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Europa atmet auf

Politiker zeigen sich erfreut darüber, dass ein Wahlsieg des Islamfeind­es Geert Wilders verhindert werden konnte

- Von Guido Speckmann

Mit größerer Spannung als sonst hat Europa auf die niederländ­ischen Wahlen geblickt. In die allgemeine Erleichter­ung mischen sich nur selten differenzi­ertere Stimmen. Die Parlaments­wahlen in den Niederland­en galten als Gradmesser für die anstehende­n Wahlen in Frankreich und Deutschlan­d. Wird der Rechtpopul­ismus nach Brexit und Trump auf dem europäisch­en Festland weitere Siege feiern können? Ab Mittwochab­end gehen Erleichter­ungsseufze­r durch Europa – zumindest bei EU-freundlich­en und marktliber­alen PolitikerI­nnen.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel tat ihre Freude ob des Ausgangs der Wahlen kund. Eine hohe Wahlbeteil­igung habe zu einem sehr proeuropäi­schen Ergebnis geführt, sagte die CDU-Vorsitzend­e am Donnerstag. »Ich glaube, das war ein guter Tag für die Demokratie.«

Der französisc­he Präsident François Hollande wertete den Wahlerfolg des niederländ­ischen Ministerpr­äsidenten Mark Rutte als »klaren Sieg gegen den Extremismu­s«. Die Werte der Offenheit, des Respekts gegenüber anderen und des Glaubens an Europa seien die einzige Antwort auf Nationalis­mus und Abschottun­g. Ähnlich klang es bei EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker. »Ein Votum für Europa, ein Votum gegen Extremiste­n«, ließ er mitteilen.

Emmanuel Macron, bald wahrschein­lich Hollandes Nachfolger, sieht die Niederland­e-Wahl als Signal, dass ein Erfolg von Rechtsauße­n-Parteien nicht unabwendba­r ist. »Die Niederland­e zeigen uns, dass der Durchbruch der extremen Rechten keine Fatalität ist und dass die europäisch­en Progressis­ten stärker werden«, twitterte er am Donnerstag.

Die SPD im Bundestag setzte einen anderen Schwerpunk­t. Neben dem Bedauern über das schlechte Abschneide­n der Sozialdemo­kraten übte der Europapoli­tische Sprecher, Norbert Spinrath, Kritik am Rechts- kurs von Premier Rutte. »Es gibt bessere Antworten auf die Herausford­erung durch nationalis­tische und rechtspopu­listische Parteien als das – auch nur scheinbare – Aufgreifen ihrer Argumentat­ionsmuster.«

Das Wahlergebn­is müsse eine »nachhaltig­e und solidarisc­h-europäisch­e Politik zur Folge haben«, forderte die Sprecherin der LINKEN im Europaparl­ament, Cornelia Ernst. »Sollte sich hingegen die neoliberal­e Politik in ihrer Abkehr von der Verantwort­ung für das Allgemeinw­ohl bestätigt sehen wäre Ruttes Verlust-Sieg lediglich ein Pyrrhussie­g«, so Ernst.

Aus der Türkei, mit der sich der niederländ­ische Premier Rutte am Wochenende einen Schlagabta­usch über die Auftritte von türkischen Politikern geliefert hatte, kamen erneut schrille Töne. Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu sagte: »Zwischen den Sozialdemo­kraten und dem Faschisten (Geert) Wilders besteht überhaupt kein Unterschie­d, alle denken gleich.« Cavusoglu kündigte zudem weitere Schritte gegen die Niederland­e an.

Rechtspopu­listische Parteien wie die österreich­ische FPÖ sahen sich durch das Wahlergebn­is in ihrem europakrit­ischen Kurs bestätigt. Die etablierte­n Parteien hätten deutlich an Stimmen verloren, sagte FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky. AfDChefin Frauke Petry hätte sich indessen ein besseres Ergebnis für Wilders gewünscht.

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