Rassistische Gewalttaten nehmen zu
Opferberatungsstelle ReachOut zählt in ihrem aktuellen Bericht 380 diskriminierend motivierte Angriffe für 2016
Mindestens 553 Menschen wurden 2016 durch diskriminierende Gewalt in Berlin verletzt. Ein Plus von 20 Prozent zum Vorjahr. ReachOut fordert eine konsequentere Verurteilung durch die Politik. Die Zahl extrem rechter, rassistischer, antisemitischer und homophober Gewalttaten hat in Berlin im vergangenen Jahr zugenommen. Das geht aus dem jüngsten Bericht der Opferberatungsstelle ReachOut hervor, der am Donnerstag vorgestellt wurde. Demnach kam es 2016 stadtweit zu insgesamt 380 Angriffen. Dabei wurden dem Bericht zufolge mindestens 553 Menschen verletzt, gejagt oder bedroht. Darunter waren 45 Kinder. In einem Fall handelte es sich um Körperverletzung mit Todesfolge. »Die Angriffszahlen steigen weiter und erreichen ein erschreckendes Niveau. Bei der überwiegenden Mehrheit der Übergriffe steht als Tatmotiv Rassismus im Vordergrund«, erklärte Sabine Seyb von ReachOut. Mindestens 233 Taten waren demnach eindeutig rassistisch motiviert. 31 Angriffe hatten ein antisemitisches Motiv, dabei wurden Bedrohungen im Internet mitgezählt.
Die aktuellen Zahlen bedeuten einen Anstieg von rund 20 Prozent diskriminierend motivierter Attacken im Vergleich zum Vorjahr. 2015 verzeichnete ReachOut 320 Übergriffe mit 412 geschädigten Personen. Die Zahl der Gewalttaten im Umfeld von Geflüchtetenunterkünften bleibt auf hohem Niveau. 41 Angriffe zählte ReachOut im vergangenen Jahr. Insbesondere vor der Unterkunft am Glambecker Ring in Marzahn kommt es immer wieder zu Angriffen und Bedrohungen von Geflüchteten. Besorgniserregend ist auch der Anstieg homophober Übergriffe. Die insgesamt 70 derartig motivierten Attacken bedeuten ein Plus von fast 30 Gewalttaten im Vergleich zu 2015.
»Die LGBTI-feindlichen Angriffe geschehen meistens nachts, haupt- sächlich in Kreuzberg, Neukölln, Mitte und Tiergarten«, erläuterte Seyb. Dieser Umstand sei insbesondere deswegen auffällig, da diese Stadteile in innerstädtischen Bezirken lägen, in denen es Treffpunkte und Partymöglichkeiten gebe und die Betroffenen eigentlich davon ausgingen, sich frei bewegen zu können, so Seyb.
Mitte ist mit 68 dokumentierten Übergriffen der Bezirk, in dem stadtweit am meisten Angriffe verzeichnet werden. Weitere Angriffsschwer- punkte liegen in Neukölln mit 38 und in Marzahn mit 32 Attacken. Die wenigsten Gewalttaten wurden in den Ortsteilen Zehlendorf mit vier und in Weißensee mit drei gezählt.
ReachOut stützt sich bei der Erstellung seiner Statistiken auf Medienberichte, Polizeimeldungen und die Register, die inzwischen in allen zwölf Bezirken diskriminierende Vorfälle aller Art dokumentieren. Die Vorfälle werden von Bürgern bei den verschiedenen Anlaufstellen gemeldet und an die bezirklichen Koordinierungsstellen der Register weitergeleitet. Dort werden sie dann gesammelt, ausgewertet und veröffentlicht. Damit werden auch Taten erfasst, die von den Geschädigten nicht zur Anzeige gebracht wurden. ReachOut bündelt die Meldungen aus den Bezirksregistern und fasst sie zusammen.
Trotz der Zunahme der rassistischen Gewalttaten hat die Opferberatungsstelle auch Positives zu berichten: So sei die Bereitschaft von Umstehenden, bei Angriffen einzugreifen oder die Polizei zu rufen, insgesamt größer geworden. Zudem sei die Zahl von Übergriffen aus der rechten Szene auf politische Gegner im vergangenen Jahr gesunken. In Neukölln, wo gut organisierte Neonazigruppen ihr Unwesen treiben, hat die Polizei eine Sonderermittlungsgruppe eingesetzt.
»Ein Zeichen in die richtige Richtung wäre es, auch in Berlin eine weitreichende Bleiberechtsregelung für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt einzuführen«, forderte Seyb. Sie wünsche sich zudem eine konsequentere Verurteilung rechter Gewalt durch die Politik in Berlin.
»Die Angriffszahlen steigen weiter und erreichen ein erschreckendes Niveau.« Sabine Seyb, Reach Out