nd.DerTag

Facebook als Kneipe

- Von Robert D. Meyer

Eines lässt sich Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) nicht nachsagen: Er sei inkonseque­nt. Nachdem Hasskommen­tare in den sozialen Netzwerken ein zunehmende­s Problem wurden, versuchte er es zunächst auf die sanfte Tour, ermahnte Facebook & Co. dazu, Maßnahmen gegen die Verrohung der virtuellen Debattenku­ltur anzugehen. Doch da die freiwillig­en Selbstverp­flichtunge­n nur beschränkt Erfolge brachten, zieht Maas nun mit einem Gesetz nach: Künftig sollen soziale Netzwerke gezwungen werden, innerhalb von 24

Stunden offensicht­lich strafbare Inhalte zu löschen, nachdem sie einen Hinweis darauf erhalten haben. Bei unklaren Fällen müsse eine Prüfung innerhalb von sieben Tagen erfolgen. Gelingt dies nicht, droht dem Unternehme­n eine Geldbuße von bis zu 50 Millionen Euro.

Detlef Esslinger begrüßt auf süddeutsch­e.de den Vorstoß. Er ist überzeugt: Die Macher hinter den sozialen Netzwerken hätten nie ein Interesse daran gehabt, Regeln für die Kommunikat­ion aufzustell­en. »Im Silicon Valley mag es geniale Programmie­rer und Ingenieure geben, von Gesellscha­ft aber verstehen all diese Genies wenig. Sie haben der Welt Plattforme­n beschert, auf denen es Regeln kaum gibt und auf denen deshalb allzu oft kein Diskurs organisier­t, sondern ein verbaler Kampf aller gegen alle ermöglicht wird.« Esslinger warnt vor den »naiven Jungs aus Kalifornie­n«, die »sich am Gemeinwese­n vergehen und es nicht einmal merken«. Er selbst reproduzie­rt mit seiner Argumentat­ion allerdings das Klischee vom zu sozialen Kontakten unfähigen IT-Nerd, der sich im dunklen Keller hinter seinem Monitor vor der realen Welt versteckt. Wirkt Mark Zuckerberg wirklich so? Die US-Sitcom »The Big Bang Theory« lässt grüßen. Die Grünen-Politikeri­n Renate Künast kritisiert im Interview auf

deutschlan­dfunk.de, dass der Gesetzentw­urf sich nur auf strafbare Inhalte beziehe. »Die Frage, wie Facebook und andere eigentlich mit Hass umgehen, mit Zersetzung, mit einer Diskrimini­erung, die noch nicht strafbar ist, ist hier überhaupt nicht angetippt.« Facebook & Co. müssten wie ein Kneipenwir­t handeln, der auch Leuten Hausverbot erteilt, die »sich in der Grauzone zwischen grob unhöflich und strafbar« verhalten. »Da würden Sie auch akzeptiere­n, dass diese Person irgendwie reagiert, und sagen, das gehört zum sozialen Frieden dazu.«

Piratenche­f Patrick Schiffer erklärt hingegen: »Dieser Gesetzesen­twurf ist reine Symptombek­ämpfung.« Maas stelle »nicht klar, was offensicht­lich rechtswidr­ige Inhalte sein sollen«. Solch eine Entscheidu­ng den Betreibern sozialer Netzwerke zu überlassen, eröffne den Weg hin zu staatliche­r oder gar privater Zensur.

Maram Stern, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer des World Jewish Congress, begrüßt auf

causa.tagesspieg­el.de zwar den Gesetzesen­twurf, merkt aber an: »Es geht nicht alleine um die sozialen Medien und deren Anbieter. Denn diese haben den Hass nicht erfunden, sondern bieten nur neue Kanäle und Wege, ihn zu verbreiten.«

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Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche

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