Donbass-Blockade ist offiziell
Kiews Beschluss bringt der Ukraine Energieprobleme und vertieft die Spaltung des Landes
Der ukrainische Sicherheitsrat hat die Warenblockade der besetzten Gebiete im Donbass beschlossen. Das gefährdet den Minsker Prozess – und macht die Reintegration der Region noch schwieriger. Als der ukrainische Sicherheitsrat die komplette Transportblockade für Waren aus den abtrünnigen Gebieten des Donbass am Mittwoch verkündete, war die Überraschung im politischen Kiew groß. Die Regierung hatte seit Beginn der von proukrainischen Aktivisten angeführten Donbass-Blockade behauptet, die Blockade füge der eigenen Wirtschaft großen Schaden zu. Noch am Montag kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Aktivisten an einem der Checkpoints, als die Polizisten ihn zu räumen versuchten.
»Das begreift doch keiner«, schrieb unter anderem Rada-Abgeordneter und Ex-Journalist Mustafa Najem auf seiner Facebook-Seite. »Erst nennen sie die Aktivisten ›Agenten des Kremls‹, dann wird mit Gewalt vorgegangen. Und am Ende beschließt man, die Blockade sei eigentlich gut – aber nur nach einer Entscheidung des Sicherheitsrates.« Eine Strategie steckt hinter den Handlungen des Präsidenten Petro Poroschenko in diesem Falle offensichtlich nicht.
Ein Grund für den radikalen Schwenk der Kiewer Regierung gegenüber der Donbass-Blockade ist wohl, dass viele Kräfte des sogenannten Maidan-Spektrums die Forderun- gen der Aktivisten unterstützt haben. Dazu zählen Parteien wie Selbsthilfe des Lviver Bürgermeisters Andrij Sadowyj Ukrop, des Oligarchen Ihor Kolomojskyj oder auch Vaterland von Julia Timoschenko. Ebenfalls ein Parteigänger der Blockierer ist der georgische Ex-Präsident und ehemalige Gouverneur des Gebietes Odessa, Michail Saakaschwili, der den Präsidenten zuletzt heftig angriff. Dass die »patriotischen« Parteien sich gegen Poroschenko vereint haben, sollte ausschlaggebend für dessen Entscheidung sein. Die Angst vor einem bewaffneten Protest ist in der Präsidialverwaltung nicht eben gering.
Die Aussetzung der Donbass-Blockade ist in der Entscheidung des Sicherheitsrates mit zwei Bedingungen verknüpft. Zum einen müssen die Punkte 1 und 2 der Minsker Vereinbarung, also Waffenstillstand und Abzug schwerer Waffen, erfüllt werden. Zum anderen müssen die ukra- inischen Unternehmen, die in den selbst ernannten Volksrepubliken verstaatlicht werden, an die früheren Besitzer zurückgegeben werden. Beides ist aufgrund der aktuellen Entwicklungen zunächst nicht realistisch. So sieht es danach aus, dass die offizielle Bekräftigung der Blockade vor allem die Trennung der Ukraine von den abtrünnigen Gebieten des Donbass verstärken wird.
Für Kiew selbst schafft die Entscheidung des Sicherheitsrates in erster Linie dauerhafte Probleme im Energiebereich. Nun ist klar, dass die Ukraine in der nächsten Zeit keine Kohle mehr direkt aus dem Donbass einkaufen kann – das Energiesystem des Landes ist jedoch besonders auf genau diese Anthrazitkohle aus der Region angewiesen. »Die Ukraine wird die gleiche Kohle am freien Markt kaufen, wo sie deutlich teurer ist«, prognostiziert Wirtschaftsexperte Olexander Ochrimenko. »Am Ende werden die kommunalen Tarife wieder steigen – und die Ukraine wird bis zu vier Milliarden US-Dollar verlieren.«
Innen- und außenpolitisch wird die Entscheidung für die Blockade in jedem Falle große Folgen haben. Die Krise im ukrainischen Parlament, in dem die Regierungskoalition seit langem faktisch nicht mehr besteht, wird immer deutlicher. Eine solche verstärkte politische Auseinandersetzung wird als ein Zeichen gesehen, dass vorgezogene Parlamentswahlen drohen. Außerdem ist die überraschende Entscheidung Kiews, die Blockade ab jetzt offiziell durchzuführen, kein gutes Zeichen für den gesamten Minsker Prozess. Nicht nur Moskau, sondern auch Berlin und Paris zeigten ihr Unverständnis für die Position der ukrainischen Regierung. Pläne, den Donbass in die Ukraine zu reintegrieren, sind durch die Blockade ebenfalls gefährdet.