Zu politisch für die Bundesliga
Um mitspielen zu dürfen, soll das Roller-Derby-Team »Prussian Fat Cats« aus Potsdam seine Identität verstecken
Die »Prussian Fat Cats« wollen in den Brandenburgischen Rollsport und Inline Verband aufgenommen werden. Die Mitgliedschaft wird ihnen aber wegen politischer Aktivitäten verwehrt. Raue Mannschaftsnamen, blaue Flecke und Bodychecks sind Teil von Roller Derby – auch beim Potsdamer Team »Prussian Fat Cats«. Nachdem seinem Mutterverein, dem SV Babelsberg 03, im vorigen Frühjahr die Aufnahme in den Brandenburgischen Rollsport und Inline Verband (BBRIV) verwehrt worden war, stellten sie nun selbst erneut Antrag auf Aufnahme. Beim Verbandstreffen des BBRIV am 18. März soll erneut abgestimmt werden.
»Wir sind am Bangen«, sagt Blockerin Claudia Fortunato von den »Prussian Fat Cats«, auf Rollschuhen als »Speedy Sparta« bekannt. Um an der Roller Derby Bundesliga teilnehmen zu können, muss ihr Verein Mitglied des Landesverbands sein. »Wir möchten nur im Verband sein, um spielen zu können«, sagt Fortunato.
Die Sportart Roller Derby hat ihren Ursprung in den USA und wird überwiegend von Frauen gespielt. Es ist ein harter Vollkontaktsport, bei dem zwei Teams auf Rollschuhen gegeneinander antreten. Pro Mannschaft laufen in jedem Durchgang vier Blockerinnen und eine sogenannte Jammerin im Kreis. Letztere versucht, die gegnerischen Blockerinnen zu überrunden und damit Punkte zu sammeln. Diese dürfen nicht nur abgedrängt, sondern auch umgerammt werden. Die Namen der Mannschaften und Spielerinnen sind meist Wortspiele, die drastisch und roh klingen sollen.
Für viele Spielerinnen ist Roller Derby nicht nur ein Sport, sondern auch ein Vehikel der Emanzipation. Diese politische Komponente gefällt aber nicht allen. Denn begründet wurde die Ablehnung des SV Babelsberg 03 vor einem Jahr mit dem politischen Engagement der »Prussian Fat Cats«, unter anderem in sozialen Netzwerken. Im Ablehnungsschreiben, das dem »nd« vorliegt, heißt es dazu, dass sich »sportliche« und »politische« Aktivitäten nicht vermischen dürften und bei den »Prussian Fat Cats« die Politik und nicht der Sport im Vordergrund stehe. Und weiter: »Die ›Prussian Fat Cats – Roller Derby Potsdam‹ dürfen den Sport nicht für ihre Ziele missbrauchen.« Der BBRIV forderte die Mannschaft auf, »zukünftig und ab sofort die politischen Äußerungen bzw. Darstellungen auf Facebook und im Internet« zu unterlassen, um eine spätere Aufnahme zu ermögli- chen. Als Beispiele solcher politischen Äußerungen sehe der Verband Aufrufe zu einer Demonstration gegen die AfD oder eine Einladung zu einer Soli-Party für eine Flüchtlingsunterkunft. Nach Einschätzung des BBRIV wende sich das Team »gegen den bestehenden Rechtsstaat und dessen Grundordnung«. Beispiele dafür findet er in Statements wie: »Wir stehen für einen kämpferischen, internationalen Feminismus, der patriarchale Strukturen in Religion, Gesellschaft und Staat konsequent benennt, kritisiert und überwindet.«
Vor einem Jahr habe sich die Mehrheit der Mitglieder für eine Beobachtung der Situation geeinigt, sagt Tobias Borstel, Vizepräsident des BBRIV. Man habe der Mannschaft ein Jahr lang Zeit gegeben, mit der Aufforderung sich anzupassen. Am vergangenen Wochenende seien bereits Vorgespräche geführt worden, unter anderem mit dem Deutschen Rollsport und Inline Verband (DRIV). Borstel bemängelt, dass der SV Babelsberg und die »Prussian Fat Cats« sich an die Öffentlichkeit gewendet haben und damit den Druck auf den Verband erhöhen. »Wir sind ja auch auf sie zugegangen und wollten es positiv beenden. Wir haben Termine angeboten. Aber irgendwann wurden diese Termine nicht mehr wahrgenommen«, sagt Borstel. Seine persönliche Meinung: »Wenn man diesen Weg geht, ohne in Dialog zu bleiben, muss man sich auch nicht wundern.«
Der DRIV will sich bis zur Entscheidung am Samstag aber zu- nächst gar nicht einmischen. »Von uns aus ist das Politische vollkommen uninteressant. Der Landesverband sollte aber darüber nachdenken, ob man Vereinen aufgrund der politischen Einstellung den Zugang verwehren darf«, sagt ein DRIV-Funktionär, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sollte es zu juristischen Schritten von Seiten des Roller-Derby-Teams bei einer erneuten Absage kommen, sieht er den BBRIV im Hintertreffen. In diesem Fall will der Dachverband zunächst aber den Landessportbund Brandenburg bitten, als Mediator zwischen beiden Parteien zu agieren.
Anpassen kommt für die »Prussian Fat Cats« aber nicht infrage. »Roller Derby ist für uns politisch. Es ist ein Sport, in dem wir uns als Frauen selbst organisieren können«, sagt Claudia Fortunato. In einer Antwort auf die Ablehnung vor einem Jahr betonte ihr Team zudem die politischen Ursprünge des Sports in der Riot-GrrrlBewegung, einer feministischen Subkultur aus den USA.
Sport sei ohnehin Teil der Gesellschaft und spiegele gesellschaftliche Zustände wider. »Frauen*, Trans*, Inter*, Genderfluide, CrossDresser und alle anderen nicht-zweigeschlechtlichen Identitäten sind in diesem Sport willkommen. Damit einher geht zwangsläufig eine kritische Betrachtung bestehender sozialer Verhältnisse, die uns nicht selten in ihren sexistischen, rassistischen, patriarchalen und diskriminierenden Ausdrucksformen ins Gesicht springen«, schrieben die »Prussian Fat Cats« im Januar. Sport und politisches Engagement sei für sie nicht voneinander zu trennen. Auch andere Roller-Derby-Teams in Deutschland seien laut Fortunato politisch aktiv und dennoch in ihre Landesverbände aufgenommen worden. Sie verweist auf die »Sucker Punch Ultras« aus Nürnberg, die »Munich Rolling Rebels« oder »Riot Rocketz« aus Leipzig und deren Facebook-Auftritte gegen Rassismus, Sexismus oder Homo- und Transphobie.
»Wir möchten einfach nur Roller Derby spielen und ein Zeichen setzen für Emanzipation«, sagt sie. Am Samstag werden sie zum Verbandstag des BBRIV nach Fürstenwalde fahren. Sie wollen sich dort für Nachfragen offen zeigen. Politische Aktionen seien nicht geplant.