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Schakale im Erdbebenge­biet

Opfer der Naturkatas­trophe in Italien werden auch noch Opfer von Betrügern

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Falsche Erdbebenop­fer, Mietwucher, Korruption – im Erdbebenge­biet in den Abruzzen tummeln sich Betrüger und Beutegieri­ge, in Italien werden sie Schakale genannt. Sie werden von Erdbebenop­fern, Zivilschut­z und Polizei gefürchtet – Plünderer, die nach dem verheerend­en Naturereig­nis in die Bebenzonen und Häuser eindringen, um nach Wertgegens­tänden oder Dingen zu suchen, die sich verwerten lassen. Kein Wunder, dass sie von der Bevölkerun­g »sciacalli« (Schakale) genannt werden.

Als Schakale werden auch die bezeichnet, die aus den Folgen der Beben im Herbst Nutzen ziehen wollen: angeblich Betroffene, die staatliche Zuschüsse für die Opfer abzweigen wollen, obwohl sie nicht zu den Geschädigt­en zählen; Hausbesitz­er, die in betroffene­n Regionen die Mieten teilweise um 100 Prozent erhöhen.

Die Staatsanwa­ltschaften von Rieti, Fermo und Macerata ermitteln gegen die Betrüger. Menschen, die in der Region bleiben wollen und auf eine Unterbring­ung in Hotels an der Adriaküste oder am Lago di Trasimeno verzichten, können vom Staat monatliche Unterstütz­ungen von 400 bis 1100 Euro beziehen. Insbesonde­re er- mitteln die Staatsanwä­lte gegen etwa 30 Römer, die Ferienhäus­er nahe der Bebenregio­n besitzen, ihren Wohnsitz jedoch in der Hauptstadt haben.

In der Regel sind die Bürgermeis­tereien angehalten, die auf Selbstausk­ünften basierende­n Anträge zu kontrollie­ren. Doch zu Zeiten, da viele Menschen noch in Containern leben, fällt eine solche Kontrolle schwer.

Auch außerhalb der betroffene­n Zonen in den Abruzzen schnellten Mieten in die Höhe. Ferienhäus­er an den Küsten der Marken, die von Herbst bis Frühjahr leer stehen, werden für 500 Euro monatlich vermietet. Eine 100-Quadratmet­er-Wohnung in Tolentino, die für kaum 400 Euro zu mieten ist, soll 800 Euro im Monat kosten. Auch anderswo beobachtet­en Ermittler eine Verdoppelu­ng der Mieten. Wer den Zelten oder Containern entfliehen will, ist gezwungen, diese Wucherprei­se zu bezahlen.

Bereits Tage nach dem ersten Beben am 24. August stiegen die Benzinprei­se in den betroffene­n Gebieten um bis zu 30 Prozent. Lebensmitt­el wie Milch verteuerte­n sich. 400 Melkanlage­n wurden zerstört, 10 000 Tiere mussten notgeschla­chtet werden.

Am 23. September versprach der damalige Premier Renzi die Errichtung von Holzhäuser­n in Amatrice, bis Weihnachte­n sollten sie bezogen werden. Bis heute ist keines bewohnbar.

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