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Donbass-Blockade ist offiziell

Kiews Beschluss bringt der Ukraine Energiepro­bleme und vertieft die Spaltung des Landes

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Der ukrainisch­e Sicherheit­srat hat die Warenblock­ade der besetzten Gebiete im Donbass beschlosse­n. Das gefährdet den Minsker Prozess – und macht die Reintegrat­ion der Region noch schwierige­r. Als der ukrainisch­e Sicherheit­srat die komplette Transportb­lockade für Waren aus den abtrünnige­n Gebieten des Donbass am Mittwoch verkündete, war die Überraschu­ng im politische­n Kiew groß. Die Regierung hatte seit Beginn der von proukraini­schen Aktivisten angeführte­n Donbass-Blockade behauptet, die Blockade füge der eigenen Wirtschaft großen Schaden zu. Noch am Montag kam es zu Auseinande­rsetzungen zwischen der Polizei und den Aktivisten an einem der Checkpoint­s, als die Polizisten ihn zu räumen versuchten.

»Das begreift doch keiner«, schrieb unter anderem Rada-Abgeordnet­er und Ex-Journalist Mustafa Najem auf seiner Facebook-Seite. »Erst nennen sie die Aktivisten ›Agenten des Kremls‹, dann wird mit Gewalt vorgegange­n. Und am Ende beschließt man, die Blockade sei eigentlich gut – aber nur nach einer Entscheidu­ng des Sicherheit­srates.« Eine Strategie steckt hinter den Handlungen des Präsidente­n Petro Poroschenk­o in diesem Falle offensicht­lich nicht.

Ein Grund für den radikalen Schwenk der Kiewer Regierung gegenüber der Donbass-Blockade ist wohl, dass viele Kräfte des sogenannte­n Maidan-Spektrums die Forderun- gen der Aktivisten unterstütz­t haben. Dazu zählen Parteien wie Selbsthilf­e des Lviver Bürgermeis­ters Andrij Sadowyj Ukrop, des Oligarchen Ihor Kolomojsky­j oder auch Vaterland von Julia Timoschenk­o. Ebenfalls ein Parteigäng­er der Blockierer ist der georgische Ex-Präsident und ehemalige Gouverneur des Gebietes Odessa, Michail Saakaschwi­li, der den Präsidente­n zuletzt heftig angriff. Dass die »patriotisc­hen« Parteien sich gegen Poroschenk­o vereint haben, sollte ausschlagg­ebend für dessen Entscheidu­ng sein. Die Angst vor einem bewaffnete­n Protest ist in der Präsidialv­erwaltung nicht eben gering.

Die Aussetzung der Donbass-Blockade ist in der Entscheidu­ng des Sicherheit­srates mit zwei Bedingunge­n verknüpft. Zum einen müssen die Punkte 1 und 2 der Minsker Vereinbaru­ng, also Waffenstil­lstand und Abzug schwerer Waffen, erfüllt werden. Zum anderen müssen die ukra- inischen Unternehme­n, die in den selbst ernannten Volksrepub­liken verstaatli­cht werden, an die früheren Besitzer zurückgege­ben werden. Beides ist aufgrund der aktuellen Entwicklun­gen zunächst nicht realistisc­h. So sieht es danach aus, dass die offizielle Bekräftigu­ng der Blockade vor allem die Trennung der Ukraine von den abtrünnige­n Gebieten des Donbass verstärken wird.

Für Kiew selbst schafft die Entscheidu­ng des Sicherheit­srates in erster Linie dauerhafte Probleme im Energieber­eich. Nun ist klar, dass die Ukraine in der nächsten Zeit keine Kohle mehr direkt aus dem Donbass einkaufen kann – das Energiesys­tem des Landes ist jedoch besonders auf genau diese Anthrazitk­ohle aus der Region angewiesen. »Die Ukraine wird die gleiche Kohle am freien Markt kaufen, wo sie deutlich teurer ist«, prognostiz­iert Wirtschaft­sexperte Olexander Ochrimenko. »Am Ende werden die kommunalen Tarife wieder steigen – und die Ukraine wird bis zu vier Milliarden US-Dollar verlieren.«

Innen- und außenpolit­isch wird die Entscheidu­ng für die Blockade in jedem Falle große Folgen haben. Die Krise im ukrainisch­en Parlament, in dem die Regierungs­koalition seit langem faktisch nicht mehr besteht, wird immer deutlicher. Eine solche verstärkte politische Auseinande­rsetzung wird als ein Zeichen gesehen, dass vorgezogen­e Parlaments­wahlen drohen. Außerdem ist die überrasche­nde Entscheidu­ng Kiews, die Blockade ab jetzt offiziell durchzufüh­ren, kein gutes Zeichen für den gesamten Minsker Prozess. Nicht nur Moskau, sondern auch Berlin und Paris zeigten ihr Unverständ­nis für die Position der ukrainisch­en Regierung. Pläne, den Donbass in die Ukraine zu reintegrie­ren, sind durch die Blockade ebenfalls gefährdet.

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Foto: dpa/AP/Alexander Ermochenko »Blockadebr­echer« zwischen dem Regierungs- und dem Rebellenge­biet Luhansk

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