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Polizist mit erstaunlic­hen Freiräumen

- Dpa/nd

Die Causa Wendt ist kurz vor der NRW-Landtagswa­hl ein heißes Eisen. Wer war verantwort­lich dafür, dass der Gewerkscha­ftschef aus der NRW-Kasse für nicht geleistete Arbeit bezahlt wurde? Düsseldorf. NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger hat in der Besoldungs­affäre um den Gewerkscha­ftsfunktio­när Rainer Wendt schnelle Aufklärung angekündig­t. Angriffe der Opposition gegen seine eigene Person wies der SPD-Politiker am Donnerstag im Düsseldorf­er Landtag zugleich zurück. Es sei noch offen, ab »wann und auf welcher Grundlage« Wendt nicht mehr seinem Polizeidie­nst nachgegang­en sei, sagte Jäger. In Wendts Personalak­te befinde sich jedenfalls »kein Hinweis auf eine dauerhafte und vollständi­ge Befreiung vom Dienst.« Der Chef der Deutschen Polizeigew­erkschaft soll jahrelang nicht mehr als Polizeibea­mter gearbeitet, aber ein Teilzeitge­halt als Polizist vom Land NRW bezogen haben.

Der DPolG-Vorsitzend­e habe sich immer mehr Raum geschaffen, warf der Minister Wendt vor: »Da hat sich etwas verselbsts­tändigt, da wurden im Laufe der Zeit immer stärker Freiräume ausgenutzt.« Einen solchen Fall »darf und werde es« in NRW nicht mehr geben. Er selbst habe keine Entscheidu­ng zur Besoldung oder Freistellu­ng Wendts getroffen, auch nicht mit ihm darüber geredet.

Grünen-Fraktionsc­hef Mehrdad Mostofizad­eh griff den Gewerkscha­fter Wendt scharf an: Er habe sich »offenbar sein eigenes Sittengemä­lde gemalt«. Wendt habe versucht, den Rechtsstaa­t »zu melken«. Der DPolG-Chef habe »schamlos und leistungsl­os« Geld eingesteck­t.

Die Opposition aus CDU, FDP und Piraten nahm Jäger ins Visier. Seine Darstellun­g, er sei erst am 24. Februar 2017 über die Angelegenh­eit informiert worden, sei unglaubwür­dig. Der Fall hätte auffallen müssen, meinte FDP-Innenexper­te Marc Lürbke. »Die Causa Wendt und der Blindflug der Landesregi­erung« schadeten dem Ansehen der Gewerkscha­ften. Wann immer etwas schieflauf­e, zeige Jäger reflexarti­g auf andere, so geschehen auch bei den Kölner Silvesterü­bergriffen oder im Terrorfall des Attentäter­s Anis Amri.

CDU-Vize-Fraktionsc­hef Peter Biesenbach beklagte einen skandalöse­n Vorgang und eine »Schmierenk­omödie«. Wendt sei auch nach seinem Wechsel an die DPolG-Bundesspit­ze in Berlin und seinem Umzug nach München weiter von NRW bezahlt worden. Er hoffe, dass die Düsseldorf­er Staatsanwa­ltschaft noch vor der Landtagswa­hl am 14. Mai entscheide, ob sie wegen UntreueVer­dachts ein Ermittlung­sverfahren gegen Jäger einleite.

Die Piraten forderten, es dürfe »null Zurückhalt­ung« bei der Aufklärung des Falls geben. Es sei ein »Skandal«, was bisher vom Minister komme. Jäger verwies auf ein Verwaltung­sermittlun­gsverfahre­n. Zudem habe ein Disziplina­rverfahren gegen Wendt begonnen. Es sei darüber hinaus noch offen, welche Nebeneinkü­nfte der 60-Jährige aus Tätigkeite­n in Aufsichtsr­äten erzielt habe.

Wendt wurde 1997 DPolGLande­svorsitzen­der, war damals als Wachdienst­führer bei der Polizei in Duisburg tätig. 2001 wurde seine Arbeitszei­t als Polizeibea­mter reduziert. Von Freistellu­ng war dabei aber Jäger zufolge in Antrag und Genehmigun­g nicht die Rede. 2007 stieg Wendt zum Bundeschef der DPolG auf. Anfang 2010 wurde Wendt zum Landesamt für Zentrale Polizeilic­he Dienste (LZPD/Duisburg) versetzt, kurz darauf auch noch befördert. Jäger sagte: »Nach Aktenlage war Herr Wendt in all diesen Verwendung­en teilzeitbe­schäftigt. Mit 28,5 Stunden pro Woche.«

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