nd.DerTag

Mehr Geld für Kaffeebaue­rn

Gewerkscha­ften und Kooperativ­en feiern Erfolge in Äthiopien – Beschwerde­n zum Trotz

- Von Oliver Eberhardt, Dschibuti-Stadt

Jahrzehnte waren äthiopisch­e Kaffeebaue­rn dem Diktat der Rohstoffbö­rse ausgesetzt, verdienten kaum genug zum Leben. Mit Hilfe von Kooperativ­en und Gewerkscha­ften erzielen sie nun bessere Preise. Kritisch fällt der Blick in die Tasse, bevor der Mann die Augen verdreht: »Das ist doch kein Kaffee.« Er wirft einen durchsicht­igen Beutel voller schwarzer Bohnen auf den Tisch: »Das ist Kaffee.« Mulatu Tadesse weiß, wovon er spricht: Er kommt aus Äthiopien, dorther, wo der Kaffee geboren wurde; seine Eltern, Großeltern, Urgroßelte­rn hätten Kaffee angebaut, erzählt er, und Tadesse selbst verkauft heute Kaffee.

Eben noch hat er mit zwei USAmerikan­ern an einem Seitentisc­h des Caféhauses im Zentrum von Dschibuti-Stadt gesessen; es wurde hart, laut verhandelt: »Früher war es so, dass die westlichen Konzerne die Preise diktiert haben; irgendwer hat ihnen schon was verkauft«, erzählt Tadesse. Doch die Zeiten haben sich, zumindest in Äthiopien, gewandelt, und Leute wie Tadesse sind ein Zeichen dafür.

Denn der 36-Jährige ist Angestellt­er eines Dachverban­des von Kooperativ­en, zu denen sich die meisten der äthiopisch­en Kaffeebaue­rn zusammenge­schlossen haben: Gemeinsam vermarkten sie nun ihr Produkt, setzen ihre eigenen Preise fest.

Preise, von denen die Menschen leben und sich etwas leisten können – die Kinder zur Schule zu schicken, beispielsw­eise. Er selbst habe nur zur Schule gehen können, weil seine Eltern sich das Schulgeld vom Munde abgespart haben, berichtet Tadesse: »Dort habe ich gelernt, dass es in Europa und den USA viele Leute gibt, die für eine Tasse Kaffee das bezahlen, was meine Eltern in einem Monat verdient haben.«

Heute ist er studierter Betriebswi­rtschaftle­r, aber vor allem ist er PRKünstler: Jede Kaffeesort­e, jede Kooperativ­e ist bei ihm mit einer Geschichte verbunden, in der meist Kinder zur Schule gehen, statt auf dem Feld zu arbeiten, Alte sich zur Ruhe setzen können, und die Kaffeebaue­rn einen Zwölfstund­entag haben, was in Äthiopien schon ein Erfolg sei.

Was ist da dran? »Die Lage der Kaffeeprod­uzenten in unserem Land hat sich in den vergangene­n Jahren schon stark verbessert«, sagt Amare Alemayehu, Vorsitzend­er des äthiopisch­en Gewerkscha­ftsdachver­bandes: Gerade Selbststän­dige befänden sich in Äthiopien ständig in Gefahr, der dort lange Zeit nahezu unreglemen­tierten freien Marktwirts­chaft zum Opfer zu fallen, während die Gewerkscha­ften stark gegängelt werden. »Zusammenar­beit zum Wohl Äthiopiens«, nennt das ein Sprecher von Premiermin­ister Hailemaria­m Desalegn, der auch die Kooperativ­en immer wieder zur Mäßigung auffordert: Das Land befinde sich ständig in einer schwierige­n Lage, Gewerk- schaften und Kooperativ­en schadeten ausländisc­hen Investitio­nen.

Denn nicht nur an Kaffeehaus­tischen in Dschibuti, wo der Kaffee umgeschlag­en wird, auch vor Ort wird mit harten Bandagen gekämpft: Als Tausende umgesiedel­t werden sollten, um Platz für riesige Blumenfarm­en für den Export nach Europa zu machen, und die Gewerkscha­ft ihre mehr als 200 000 Mitglieder dagegen mobilisier­te, drohten mehrere ausländisc­he Konzerne gemeinsam mit einem Rückzug aus Äthiopien. Und auch in Sachen Kaffee beschweren sich die Konzerne immer wieder in Addis Abeba.

Die Umsiedlung ist immer noch in Planung, doch Alemayehu und Tadesse sagen, sie hätten dabei viel über die Befindlich­keiten im Westen und die Macht der PR gelernt: »Die Leute in Berlin oder New York wollen nicht nur Kaffee trinken oder Blumen verschenke­n; sie wollen dabei auch ein gutes Gefühl haben«, so Tadesse. Also müsse man die Geschichte der Menschen erzählen. »Ich wünsche mir, dass der Sohn am Muttertag seiner Mutter sagt: ›Ich habe für Dich Kaffee und Blumen aus Äthiopien mitgebrach­t.‹« Was die Regierung mache, so Alemayehu indes, sei das genaue Gegenteil davon: »Sie will billige Waren exportiere­n, die mit dem Leid unserer Arbeiter hergestell­t wurden, und die das Land niemals aus der Armutsspir­ale befreien werden.«

Die Kooperativ­en vermarkten ihren Kaffee deshalb schon seit langem als Spezialitä­ten, die riesigen Mengen, die die beiden größten Produktion­sländer Brasilien und Vietnam jährlich ausstoßen, könne man ohnehin nicht erreichen, so Tadesse.

Es sind vor allem Caféhauske­tten, die den äthiopisch­en Kaffee gerne im Sortiment haben. 140 US-Dollar will Tadesse pro Sack zu 60 Kilo haben, gut 20 Dollar weniger, als derzeit an der Rohstoffbö­rse zu zahlen wären, aber auch 30 Dollar mehr, als er vor einem Jahr genommen hat, denn die Weltmarktp­reise sind gestiegen, die Region steuert auf eine Dürre zu. »Wir müssen alles mitnehmen, was wir bekommen können«, sagt der Funktionär, aber auch er weiß: Die diversen Zwischenhä­ndler, die vom Caféhaus in Dschibuti-Stadt aus den Kaffee in die Tasse auf dem Prenzlauer Berg eingießen, wollen ebenfalls verdienen. So werden aus etwas mehr als einem Euro, den der Produzent im besten Fall pro Pfund bekommt, fünf Euro im Supermarkt.

Die äthiopisch­en Kooperativ­en versuchen deshalb, so oft wie möglich direkt an Endabnehme­r wie Robbins und seinen Kollegen zu verkaufen: »Die 110 Dollar pro Sack vom Zwischenhä­ndler nehmen wir nur im absoluten Ernstfall.« »Doch der Druck, möglichst niedrige Preise zu erzielen, ist stark«, sagt James Robbins, der bei einer großen amerikanis­chen Kette angestellt ist. Gerne hätten die beiden Tadesse herunter gehandelt, nur: »Es gibt in Äthiopien kaum noch jemanden, der billiger verkauft.«

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Foto: akg-images / Africa Media Online Bei der Kaffeeernt­e – bald für mehr Geld

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