Hessens SPD sieht sich im Aufwind
Sozialdemokraten sichern sich OB-Posten in Kassel
Das Rathaus der nordhessischen Metropole Kassel bleibt weiter unter SPD-Führung. Bei der Oberbürgermeisterwahl am vergangenen Sonntag in der mit über 200 000 Einwohnern drittgrößten Stadt des Landes konnte sich der von den Sozialdemokraten aufgestellte bisherige Stadtkämmerer Christian Geselle gleich im ersten Wahlgang mit 56,6 Prozent der abgegeben Stimmen durchsetzen. Die Wahlbeteiligung erreichte allerdings mit 36,6 Prozent einen neuen Tiefstand.
Nach dem Kasseler Urnengang hält die SPD nach wie vor die OBPosten in vier von fünf kreisfreien hessischen Großstädten und sieht sich weiter im Aufwind. Geselle konnte seine fünf Mitbewerber weit hinter sich lassen. Zweitplatzierter war mit 18,34 Prozent der CDU-Kandidat Dominique Kalb, gefolgt von Eva Koch (Grüne) mit 9,22 Prozent und Murat Cakir (LINKE) mit 8,35 Prozent. Der bisherige OB Bertram Hilgen (SPD) hatte sich nicht mehr zur Wahl gestellt. Bis auf ein »Zwischenspiel« von 1993 bis 2005 hatten alle Kasseler Oberbürgermeister seit 1945 das SPD-Parteibuch. Im Kasseler Magistrat gibt es derzeit keine feste Koalition, nachdem Sozialdemokraten und Grüne bei den letzten Kommunalwahlen ihre Mehrheit eingebüßt hatten.
Während Geselle und die Mehrheit der SPD eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen oder ein Bündnis mit der CDU favorisieren, bevorzugen Grüne und linke Sozialdemokraten eine Zusammenarbeit mit der Linksfraktion, die im Stadtparlament sieben von 71 Sitzen stellt. Eine Messlatte für die LINKE war das 6,4-Prozent-Ergebnis ihres OBKandidaten Kai Boeddinghaus bei der OB-Wahl im Jahr 2011, das Cakir nun am Sonntag klar übertraf.
Dem Wahlsieger Geselle kam neben dem bundesweiten »Schulz-Effekt« für seine Partei zugute, dass er als Stadtkämmerer erst vor kurzem einen Haushaltsüberschuss und den Ausstieg der Stadt aus dem kommunalen »Rettungsschirm« des Landes verkünden konnte. Dabei handelt es sich um Programm des Landes Hessen zur Teilentschuldung überschuldeter Gemeinden und Landkreise, welches deren Handlungsspielraum jedoch stark einschränkt.
Während die CDU auf Landesebene seit 1999 den Regierungschef stellt und derzeit mit den Grünen koaliert, haben die Sozialdemokraten 2012 und 2013 in der Bankenmetropole Frankfurt am Main und der Landeshauptstadt Wiesbaden die OB-Sessel von den Christdemokraten zurückerobert. In Darmstadt, das seit 1945 als sozialdemokratische Bastion mit insgesamt sechs SPDOberbürgermeistern galt, konnte 2011 allerdings der Grünen-Kandidat Jochen Partsch den SPDAmtsinhaber Walter Hoffmann vom OB-Sessel verdrängen. Partsch ist der erste GrünenOberbürgermeister einer hessischen Großstadt.
Mit Spannung erwarten Beobachter und Parteiaktivisten nun die kommende OB-Wahl in Darmstadt am übernächsten Sonntag, bei der Partsch sein Amt gegen acht Mitbewerber verteidigen will. Die Darmstädter CDU, die in eine Rathauskoalition mit den Grünen eingebunden ist, verzichtete im Vorfeld zugunsten des amtieren OB auf einen eigenen Kandidaten. Die SPD schickt den Landtagsabgeordneten Michael Siebel ins Rennen. Weitere OBWahlen in den anderen hessischen Großstädten finden im Herbst 2017 in Offenbach, im Frühjahr 2018 in Frankfurt am Main und im Frühjahr 2019 in Wiesbaden statt.