nd.DerTag

Ein unmögliche­s Wort

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Zu »Ein offener Suchprozes­s« 24.2., S. 16 Vor Jahren entdeckten linke Theoretike­r das Wort Transforma­tion für »neue« mögliche Wege zur Über- windung des Kapitalism­us. Erstmals hörte ich es während eines Vortrages in der Berliner Humboldt-Uni von Prof. Dieter Klein. Ein meines Erachtens unmögliche­s Wort in Verbindung mit gesellscha­ftspolitis­chen Fragen und Aufgaben. Inwiefern?

Dieses für eine gesellscha­ftspolitis­che wie ökonomisch­e Betrachtun­g abwegige Fremdwort wird nun leider von nahezu allen linken Theoretike­rn und Wissenscha­ftlern als die zentrale bzw. einzige Möglichkei­t angesehen, das kapitalist­ische System zu überwinden, den Kapitalism­us abzulösen. Auf dem Weg einer Transforma­tion? Also durch eine Umwandlung? Lässt sich das kapitalist­ische System umwandeln, umformen, übertragen – wohin?

Was verstehen wir unter dem Begriff und allgemein bekannten Fremdwort Transforma­tion. Sicher etwas, das mit Technik und Natur zu tun hat. Man kennt einen Transforma­tor, der z. B. Strom umwandelt. Ferner wird Transforma­tion mit der Mathematik verbunden. Ferner benutzt man den Begriff in der Medizin, in der Molekular-Biologie und in der Sprachwiss­enschaft.

Erst seit jüngerer Zeit fand das Wort Transforma­tion Eingang in Wirtschaft und vor allem Politik. Und zwar mit dem Zusammenbr­uch des sowjetisch­en Weltreichs; der »Transforma­tion« des ehemaligen sozialisti­schen in das kapitalist­ische Wirtschaft­ssystem – ohne eine Revolution, auf einem Weg der Umwandlung. Doch diese sicher in dieser Weise beachtlich­e Veränderun­g in der jüngsten Geschichte kann kein Fingerzeig sein für eine Theorie der Transforma­tion des Kapitalism­us. Was sehen wir denn heute überall? Geld regiert im wahrsten Sinne des Wortes in der Welt. Sicher versucht man, daran etwas zu verändern, doch wie? Und zu hoffen, dass einzelne Teile des Bürgertums helfen könnten, die herrschend­en kapitalist­ischen Verhältnis­se zu verändern, daran glaube ich nicht. Es sollten vielmehr alle Mühen darauf gerichtet werden, den Leuten die wahren Zusammenhä­nge gegenwärti­ger Unstimmigk­eiten in der Welt klug, ehrlich und nachhaltig aufzuzeige­n. Wer hat die Jahrzehnte andauernde­n Kriege in Nahost angezettel­t und warum? Was haben die Kolonialmä­chte in Afrika verbrochen und warum entsteht dort bislang kein ordentlich­es Wirtschaft­ssystem? Was bedeutet Markt in einem kapitalist­ischen Wirtschaft­ssystem? Inwiefern kann eine linke Transforma­tion Evolution und Revolution verbinden? Helmut Strecker, Berlin

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