Der Flachlandadler fliegt wieder
Eddie the Eagle weckte mit neuen Sprüngen in Calgary köstliche Erinnerungen
29 Jahre nach seinen weltweit mit Sympathie begleiteten Sprüngen bei den Olympischen Spielen in Calgary hat der nun 53-jährige Michael Edwards wieder drei Sprünge von der 70-m-Schanze in Kanada gemacht. Fast 30 Jahre, nachdem er in zwei Skisprungwettbewerben bei den Olympischen Spielen in Calgary jeweils Schlusslicht geworden war, aber klar den Sympathiewettbewerb bei den Zuschauern an Schanze und Schirm gewonnen hatte, ist der Held vergangener Winter auf die Olympiaschanze in Kanada zurückgekehrt: Michael Edwards, gelernter Maurer aus dem südwestenglischen Cheltenham und Do-it-yourself-Skispringer, besser bekannt als Eddie the Eagle. Bei seinem Comeback brachte Eddie, inzwischen 53, alle sechs Sprünge von der 70-m-Schanze zum Stehen. Allein ob der geglückten Landungen gab er sich anschließend »erleichtert, absolut erleichtert«, denn »in den letzten rund 20 Jahren bin ich eher wenig gesprungen, jedenfalls nicht auf einer Sprungschanze …«
Mike Edwards war bei den Winterspielen 1988 – die Mauer in Berlin stand fest wie eine Flugschanze und die Sportnation Britannien war im Schnee so unauffällig wie eh – zu Eddie the Eagle aufgestiegen. Zwar be- legte er von der 70- wie der 90-mSchanze mit jeweils klarem Rückstand den letzten Platz, doch mit seinem Mut und Elan charmierte er die Welt. Weit entfernt von seinem Idealgewicht und mit einer Brille mit flaschenbodendicken Gläsern, die in Kanadas Winterluft gern und schnell beschlug, trat er an. Dazu geborgte Bretter und ein Helm, der von einer Art Schnürsenkel gehalten wurde, das machte ihn zum Publikumsliebling – der Mensch liebt Außenseiter, vor allem harmlose. Edwards’ Auftritt präsentierte England, das Mutterland der Exzentriker, in einer bis dahin von ihm nicht besetzten Disziplin. Beinahe zwangsläufige Folge des Exotenausflugs von Eddie freilich waren Regeländerungen. Die Teilnahmebedingungen wurden so verschärft, dass auch Eddie die Qualifikation für weitere internationale Meisterschaften fortan nur verpassen konnte.
Dieser Tage nun kehrte der Flachlandadler an den Geburtsort seines Ruhms zurück. Hunderte feuerten ihn an, als er nach langer Pause erstmals wieder über den Olympiabakken von Calgary schrammte und Sprünge über 18, 38 und 70 Meter landete. Dass Eddies Selbstkontrolle intakt ist, zeigte sich daran, dass er nur über die 70-mSchanze, nicht aber über die 90-mSchanze ging. »Ich dachte mir, es wäre besser aufzuhören, solange ich vorn liege und mein Körper noch in einem Stück existiert«, kommentierte der Altadler seinen Verzicht auf höhere Aufgaben. Er bekannte, oben im Anlauf hätten ihm schwer die Knie gezittert. »Doch da stand diese Menschenmenge unten, die wild ›Eddie, Eddie‹ schrie. Das erinnerte mich am Ende nicht nur an Olympia vor 29 Jahren. Es gab mir auch den Mut und die Zuversicht, loszufahren, und ich muss sagen: It was great.«
Eddie the Eagle war als Skispringer (persönliche Bestweite: 73,5 Meter) nach Kanada zurückgekehrt, weil Calgary derzeit erwägt, sich für die Winterspiele 2026 zu bewerben. Edwards ermunterte die Olympiagast- geber von einst, denn die Spiele 1988, so der Adler, seien »die größten« gewesen. Für den Maurer aus Cheltenham, das in England wegen des Wintersports weniger bekannt ist als für die in Verbindung mit dem NSA-Abhörskandal ins Rampenlicht gerückte Geheimdienstzentrale GCHQ, ganz gewiss. Schon als Kind habe er sich nichts sehnlicher gewünscht, als einmal bei Olympia mitzumachen. »Als ich acht, neun Jahre alt war, habe ich erstmals die Spiele bewusst im Fernsehen gesehen und gedacht: Wow. Es muss großartig sein, für sein Land an so etwas teilzunehmen. Das wollte ich auch, egal wie.« Anfangs versuchte sich Edwards, ohne sichtbaren Erfolg, in Volleyball, Judo und Pferdesport. Doch nachdem er im Fernsehen die Übertragung der Vierschanzentournee 1985/86 verfolgt hatte (Gesamtsieger: Ernst Vettori, Österreich), hatte er seine Berufung gefunden. Seine bunte und an Bruchlandungen reiche Lebensgeschichte war voriges Jahr auch ins Kino gekommen.