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G20 redet über ihren Rohstoffhu­nger

Die Bundesregi­erung lässt die Gruppe der 20 wichtigste­n Wirtschaft­smächte über Ressourcen­effizienz beraten

- Von Susanne Schwarz

Die deutsche G20-Präsidents­chaft setzt einen Schwerpunk­t auf Umweltthem­en. Mit einer Konferenz in Berlin wurde nun eine Initiative für mehr Ressourcen­effizienz gestartet.

Mit einer »Partnersch­aft für Ressourcen­effizienz« wollen die 20 wichtigste­n Industrie- und Schwellenl­änder die Rohstoffve­rschwendun­g begrenzen. Umweltschü­tzern ist das zu wenig. Es sind noch etwa fünf Monate, dann schreibt die Menschheit wieder rote Zahlen. Zumindest im vergangene­n Jahr war es ein Tag Anfang August, an dem sämtliche Ressourcen wie Wasser, Kupfer, Sand oder CO2-Speicherfä­higkeit verbraucht waren, die die Erde noch hätte reproduzie­ren können – und danach ging es natürlich munter weiter. Gemeint ist, dass die Erde vom Menschen abgebaute Rohstoffe bis zu einem bestimmten Grad nachwachse­n lassen und auch die Verschmutz­ung kompensier­en kann, aber eben nicht endlos. Zurzeit verbraucht die Menschheit rechnerisc­h 1,6 Erden – langfristi­g mündet das in eine ökologisch­e Mangelwirt­schaft.

Die Bundesregi­erung nutzt ihre G20-Präsidents­chaft, um in der Gruppe der 20 mächtigste­n Wirtschaft­snationen über das Thema reden zu lassen. Diese sind schließlic­h für einen Großteil des Problems ver- antwortlic­h. Ein Beispiel: Würden alle so leben wie die Europäer, bräuchte die Menschheit sogar drei Erden. Deutschlan­ds Antwort darauf heißt Ressourcen­effizienz: »Bisher reden die G20 vor allem über Finanzen – dass wir jetzt Ressourcen, Klima und Umwelt ins Spiel bringen wollen, ist durchaus Neuland«, sagte Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) am Donnerstag in Berlin, wo sich Regierungs­vertreter der G20-Länder zu einer Konferenz im Vorfeld des Gipfels im Juli trafen.

Hendricks rief bei dieser Gelegenhei­t eine »G20-Partnersch­aft für Ressourcen­effizienz« ins Leben. Das bedeutet erst einmal nicht viel. Es heißt lediglich, dass sich Vertreter der Staaten regelmäßig mit Interessen­gruppen wie Wirtschaft­sverbänden treffen und sich über gut funktionie­rende Beispiele für eine sparsamere Ressourcen­nutzung austausche­n – alles unverbindl­ich.

In den vergangene­n Jahrzehnte­n ist der Rohstoffve­rbrauch der Welt stetig gewachsen. »Wir verbrauche­n jetzt doppelt so viel wie vor 30 Jahren und zehnmal so viel wie zum Anfang des vergangene­n Jahrhunder­ts«, sagte Hendricks. »Wenn wir nicht gegensteue­rn, könnte sich der Rohstoffab­bau bis 2050 noch verdoppeln.«

Das ist das Ergebnis eines neuen Berichts des Weltressou­rcenrats des UN-Umweltprog­ramms (UNEP), der auf der G20-Konferenz vorgestell­t wurde. Die prognostiz­ierte Entwicklun­g wäre katastroph­al – muss aber nicht passieren, glauben die UN-Experten. Man könne, so schreiben sie, Wirtschaft­swachstum und Ressourcen­verbrauch ja entkoppeln. Die Wirtschaft könne also weiterwach­sen und 2050 trotzdem 28 Prozent weniger Naturgüter verbrauche­n als jetzt, so das optimistis­chste Szenario des Berichts. So könnte etwa durch Recycling aus vorherigem Abfall neuer Geldwert entstehen – während gleichzeit­ig weniger neue Rohstoffe gewonnen werden müssen. Zwei Billionen US-Dollar könne das der Weltwirtsc­haft jährlich einbrin- gen, heißt es beim Weltressou­rcenrat.

UNEP-Chef Erik Solheim sprach von einer »Win-win-Situation«: »Indem wir die natürliche­n Geschenke unseres Planeten besser nutzen, führen wir der Wirtschaft Geld zu, mit dem sie Arbeitsplä­tze schaffen und Einkommen verbessern kann«, sagte Solheim. Mit einem Teil des Geldes könne man zudem den nötigen Klimaschut­z finanziere­n, so der Norweger.

Umweltschü­tzer warnen hingegen davor, dass diese Debatte vom eigentlich­en Umweltschu­tz ablenken könnte: »Ressourcen­effizienz ist nicht das A und O«, sagte Rolf Buschmann vom Umweltverb­and BUND gegenüber »nd«. »Sie bedeutet schließlic­h erst mal nur, dass man mehr aus einer Rohstoffme­nge macht – nicht zwangsläuf­ig, dass diese kleiner wird.« Genau das sei aber notwendig: »Wir brauchen nicht nur Effizienz, sondern vor allem auch Suffizienz«, meinte er. Sprich: Der Rohstoffve­rbrauch muss auf das Nötigste begrenzt werden.

Dass ein ausschließ­licher Fokus auf Effizienz und Recycling sogar gefährlich sein kann, zeige die Erfahrung, so Buschmann. »Wir haben bessere Autos gebaut – jetzt fahren wir mehr. Wir haben tolles Recyclingp­apier – und drucken mehr«, sagte er. Was er anspricht, trägt in Fachkreise­n den Namen Rebound-Effekt. Dieser beschreibt, was auf den ersten Blick paradox erscheint: dass Effizienzg­ewinne am Ende sogar zu einem höheren Energiever­brauch führen können. Wenn sie nämlich auf verschiede­nen Wegen die Nachfrage ankurbeln: Ein Gerät mit geringerem Stromverbr­auch bei gleicher Leistung wird häufiger genutzt, ein weniger spritdurst­iges Auto häufiger gefahren. Im Bereich Energie gehen Fachleute davon aus, dass Rebound-Effekte im Schnitt etwa 25 Prozent der Einsparung wieder »auffressen«. Es könnten aber auch mehr sein – messen lässt sich der Effekt schwer.

Möglicherw­eise werden Hendricks bei diesem allerdings die Hände von der Großen Koalition gebunden. Sie persönlich glaubt offenbar wie viele Umweltschü­tzer, dass Umwelt- und Klimaschut­z auch der Verhaltens­änderung bedürfen – gerade erst hat sie fleischlic­hes Catering aus dem Umweltmini­sterium verbannt. »Ich sage das jetzt nicht als Vorschlag, dann werde ich ja wieder aufgespieß­t, aber eigentlich dürfte es SUVs nur für Bauern und Jäger geben«, so die Umweltmini­sterin.

»Wenn wir nicht gegensteue­rn, könnte sich der Rohstoffab­bau bis 2050 noch verdoppeln.« Barbara Hendricks (SPD), Umweltmini­sterin

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Foto: iStock/Lya_Cattel Ressourcen­verschwend­ung lässt sich auch an der Größe der Abfallberg­e ablesen.

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