Das Versteckspiel ist vorbei
Tayfun Korkut soll Bayer Leverkusen noch auf einen Europapokalplatz führen
Nach dem 2:6-Debakel in Dortmund stellte Bayer Leverkusen am Montag seinen neuen Trainer vor. Er soll die Abwehr stabiler machen, will aber nicht das ganze System umwerfen. Nach 25 Minuten war der erste offizielle Termin mit den neuen Chefs erledigt, und Tayfun Korkut gab Michael Schade förmlich die Hand. Der kurze Körperkontakt des frisch installierten Leverkusener Trainers mit dem Geschäftsführer wirkte beiderseits arg gehemmt. Bei Rudi Völler reichte es nicht mal für ein Händeschütteln – aber mit dem Sportdirektor sollte Korkut am Montagnachmittag ja auch noch zu tun haben. Zweieinhalb Stunden nach der Vorstellung des 42-Jährigen als Nachfolger von Roger Schmidt war das Training der Bayer-Profis angesetzt. Und Völler zeigte sich wild entschlossen, den Herrschaften vorher ins Gewissen zu reden.
Seine These, die Spieler hätten sich in den schwierigen letzten Wochen immer gerne hinter dem rhetorisch sehr begabten Schmidt versteckt, führte der Sportchef zuletzt häufiger ins Feld. Völlers Forderung an die Fußballer, mehr Verantwortung zu übernehmen, lief jedoch ins Leere. Mit der Freistellung von Roger Schmidt am Sonntag sieht der 56Jährige nun auch dieMöglichkeit zum allgemeinen Versteckspiel beendet. »Das werde ich der Mannschaft bei der Vorstellung des neuen Trainers deutlich sagen«, kündigte Völler an und betonte im Stil eines entrüsteten Feldherrn: »Jetzt zählt’s.« Und: »Ein bisschen Druck gehört dazu.«
Elf Ligaspiele hat Korkut unter dem Bayer-Kreuz Zeit, die richtige Formel zwischen Druck und Entspannung zu finden. Bis zum Saisonende läuft der Vertrag des früheren Offensivspielers, der als Trainer zuletzt bei Zweitligist Kaiserslautern arbeitete. Seinen Kontrakt bei den Pfälzern löste Korkut im Dezember 2016 auf eigenen Wunsch hin auf – nach sechs kurzen Monaten. Das zunächst nur bis zum Sommer angesetzte Arbeitsverhältnis bei den Rheinländern stört ihn daher nicht. »Längerfristige Verträge wackeln auch mal. Da macht man Ver- träge über zwei, drei Jahre und entlässt die Leute nach zwei, drei Monaten«, erklärte Korkut fast belustigt.
Mit Rudi Völler tauschte er sich vor vier Jahren in seiner Zeit als Assistent der türkischen Nationalmannschaft schon mal über seine Trainerphilosophie aus, mit Roger Schmidt hatte er sogar sehr engen Kontakt. »Wir haben 2011 zusammen den Fußballlehrerschein gemacht, sind gute Freunde. Wir telefonieren häufig miteinander – und, kein Problem: Das werden wir auch jetzt machen«, kündigte Korkut an. Zugleich will er bis zum Spiel gegen Bremen am Freitag allerdings nicht zu viele Informationen von außen einholen, sondern sich selbst ein Bild vom Zustand der Mannschaft machen.
Die knapp drei Jahre unter Roger Schmidt gingen schließlich, sportlich wie emotional, als besonders turbulente Phase in die Geschichte des Werksklubs ein. Unter dem eigenwilligen und durchaus eitlen Sauerländer schaffte Leverkusen drei Mal den Sprung in die Gruppenphase der Champions League. Ungefähr doppelt so oft stand Schmidt bei Bayer aber auch auf der Kippe. Nach dem 2:6 in Dortmund und der aktuell schlechtesten Leverkusener Saison der vergangenen 14 Jahre rutschte er dann doch über den Rand. Nachdem er das Desaster beim BVB als einen »Schritt in die richtige Richtung« bezeichnet hatte.
»Das war ein typischer Roger Schmidt: Immer gegen den Rest der Welt«, kommentierte Völler am Montag – und räumte ein: »Bei aller Traurigkeit musste ich bei dem Satz auch ein bisschen schmunzeln.« Der Entschluss des Klubs, diese Saison nicht, wie angedacht, mit Schmidt zu Ende zu bringen, sondern die Reißleine zu ziehen, machte dem Sportdirektor spürbar stärker zu schaffen als Geschäftsführer Schade. Ab sofort wird Völler Tayfun Korkut nach Kräften unterstützen – und hinsichtlich eines Engagements des gebürtigen Stuttgarters über diese Saison hinaus gilt laut Völler: »Das Ganze ist eine Chance für ihn und auch für uns. Alles ist möglich.«
Der sportliche Auftrag an Korkut ist klar: Die momentan fünf Punkte Rückstand auf Platz sechs soll er wettmachen und so die Qualifikation für die Europa League noch hinbekommen. »Natürlich müssen wir ein bisschen stabiler sein, ein bisschen mehr Balance haben«, lautet Völlers zentraler Tipp an den neuen Trainer. Weswegen Korkut schon mal brav erklärt: »Die Saison ist weit fortgeschritten – alles umzukrempeln, wäre nicht richtig. Deshalbwerde ich vor allem versuchen, ein paar neue Impulse zu setzen.«
»Alles umzukrempeln, wäre nicht richtig. Ich werde versuchen, ein paar neue Impulse zu setzen.« Tayfun Korkut