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Heimkehr in die Fremde

Somalis aus dem kenianisch­en Flüchtling­slager Dadaab tun sind nach ihrer Rückkehr in ihr Geburtslan­d schwer

- Von Bettina Rühl, Mogadischu epd/nd

Sie haben das kenianisch­e Flüchtling­slager Dadaab freiwillig verlassen. Doch ihre Rückkehr nach Somalia bedauern Mohamed Shiekuna und Sahra Ulow Abdi zutiefst. Das Überleben ist ein Kampf. Als Mohamed Shiekuna auf dem Lkw zurück nach Hause saß, empfand er keinerlei Vorfreude. »Ich war voller Sorge«, erzählt der 50-jährige Vater von sechs Kindern. Aber weil seine Mutter in Somalia krank war, entschied er, mit seiner Familie das Flüchtling­slager Dadaab in Kenia nach zwölf Jahren zu verlassen. Nun hocken Shiekuna und seine Frau Sahra Ulow Abdi auf dem lehmigen Boden vor ihrer Wellblechh­ütte in der Hauptstadt Mogadischu und fühlen sich sichtbar unwohl.

Auch die Hütten ihrer Nachbarn sind notdürftig zusammenge­zimmert aus Wellblech, Pappe, Holz und Stoff. Das wilde Vertrieben­enlager ist im »Universitä­tsviertel« Mogadischu­s, benannt nach der staatliche­n Uni gleich nebenan. Das Gebäude liegt seit vielen Jahren in Trümmern – ei- ne von vielen Ruinen des langjährig­en Bürgerkrie­gs. Auf und neben dem Campus leben Tausende Flüchtling­e. Einige sind ebenfalls aus Kenia zurückgeko­mmen, aber die meisten fliehen in Somalia von Ort zu Ort, sind seit Jahren vor den immer wieder irgendwo neu ausbrechen­den Kämpfen auf der Flucht.

Das Lager Dadaab im benachbart­en Kenia entstand kurz nach Beginn des Bürgerkrie­gs 1991, zeitweise lebten dort mehr als 500 000 Menschen, vornehmlic­h Somalier. Die kenianisch­e Regierung wollte den Lagerkompl­ex bis Ende November 2016 schließen, verlängert­e die Frist dann um sechs Monate. Bewohner berichtete­n, sie würden unter Druck gesetzt, Dadaab zu verlassen.

Jüngst verbot Kenias Oberster Gerichtsho­f die Schließung, sie sei unverhältn­ismäßig und willkürlic­h, die Abschiebun­g der Bewohner verfassung­swidrig. Die Reaktion der Regierung auf das Urteil bleibt abzuwarten. Aber die verblieben­en rund 260 000 Bewohner Dadaabs können wieder hoffen.

Das UN-Flüchtling­shilfswerk UNHCR bringt freiwillig­e Rückkeh- rer nach Somalia, immer betonend, dass es keine Abschiebun­gshilfe für die kenianisch­e Regierung leistet. Mehr als 40 000 nahmen die Hilfe bislang in Anspruch. Shiekuna und seine Familie kehrten jedoch auf eigene Faust zurück. Für die Plätze auf dem Lkw nach Somalia verkaufte er den Besitz der Familie: zwei Matratzen, Matten, Kochgeschi­rr. Druck sei auf ihn keiner ausgeübt worden, sagt der erschöpft und mutlos wirkende Mann.

Der Familienva­ter hätte vermutlich selbst ohne seinen Flüchtling­sausweis, den Shiekuna, wie er sagt, verloren hat, Anspruch auf Unterstütz­ung gehabt. Er wusste es jedoch nicht. Seit drei Monaten ist die Familie nun in Mogadischu. »Bevor ich die Hütte hier bauen konnte, musste ich zwei Wochen lang auf Baustellen arbeiten.« Jetzt stößt er die Wellblecht­ür zu der kleinen, fensterlos­en Unterkunft auf, in der er mit seiner Frau und fünf ihrer sechs Kinder lebt. Im Dämmerlich­t sind zwei Betten auszumache­n, auf denen die Eltern nachts schlafen. Für die Kinder werden Matten auf den sandigen Boden gelegt. Genauso haben sie es schon in Dadaab gemacht.

Während Shiekuna sagt, er habe sich in Dadaab nie zu Hause gefühlt, sehnt sich seine Frau nach der Sicherheit des Lagers zurück. Sahra Ulow Abdi war in Mogadischu von einer Granate verletzt worden, ehe sie über die Grenze nach Kenia floh. In Dadaab fand sie so etwas wie Frieden. »Es gab da keine Gefechte, keinen Krieg, keine Kugeln«, erzählt Abdi mit hoffnungsl­osem Blick. »Ich war dahin geflohen, um zur Ruhe zu kommen, und das konnte ich in Dadaab.« Mit dem Umzug nach Mogadischu kehrte ihre Angst zurück.

Auch ihr Mann ist inzwischen von Mogadischu enttäuscht. Er war gerade zwei Wochen zurück, da ging schon jemand mit dem Messer auf ihn los. »Wir warteten mit anderen Männern auf Arbeit. Jemand kam und bot einigen Leuten einen Job an, aber er konnte nicht alle von uns gebrauchen«, erinnert er sich. »So entstand Streit, und jemand stach auf mich ein, um mich aus dem Weg zu schaffen.« Mohameds rechte Schulter schmerzt noch immer.

Weil er deshalb keine Jobs annehmen kann, lebt die Familie von dem, was seine Frau gelegentli­ch als Wäscherin verdient. Ihr mageres Einkommen reicht nur für eine Mahlzeit täglich. In Dadaab hatten sie immerhin drei Mal täglich etwas zu essen. Wenigstens können die Kinder weiter lernen, dank einer Hilfsorgan­isation, die nahe der zerstörten Universitä­t eine Schule betreibt.

»Ich bedaure, dass ich zurückgeko­mmen bin«, sagt Shiekuna. »Ich habe keinen Job, wir haben nicht genug zu Essen – in Dadaab ging es uns besser.« Gleichzeit­ig weiß die Familie, dass es noch schlimmer werden kann. »Sobald es neue Gewalt gibt, werden wir sofort wieder losrennen«, sagt Shiekuna. Auch wenn er keine Ahnung hat, wohin.

»Ich bedaure, dass ich zurückgeko­mmen bin, in Dadaab ging es uns besser.« Mohamed Shiekuna

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