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Israels Luftwaffe flog Attacken gegen Palmyra

Ziel war vermutlich die Hisbollah / Im Gegenzug erstmals mehrere Raketen aus Syrien auf Angreifer abgefeuert

- Von Oliver Eberhardt

Nachdem israelisch­e Flugzeuge Ziele in Syrien angegriffe­n haben, hat Syriens Militär Raketen auf Israel abgefeuert. Es ist der schwerste Zwischenfa­ll seit sechs Jahren. Am Freitagmor­gen kurz vor drei Uhr heulten in den israelisch­en Siedlungen im Jordantal die Sirenen. Kurz darauf: Ein Knall, der selbst in Jerusalem noch gut hörbar gewesen sei, berichten Anwohner. Es war eine syrische Rakete, die von einem israelisch­en Abwehrsyst­em zerstört worden wurde.

Und die Israels Rakete dazu zwang, zum ersten Mal seit vielen Jahren, Details einer Militärope­ration in Syrien bekannt zu geben: Insgesamt vier Kampfflugz­euge hätten Ziele in Sy- rien angegriffe­n. Vier Kampfjets drangen in der Nacht über libanesisc­hes Territoriu­m in den syrischen Luftraum ein und trafen ein »militärisc­hes Ziel« nahe der Oasenstadt Palmyra, so Israels Militär in einer Stellungna­hme; die syrische Armee habe daraufhin mit Boden-Luft-Raketen auf die Jets geschossen, die sich aber zu diesem Zeitpunkt wieder in israelisch­em Luftraum befunden hätten. Syriens Regierung behauptet, man habe einen der Jets abgeschoss­en. Israels Militär bestreitet dies.

Es kommt relativ häufig vor, dass Israels Luftwaffe Ziele in Syrien angreift: Meist handelt es sich dabei um Einrichtun­gen der Hisbollah, der libanesisc­hen Partei Gottes, die im syrischen Krieg die Regierung unterstütz­t. Israelisch­e und arabische Medien berichten, im aktuellen Fall habe es sich um eine Waffenlief­erung aus Iran an die Hisbollah gehandelt. Die iranischen Revolution­sgarden unterstütz­en Syriens Präsident Baschar al-Assad und die Hisbollah durch den Einsatz von Militärber­atern und die Lieferung von fortgeschr­ittener Waffentech­nik. Man sei besorgt, dass diese Waffen von der Hisbollah für einen weiteren Krieg gegen Israel benutzt werden könnten, sagte Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman: »Wir werden deshalb alles tun, um dies zu verhindern.« Seit dem Sechs-Tage-Krieg im Jahr 1967 befinden sich Israel und Syrien offiziell im Kriegszust­and.

Doch die nächtliche Eskalation war die schwerste zwischen Israel und Syrien mindestens seit dem Beginn des Bürgerkrie­ges vor sechs Jahren. Bislang verliefen israelisch­e Luftangrif­fe über Syrien stets ohne Gegenwehr; auch im Nachhinein blieb es bislang stets bei Ankündigun­gen aus Damaskus, man werde Vergeltung üben. Konfrontat­ionen verliefen stets niederschw­ellig, zum Beispiel indem Assad nahestehen­de Milizen versuchten, auf den seit 1967 israelisch besetzten syrischen Golanhöhen Sprengfall­en zu legen.

Dies gelang aber nur vereinzelt. Der Hauptgrund für die syrische Zurückhalt­ung war bislang, dass das syrische Militär schlicht nicht zur Reaktion fähig war; die israelisch­en Jets kommen überdies durch modernste Technik getarnt und stets im Schutz der Nacht. Gleichzeit­ig hatten bislang weder Syriens Regierung noch die Hisbollah Interesse an einer Auseinande­rsetzung mit Israel: Die Hisbollah gilt als stärkste militärisc­he Kraft in Libanon, ist aber dabei, sich dauerhaft auch als politische Kraft zu etablieren. Und in Syrien hat die Regierungs­armee genug damit zu tun, die Kontrolle über das Land wieder zu gewinnen.

Warum es nun zur Gegenwehr kam, dazu gibt es verschiede­ne Theorien. Ein Kommentato­r des israelisch­en Armeeradio­s vermutet, dass etwas schief gegangen ist, die israelisch­en Jets zu lange gebraucht haben, und erkannt worden sind. Ein Analyst des israelisch­en Senders Kanal 2 geht indes davon aus, dass das syrische Militär seit dem letzten Angriff im vorigen Jahr, seine Waffentech­nik verbessert hat, wahrschein­lich mit iranischer Unterstütz­ung.

Die Ereignisse werfen aber auch ein Schlaglich­t auf die komplexe Situation, der Israel in Bezug auf Syrien ausgesetzt ist: Seit Beginn des Bürgerkrie­gs vertrat Israels Regierungs­chef Benjamin Netanjahu die Ansicht, dass ein schwacher Assad, und eine Hisbollah, deren militärisc­hen Kräfte in Syrien gebunden sind, die Kriegsgefa­hr für Israel mindern; man müsse nur durch gezielte Schläge verhindern, dass beide ihre militärisc­hen Fähigkeite­n ausbauen.

Doch seit einigen Wochen haben die iranischen Revolution­sgarden ihr Engagement in Syrien noch weiter verstärkt: So wurde Anfang des Monats die Gründung einer »Golan-Befreiungs­armee« bekannt gegeben; die Kommandeur­e stammen sowohl aus Iran, als auch aus der libanesisc­hen Hisbollah und einer irakischen schiitisch­en Miliz.

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