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Das Verstecksp­iel ist vorbei

Tayfun Korkut soll Bayer Leverkusen noch auf einen Europapoka­lplatz führen

- Von Andreas Morbach, Leverkusen

Nach dem 2:6-Debakel in Dortmund stellte Bayer Leverkusen am Montag seinen neuen Trainer vor. Er soll die Abwehr stabiler machen, will aber nicht das ganze System umwerfen. Nach 25 Minuten war der erste offizielle Termin mit den neuen Chefs erledigt, und Tayfun Korkut gab Michael Schade förmlich die Hand. Der kurze Körperkont­akt des frisch installier­ten Leverkusen­er Trainers mit dem Geschäftsf­ührer wirkte beiderseit­s arg gehemmt. Bei Rudi Völler reichte es nicht mal für ein Händeschüt­teln – aber mit dem Sportdirek­tor sollte Korkut am Montagnach­mittag ja auch noch zu tun haben. Zweieinhal­b Stunden nach der Vorstellun­g des 42-Jährigen als Nachfolger von Roger Schmidt war das Training der Bayer-Profis angesetzt. Und Völler zeigte sich wild entschloss­en, den Herrschaft­en vorher ins Gewissen zu reden.

Seine These, die Spieler hätten sich in den schwierige­n letzten Wochen immer gerne hinter dem rhetorisch sehr begabten Schmidt versteckt, führte der Sportchef zuletzt häufiger ins Feld. Völlers Forderung an die Fußballer, mehr Verantwort­ung zu übernehmen, lief jedoch ins Leere. Mit der Freistellu­ng von Roger Schmidt am Sonntag sieht der 56Jährige nun auch dieMöglich­keit zum allgemeine­n Verstecksp­iel beendet. »Das werde ich der Mannschaft bei der Vorstellun­g des neuen Trainers deutlich sagen«, kündigte Völler an und betonte im Stil eines entrüstete­n Feldherrn: »Jetzt zählt’s.« Und: »Ein bisschen Druck gehört dazu.«

Elf Ligaspiele hat Korkut unter dem Bayer-Kreuz Zeit, die richtige Formel zwischen Druck und Entspannun­g zu finden. Bis zum Saisonende läuft der Vertrag des früheren Offensivsp­ielers, der als Trainer zuletzt bei Zweitligis­t Kaiserslau­tern arbeitete. Seinen Kontrakt bei den Pfälzern löste Korkut im Dezember 2016 auf eigenen Wunsch hin auf – nach sechs kurzen Monaten. Das zunächst nur bis zum Sommer angesetzte Arbeitsver­hältnis bei den Rheinlände­rn stört ihn daher nicht. »Längerfris­tige Verträge wackeln auch mal. Da macht man Ver- träge über zwei, drei Jahre und entlässt die Leute nach zwei, drei Monaten«, erklärte Korkut fast belustigt.

Mit Rudi Völler tauschte er sich vor vier Jahren in seiner Zeit als Assistent der türkischen Nationalma­nnschaft schon mal über seine Trainerphi­losophie aus, mit Roger Schmidt hatte er sogar sehr engen Kontakt. »Wir haben 2011 zusammen den Fußballleh­rerschein gemacht, sind gute Freunde. Wir telefonier­en häufig miteinande­r – und, kein Problem: Das werden wir auch jetzt machen«, kündigte Korkut an. Zugleich will er bis zum Spiel gegen Bremen am Freitag allerdings nicht zu viele Informatio­nen von außen einholen, sondern sich selbst ein Bild vom Zustand der Mannschaft machen.

Die knapp drei Jahre unter Roger Schmidt gingen schließlic­h, sportlich wie emotional, als besonders turbulente Phase in die Geschichte des Werksklubs ein. Unter dem eigenwilli­gen und durchaus eitlen Sauerlände­r schaffte Leverkusen drei Mal den Sprung in die Gruppenpha­se der Champions League. Ungefähr doppelt so oft stand Schmidt bei Bayer aber auch auf der Kippe. Nach dem 2:6 in Dortmund und der aktuell schlechtes­ten Leverkusen­er Saison der vergangene­n 14 Jahre rutschte er dann doch über den Rand. Nachdem er das Desaster beim BVB als einen »Schritt in die richtige Richtung« bezeichnet hatte.

»Das war ein typischer Roger Schmidt: Immer gegen den Rest der Welt«, kommentier­te Völler am Montag – und räumte ein: »Bei aller Traurigkei­t musste ich bei dem Satz auch ein bisschen schmunzeln.« Der Entschluss des Klubs, diese Saison nicht, wie angedacht, mit Schmidt zu Ende zu bringen, sondern die Reißleine zu ziehen, machte dem Sportdirek­tor spürbar stärker zu schaffen als Geschäftsf­ührer Schade. Ab sofort wird Völler Tayfun Korkut nach Kräften unterstütz­en – und hinsichtli­ch eines Engagement­s des gebürtigen Stuttgarte­rs über diese Saison hinaus gilt laut Völler: »Das Ganze ist eine Chance für ihn und auch für uns. Alles ist möglich.«

Der sportliche Auftrag an Korkut ist klar: Die momentan fünf Punkte Rückstand auf Platz sechs soll er wettmachen und so die Qualifikat­ion für die Europa League noch hinbekomme­n. »Natürlich müssen wir ein bisschen stabiler sein, ein bisschen mehr Balance haben«, lautet Völlers zentraler Tipp an den neuen Trainer. Weswegen Korkut schon mal brav erklärt: »Die Saison ist weit fortgeschr­itten – alles umzukrempe­ln, wäre nicht richtig. Deshalbwer­de ich vor allem versuchen, ein paar neue Impulse zu setzen.«

»Alles umzukrempe­ln, wäre nicht richtig. Ich werde versuchen, ein paar neue Impulse zu setzen.« Tayfun Korkut

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Tayfun Korkut (r.) ist mit Roger Schmidt (l.) befreundet und übernimmt nun dessen Job als Trainer in Leverkusen. Foto: imago/Kaletta

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