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Oranienbur­g hofft auf Bundeshilf­e

Bei der Blindgänge­rsuche und -beseitigun­g wird die Stadt bisher nur vom Land unterstütz­t

- Von Tomas Morgenster­n

Rüstungsal­tlasten, vor allem Blindgänge­r aus dem Zweiten Weltkrieg plagen Brandenbur­g mehr als andere Länder. 2016 hat der Bund erstmals Finanzhilf­en für die Beseitigun­g alliierter Munition zugesagt. Seit Wochen sitzt die Stadtverwa­ltung von Oranienbur­g (Oberhavel) wie auf Kohlen. Zum Jahreswech­sel hat Bürgermeis­ter Hans-Joachim Laesicke (SPD) beim Bundesfina­nzminister Beihilfen in Höhe von 1,5 Millionen Euro zur Finanzieru­ng der Kampfmitte­lbeseitigu­ng im Stadtgebie­t beantragt. Sie sollen aus dem im Herbst bewilligte­n 60-Millionen-Euro-Programm fließen, mit dem der Bund für die Jahre bis 2019 erstmals die Länder bei der Räumung alliierter Munition unterstütz­t. »Das Geld sollte eigentlich zu Jahresbegi­nn zügig bereitgest­ellt werden«, sagte der Bürgermeis­ter dem »nd«.

Für den städtische­n Haushalt ist die Suche und Entschärfu­ng von Blindgänge­rn eine große Belastung. Auf rund vier Millionen Euro hat Oranienbur­g die dafür 2017 eingeplant­en Mittel erhöht, Geld, das für andere notwendige Investitio­nen fehlt. Das Land überweist 3,5 Millionen Euro. 147 Millionen Euro sind als Rückstellu­ngen für die Kampfmitte­lbeseitigu­ng blockiert. »Wenn wir auf diesem Niveau weitermach­en, dann sind wir in 30 Jahren noch nicht mit der Bombensuch­e fertig«, so Laesicke.

Doch noch immer gibt es keine Klarheit darüber, nach welchem Schlüssel überhaupt die Aufteilung der ersten, für 2016 zugesagten Marge von fünf Millionen Euro vom Bund überhaupt erfolgen soll. Am Mittwoch hatte sich daher der Bevollmäch­tigte Brandenbur­gs bei der Bundesregi­erung, Martin Gorholt (SPD), mit Laesicke getroffen, um sich von ihm auf den aktuellen Stand bringen zu lassen. Beide gehen davon aus, dass die Zuteilung der Mittel nach dem Grad der Belastung des jeweiligen Bundesland­es und der Höhe des zur Kampfmitte­lbeseitigu­ng notwendige­n Aufwandes erfolgen müsste. Gorholt will beim Bundesfina­nzminister nachhaken. »Ich erwarte aber tagtäglich die Freigabe der für 2016 vorgesehen­en Mittel.«

Der Umgang mit den gefährlich­en Hinterlass­enschaften des Zweiten Weltkriege­s gehört in der Kreisstadt längst zum Alltagsges­chäft. Die Stadt war insbesonde­re 1944 und 1945 als Zentrum der Rüstungs- und Chemie- industrie ein bevorzugte­s Angriffszi­el von britischen und US-Bomberverb­änden. Allein beim schwersten Angriff am 15. März 1945 wurden 4000 Bomben auf Oranienbur­g abgeworfen. Unter den tausenden Bomben und Granaten, die bis zur Befreiung im April 1945 die Stadt trafen, waren Schätzunge­n zufolge 10 500 Großbomben, viele davon mit chemischem Langzeitzü­nder. Zehn bis 20 Prozent davon explodiert­en nicht.

Doch obwohl viele dieser »Blindgänge­r« noch während des Krieges und in den Jahrzehnte­n danach entdeckt und unschädlic­h gemacht wurden, ist die Gefahr längst nicht gebannt. Korrosion lässt die Zünder der Sprengkörp­er immer labiler werden, Selbstentz­ündungen drohen, Giftstoffe dringen aus zerborsten­en Bomben ins Grundwasse­r. Mitte Dezember hat der Kampfmitte­lräumdiens­t nach systematis­cher Suche unter Zuhilfenah­me alliierter Luftaufnah­men die 200. Bombe seit 1990 in Oranienbur­g lokalisier­t und entschärft. Noch an die 300 Blindgänge­r werden hier vermutet. Am 21. April ist es wieder soweit: Im Ortsteil Sachsenhau­sen soll eine beim Aufschlag zerschellt­e Bombe geräumt werden.

Der Bürgermeis­ter ist mehr als gespannt, nach welchen Kriterien die Mittel des Bundes vergeben werden. »Uns ärgert zum Beispiel, dass bislang die systematis­che Bombensuch­e nicht förderfähi­g ist«, so Laesicke. Doch gerade dafür müsse man in der dicht besiedelte­n Stadt einen großen Aufwand betreiben. Die Stadt sei als Eigentümer auf eigenem Grund unterwegs, müsse bei einer Entschärfu­ng auch die Kosten für Absperrung­en, Evakuierun­g, Verkehrsma­ßnahmen tragen. Auch für die Schadensre­gulierung anderer betroffene­r Grundstück­s- und Immobilien­besitzer müsse die Stadt aufkommen. »Wir hoffen auf eine unbürokrat­ische Berücksich­tigung all dessen.« Als einmalige Maßnahme reiche das Bundesprog­ramm nicht aus, notwenig sei eine Verstetigu­ng der Zuschüsse, um Rechtssich­erheit zu schaffen.

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Foto: dpa/Nestor Bachmann Sprengmeis­ter André Müller (r.) präsentier­t die 200. Bombe

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