G20 redet über ihren Rohstoffhunger
Die Bundesregierung lässt die Gruppe der 20 wichtigsten Wirtschaftsmächte über Ressourceneffizienz beraten
Die deutsche G20-Präsidentschaft setzt einen Schwerpunkt auf Umweltthemen. Mit einer Konferenz in Berlin wurde nun eine Initiative für mehr Ressourceneffizienz gestartet.
Mit einer »Partnerschaft für Ressourceneffizienz« wollen die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer die Rohstoffverschwendung begrenzen. Umweltschützern ist das zu wenig. Es sind noch etwa fünf Monate, dann schreibt die Menschheit wieder rote Zahlen. Zumindest im vergangenen Jahr war es ein Tag Anfang August, an dem sämtliche Ressourcen wie Wasser, Kupfer, Sand oder CO2-Speicherfähigkeit verbraucht waren, die die Erde noch hätte reproduzieren können – und danach ging es natürlich munter weiter. Gemeint ist, dass die Erde vom Menschen abgebaute Rohstoffe bis zu einem bestimmten Grad nachwachsen lassen und auch die Verschmutzung kompensieren kann, aber eben nicht endlos. Zurzeit verbraucht die Menschheit rechnerisch 1,6 Erden – langfristig mündet das in eine ökologische Mangelwirtschaft.
Die Bundesregierung nutzt ihre G20-Präsidentschaft, um in der Gruppe der 20 mächtigsten Wirtschaftsnationen über das Thema reden zu lassen. Diese sind schließlich für einen Großteil des Problems ver- antwortlich. Ein Beispiel: Würden alle so leben wie die Europäer, bräuchte die Menschheit sogar drei Erden. Deutschlands Antwort darauf heißt Ressourceneffizienz: »Bisher reden die G20 vor allem über Finanzen – dass wir jetzt Ressourcen, Klima und Umwelt ins Spiel bringen wollen, ist durchaus Neuland«, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Donnerstag in Berlin, wo sich Regierungsvertreter der G20-Länder zu einer Konferenz im Vorfeld des Gipfels im Juli trafen.
Hendricks rief bei dieser Gelegenheit eine »G20-Partnerschaft für Ressourceneffizienz« ins Leben. Das bedeutet erst einmal nicht viel. Es heißt lediglich, dass sich Vertreter der Staaten regelmäßig mit Interessengruppen wie Wirtschaftsverbänden treffen und sich über gut funktionierende Beispiele für eine sparsamere Ressourcennutzung austauschen – alles unverbindlich.
In den vergangenen Jahrzehnten ist der Rohstoffverbrauch der Welt stetig gewachsen. »Wir verbrauchen jetzt doppelt so viel wie vor 30 Jahren und zehnmal so viel wie zum Anfang des vergangenen Jahrhunderts«, sagte Hendricks. »Wenn wir nicht gegensteuern, könnte sich der Rohstoffabbau bis 2050 noch verdoppeln.«
Das ist das Ergebnis eines neuen Berichts des Weltressourcenrats des UN-Umweltprogramms (UNEP), der auf der G20-Konferenz vorgestellt wurde. Die prognostizierte Entwicklung wäre katastrophal – muss aber nicht passieren, glauben die UN-Experten. Man könne, so schreiben sie, Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch ja entkoppeln. Die Wirtschaft könne also weiterwachsen und 2050 trotzdem 28 Prozent weniger Naturgüter verbrauchen als jetzt, so das optimistischste Szenario des Berichts. So könnte etwa durch Recycling aus vorherigem Abfall neuer Geldwert entstehen – während gleichzeitig weniger neue Rohstoffe gewonnen werden müssen. Zwei Billionen US-Dollar könne das der Weltwirtschaft jährlich einbrin- gen, heißt es beim Weltressourcenrat.
UNEP-Chef Erik Solheim sprach von einer »Win-win-Situation«: »Indem wir die natürlichen Geschenke unseres Planeten besser nutzen, führen wir der Wirtschaft Geld zu, mit dem sie Arbeitsplätze schaffen und Einkommen verbessern kann«, sagte Solheim. Mit einem Teil des Geldes könne man zudem den nötigen Klimaschutz finanzieren, so der Norweger.
Umweltschützer warnen hingegen davor, dass diese Debatte vom eigentlichen Umweltschutz ablenken könnte: »Ressourceneffizienz ist nicht das A und O«, sagte Rolf Buschmann vom Umweltverband BUND gegenüber »nd«. »Sie bedeutet schließlich erst mal nur, dass man mehr aus einer Rohstoffmenge macht – nicht zwangsläufig, dass diese kleiner wird.« Genau das sei aber notwendig: »Wir brauchen nicht nur Effizienz, sondern vor allem auch Suffizienz«, meinte er. Sprich: Der Rohstoffverbrauch muss auf das Nötigste begrenzt werden.
Dass ein ausschließlicher Fokus auf Effizienz und Recycling sogar gefährlich sein kann, zeige die Erfahrung, so Buschmann. »Wir haben bessere Autos gebaut – jetzt fahren wir mehr. Wir haben tolles Recyclingpapier – und drucken mehr«, sagte er. Was er anspricht, trägt in Fachkreisen den Namen Rebound-Effekt. Dieser beschreibt, was auf den ersten Blick paradox erscheint: dass Effizienzgewinne am Ende sogar zu einem höheren Energieverbrauch führen können. Wenn sie nämlich auf verschiedenen Wegen die Nachfrage ankurbeln: Ein Gerät mit geringerem Stromverbrauch bei gleicher Leistung wird häufiger genutzt, ein weniger spritdurstiges Auto häufiger gefahren. Im Bereich Energie gehen Fachleute davon aus, dass Rebound-Effekte im Schnitt etwa 25 Prozent der Einsparung wieder »auffressen«. Es könnten aber auch mehr sein – messen lässt sich der Effekt schwer.
Möglicherweise werden Hendricks bei diesem allerdings die Hände von der Großen Koalition gebunden. Sie persönlich glaubt offenbar wie viele Umweltschützer, dass Umwelt- und Klimaschutz auch der Verhaltensänderung bedürfen – gerade erst hat sie fleischliches Catering aus dem Umweltministerium verbannt. »Ich sage das jetzt nicht als Vorschlag, dann werde ich ja wieder aufgespießt, aber eigentlich dürfte es SUVs nur für Bauern und Jäger geben«, so die Umweltministerin.
»Wenn wir nicht gegensteuern, könnte sich der Rohstoffabbau bis 2050 noch verdoppeln.« Barbara Hendricks (SPD), Umweltministerin