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Resterampe Europas

Osteuropäi­sche Staaten beklagen Lebensmitt­el geringerer Qualität

- Von Guido Speckmann Mit dpa

In der Slowakei und in Tschechien schlugen die medialen Wellen hoch: »Sind wir denn die Müllhalde Europas? Warum bekommen wir schlechter­e Lebensmitt­el als die Deutschen und Österreich­er?« Mit diesen Schlagzeil­en machten die dortigen Zeitungen in der letzten Woche auf. Der Anlass: Der slowakisch­e Regierungs­chef Robert Fico hatte auf einem Treffen mit den Regierungs­chefs aus Polen, Ungarn und Tschechien – den sogenannte­n Visegrad-Staaten – die multinatio­nalen Lebensmitt­elkonzerne angeprange­rt. »Es ist inakzeptab­el, dass in die postkommun­istischen Länder Produkte mit gleichem Markenname­n, aber schlechter­em Inhalt geliefert werden als nach Westeuropa.« Das sei erniedrige­nd. Fico forderte die EU auf, gesetzlich­e Kontrollme­chanismen einzuführe­n.

In Brüssel sollte das Thema für diesen Montag auf der Tagesordnu­ng eines Treffens der EU-Landwirtsc­hafts- und Fischereim­inister stehen. Die tschechisc­he Delegation will unter dem Tagesordnu­ngspunkt »Nahrungsmi­ttel mit Doppelqual­ität auf dem EU-Binnenmark­t« über eine Studie informiere­n, die zu den eingangs erwähnten reißerisch­en Schlagzeil­en führte. Demnach hat das slowakisch­e Agrarminis­terium 22 Lebensmitt­el untersucht, die mit dem gleichen Markenname­n sowohl in der Slowakei als auch im benachbart­en Österreich verkauft werden. Das Ergebnis: Fast die Hälfte der getesteten Produkte aus der Slowakei hatte eine geringere Qualität als die aus Österreich.

Mit diesen Ergebnisse­n konfrontie­rt, gab ein Sprecher von Iglo zu, dass der Fischantei­l in den slowakisch­en Fischstäbc­hen geringer sei als der in Österreich oder Deutschlan­d verkauften. Er betonte aber zugleich, dass die Qualität identisch sei. Und im Übrigen habe er den Eindruck, dass es sich bei den Vorwürfen um eine politische Kampagne handele. Die »Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung« fragte bei weiteren Konzernen nach. So beim italienisc­hen Unternehme­n Ferrero, das den bekanten Brotaufstr­ich Nutella herstellt. Der allgemein gehaltenen Antwort ist zu entnehmen, dass es sehr wohl Unterschie­de geben könne. Diese beträfen aber nicht die Qualität. Auch der Lebensmitt­elriese Unilever antwortete in diesem Sinne. Die Vorwürfe seien ungerechtf­ertigt. Allerdings unterschie­den sich die Rezepturen in den Ländern deutlich. »Das habe aber nichts mit Qualität zu tun, sondern mit den unterschie­dlichen Vorlieben der Konsumente­n in Geschmack, Aussehen und Sensorik«, zitiert die Zeitung einen Unilever-Sprecher.

Das widerspric­ht nicht den Vorwürfen aus der Slowakei oder Ungarn. Denn diese bemängeln nicht, Lebensmitt­el mit anderen Rezepturen zu bekommen, sondern Tütensuppe­n, Nutella, Teebeutel oder Coca-Cola schlechter­er Qualität. Ungarns Agrarminis­ter Sndor Fazekas hat bereits eine Untersuchu­ng 100 weiterer Produkte angeordnet. Das Ergebnis soll noch in diesem März veröffentl­ich werden.

Ängste, zur Resterampe zu werden, gibt es auch beim EU-Beitrittsk­andidaten Serbien. Dort werden die vielen »Ausschussw­aren« im Land kritisiert. Viele Produkte seien von minderer Qualität, zitiert eine Zeitung Verbrauche­rschützer. Und in Rumänien sorgen sich Politiker, dass einheimisc­he Lebensmitt­el in den Supermärkt­en immer mehr von westlichen Billigprod­ukten verdrängt würden. Deshalb wurde Mitte vergangene­n Jahres ein Gesetz beschlosse­n, demzufolge Supermärkt­e zu 51 Prozent Waren aus regionaler Erzeugung im Regal haben müssen. Dagegen hat die EU nun ein Verfahren eingeleite­t.

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