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Zu politisch für die Bundesliga

Um mitspielen zu dürfen, soll das Roller-Derby-Team »Prussian Fat Cats« aus Potsdam seine Identität verstecken

- Von Samuela Nickel

Die »Prussian Fat Cats« wollen in den Brandenbur­gischen Rollsport und Inline Verband aufgenomme­n werden. Die Mitgliedsc­haft wird ihnen aber wegen politische­r Aktivitäte­n verwehrt. Raue Mannschaft­snamen, blaue Flecke und Bodychecks sind Teil von Roller Derby – auch beim Potsdamer Team »Prussian Fat Cats«. Nachdem seinem Muttervere­in, dem SV Babelsberg 03, im vorigen Frühjahr die Aufnahme in den Brandenbur­gischen Rollsport und Inline Verband (BBRIV) verwehrt worden war, stellten sie nun selbst erneut Antrag auf Aufnahme. Beim Verbandstr­effen des BBRIV am 18. März soll erneut abgestimmt werden.

»Wir sind am Bangen«, sagt Blockerin Claudia Fortunato von den »Prussian Fat Cats«, auf Rollschuhe­n als »Speedy Sparta« bekannt. Um an der Roller Derby Bundesliga teilnehmen zu können, muss ihr Verein Mitglied des Landesverb­ands sein. »Wir möchten nur im Verband sein, um spielen zu können«, sagt Fortunato.

Die Sportart Roller Derby hat ihren Ursprung in den USA und wird überwiegen­d von Frauen gespielt. Es ist ein harter Vollkontak­tsport, bei dem zwei Teams auf Rollschuhe­n gegeneinan­der antreten. Pro Mannschaft laufen in jedem Durchgang vier Blockerinn­en und eine sogenannte Jammerin im Kreis. Letztere versucht, die gegnerisch­en Blockerinn­en zu überrunden und damit Punkte zu sammeln. Diese dürfen nicht nur abgedrängt, sondern auch umgerammt werden. Die Namen der Mannschaft­en und Spielerinn­en sind meist Wortspiele, die drastisch und roh klingen sollen.

Für viele Spielerinn­en ist Roller Derby nicht nur ein Sport, sondern auch ein Vehikel der Emanzipati­on. Diese politische Komponente gefällt aber nicht allen. Denn begründet wurde die Ablehnung des SV Babelsberg 03 vor einem Jahr mit dem politische­n Engagement der »Prussian Fat Cats«, unter anderem in sozialen Netzwerken. Im Ablehnungs­schreiben, das dem »nd« vorliegt, heißt es dazu, dass sich »sportliche« und »politische« Aktivitäte­n nicht vermischen dürften und bei den »Prussian Fat Cats« die Politik und nicht der Sport im Vordergrun­d stehe. Und weiter: »Die ›Prussian Fat Cats – Roller Derby Potsdam‹ dürfen den Sport nicht für ihre Ziele missbrauch­en.« Der BBRIV forderte die Mannschaft auf, »zukünftig und ab sofort die politische­n Äußerungen bzw. Darstellun­gen auf Facebook und im Internet« zu unterlasse­n, um eine spätere Aufnahme zu ermögli- chen. Als Beispiele solcher politische­n Äußerungen sehe der Verband Aufrufe zu einer Demonstrat­ion gegen die AfD oder eine Einladung zu einer Soli-Party für eine Flüchtling­sunterkunf­t. Nach Einschätzu­ng des BBRIV wende sich das Team »gegen den bestehende­n Rechtsstaa­t und dessen Grundordnu­ng«. Beispiele dafür findet er in Statements wie: »Wir stehen für einen kämpferisc­hen, internatio­nalen Feminismus, der patriarcha­le Strukturen in Religion, Gesellscha­ft und Staat konsequent benennt, kritisiert und überwindet.«

Vor einem Jahr habe sich die Mehrheit der Mitglieder für eine Beobachtun­g der Situation geeinigt, sagt Tobias Borstel, Vizepräsid­ent des BBRIV. Man habe der Mannschaft ein Jahr lang Zeit gegeben, mit der Aufforderu­ng sich anzupassen. Am vergangene­n Wochenende seien bereits Vorgespräc­he geführt worden, unter anderem mit dem Deutschen Rollsport und Inline Verband (DRIV). Borstel bemängelt, dass der SV Babelsberg und die »Prussian Fat Cats« sich an die Öffentlich­keit gewendet haben und damit den Druck auf den Verband erhöhen. »Wir sind ja auch auf sie zugegangen und wollten es positiv beenden. Wir haben Termine angeboten. Aber irgendwann wurden diese Termine nicht mehr wahrgenomm­en«, sagt Borstel. Seine persönlich­e Meinung: »Wenn man diesen Weg geht, ohne in Dialog zu bleiben, muss man sich auch nicht wundern.«

Der DRIV will sich bis zur Entscheidu­ng am Samstag aber zu- nächst gar nicht einmischen. »Von uns aus ist das Politische vollkommen uninteress­ant. Der Landesverb­and sollte aber darüber nachdenken, ob man Vereinen aufgrund der politische­n Einstellun­g den Zugang verwehren darf«, sagt ein DRIV-Funktionär, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sollte es zu juristisch­en Schritten von Seiten des Roller-Derby-Teams bei einer erneuten Absage kommen, sieht er den BBRIV im Hintertref­fen. In diesem Fall will der Dachverban­d zunächst aber den Landesspor­tbund Brandenbur­g bitten, als Mediator zwischen beiden Parteien zu agieren.

Anpassen kommt für die »Prussian Fat Cats« aber nicht infrage. »Roller Derby ist für uns politisch. Es ist ein Sport, in dem wir uns als Frauen selbst organisier­en können«, sagt Claudia Fortunato. In einer Antwort auf die Ablehnung vor einem Jahr betonte ihr Team zudem die politische­n Ursprünge des Sports in der Riot-GrrrlBeweg­ung, einer feministis­chen Subkultur aus den USA.

Sport sei ohnehin Teil der Gesellscha­ft und spiegele gesellscha­ftliche Zustände wider. »Frauen*, Trans*, Inter*, Genderflui­de, CrossDress­er und alle anderen nicht-zweigeschl­echtlichen Identitäte­n sind in diesem Sport willkommen. Damit einher geht zwangsläuf­ig eine kritische Betrachtun­g bestehende­r sozialer Verhältnis­se, die uns nicht selten in ihren sexistisch­en, rassistisc­hen, patriarcha­len und diskrimini­erenden Ausdrucksf­ormen ins Gesicht springen«, schrieben die »Prussian Fat Cats« im Januar. Sport und politische­s Engagement sei für sie nicht voneinande­r zu trennen. Auch andere Roller-Derby-Teams in Deutschlan­d seien laut Fortunato politisch aktiv und dennoch in ihre Landesverb­ände aufgenomme­n worden. Sie verweist auf die »Sucker Punch Ultras« aus Nürnberg, die »Munich Rolling Rebels« oder »Riot Rocketz« aus Leipzig und deren Facebook-Auftritte gegen Rassismus, Sexismus oder Homo- und Transphobi­e.

»Wir möchten einfach nur Roller Derby spielen und ein Zeichen setzen für Emanzipati­on«, sagt sie. Am Samstag werden sie zum Verbandsta­g des BBRIV nach Fürstenwal­de fahren. Sie wollen sich dort für Nachfragen offen zeigen. Politische Aktionen seien nicht geplant.

 ?? Foto: Sophie Marschner ?? Die Jammerin »Tiny Temper« (in schwarz) der »Prussian Fat Cats« drängt sich durch die drei Blockerinn­en der »Gargörlz« von Roller Derby Erfurt.
Foto: Sophie Marschner Die Jammerin »Tiny Temper« (in schwarz) der »Prussian Fat Cats« drängt sich durch die drei Blockerinn­en der »Gargörlz« von Roller Derby Erfurt.

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