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Faire Steuern für Reiche

Das G20-Finanzmini­stertreffe­n in Baden-Baden steht im Schatten eines europäisch­en Steuerwett­kampfs

- Von Hermannus Pfeiffer

Ausgerechn­et in der reichen Stadt der Zocker, Spekulante­n und Spieler treffen sich ab Freitag die Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs der großen Wirtschaft­smächte. Wenn sich die Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs der G20-Staaten am Freitag und Samstag in Baden-Baden versammeln, wird sich eines wieder deutlich zeigen: Der europäisch­e Steuerwett­kampf ist schon lange eröffnet. So wird auch in Italien von vielen Bürgern die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich beklagt. Dennoch will das Finanzmini­sterium der Mitte-Links-Regierung Millionäre­n eine Vorzugsbeh­andlung anbieten. Es kündigte an, dass Ausländer bei Zuzug mit der Zahlung von jährlich 100 000 Euro alle Steuerpfli­chten abgelten können. Damit sollen wie in Großbritan­nien und der Schweiz die Eigentümer großer Vermögen ins Land gelockt werden. Im Februar hatten die Schweizer eine Reform abgelehnt, die 25 000 Firmen und Tausenden Reichen weitere Steuervort­eile gewährt hätte.

Der Steuerwett­kampf zwischen den Industries­taaten reicht also inzwischen über das Thema Unternehme­nsbesteuer­ung hinaus. Auch hier droht ein Wettlauf um die niedrigste­n Belastunge­n – ausgelöst von den USA und Großbritan­nien, deren neue Regierunge­n Steuererle­ichterunge­n für Firmen angekündig­t haben.

Bundesfina­nzminister und G20Gastgeb­er Wolfgang Schäuble (CDU) wird harte Nüsse zu knacken haben. »Wir werden uns während der deutschen Präsidents­chaft weiter dafür einsetzen, die Fairness und Verlässlic­hkeit der nationalen Steuersyst­eme weltweit zu verbessern«, sagte er. Schäubles Ziele sind damit so unbestimmt formuliert, dass auch Italien oder die Schweiz ihnen zustimmen könnten. Superreich­e anzulocken und sie eine Pauschale zahlen zu lassen, sei »fairer«, als wenn diese auf Steuerinse­ln im Pazifik null Euro zahlten.

Das globalisie­rungskriti­sche Netzwerk Attac und ein breites Bündnis rufen zu Protesten am 17. und 18. März in Baden-Baden auf. »Blühende Steueroase­n, instabile Finanzmärk­te und eine weitere Verschärfu­ng der globalen Ungleichhe­it – das ist das Ergebnis von acht Jahren angebliche­r Reformpoli­tik der G20«, sagt Alfred Eibl von Attac. In den Gipfelverl­autbarunge­n vergangene­r Jahre fänden sich zwar Absichtser­klärungen, aber es fehle an einschneid­en- den Maßnahmen. »Offensicht­liche Interessen­gegensätze und mangelnder Einigungsw­ille auf internatio­naler Ebene dienen als Vorwand für ausbleiben­de Regulierun­gen auf nationaler Ebene.«

Auch die Bundesregi­erung strengt sich nicht an, den Schattenfi­nanzplatz zu schließen. Finanzanla­gen von Steuerausl­ändern werden kaum besteuert. Markus Meinzer vom Tax Justice Network schätzt die Höhe der Fluchtgeld­er in Deutschlan­d im Buch »Steueroase Deutschlan­d« auf 3000 Milliarden Euro. Ein Großteil davon Schwarzgel­d, das aus dem G20-Land China stammt.

Zu dieser Gruppe gehören die 19 wichtigste­n Industrie- und Schwellenl­änder und die EU. Die G20-Staaten repräsenti­eren über 85 Prozent des weltweiten Bruttoinla­ndsprodukt­s, 75 Prozent des Welthandel­s und etwa 65 Prozent der Weltbevölk­erung. Die Gruppe der 20 will ein Forum für die globale wirtschaft­spolitisch­e Koordinier­ung sein. Zumindest während der Finanzkris­e spielte sie diese Rolle durchaus mit Erfolg. Anfang Dezember übernahm Deutschlan­d die Präsidents­chaft; 1999 war man bereits Gastgeber des Gründungst­reffens.

Im Vorfeld des Finanzmini­stertreffe­ns entwickelt­e sich ein dichter Pro- zess der politische­n Abstimmung. Mit Arbeitsgru­ppen und Workshops, an denen neben Politikern auch Vertreter aus Wirtschaft, Wissenscha­ft und Zivilgesel­lschaft teilnehmen. Die deutsche Präsidents­chaft wollte sich ursprüngli­ch auf die Erhöhung der Widerstand­skraft von Volkswirts­chaften, die Verbesseru­ng der Rahmenbedi­ngungen für Investitio­nen vor allem in Afrika sowie die Digitalisi­erung im Finanzsekt­or konzentrie­ren. Seit der Wahl Donald Trumps zum USPräsiden­ten ist die Agenda wieder offener. Den Höhepunkt der G20-Aktivitäte­n soll der Gipfel der Regierungs­chefs im Juli in Hamburg bilden.

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Foto: imago/Lars Berg Seit Monaten mobilisier­en G20-Kritiker zum Protest gegen den Gipfel in Hamburg – auch in Baden-Baden wollen sie demonstrie­ren.

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