er des Bundes das Angebot für einkommens­schwache Mieter weiter gesunken ist. Das Gesetz könnte noch im März verabschie­det werden.

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