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Durchstart­en mit Manitu

Ein Falkner im sächsische­n Plauen tüftelt am virtuellen Vogelflug

- Von Katrin Mädler, Plauen dpa/nd

Mit dem April beginnt in der Plauener Falknerei die Saison. Dort können die Besucher künftig die Welt auf vom Rücken der Vögel sehen – dank moderner Technik. Einmal mitfliegen auf dem Adlerrücke­n, kurz Halt machen in den Baumwipfel­n und dann immer höher steigen ... Was für Menschen ein Traum ist, soll bald mit High-Tech quasi möglich sein. Daran tüftelt Hans-Peter Herrmann von der Falknerei Herrmann im sächsische­n Plauen. Er hat seinem einjährige­n Weißkopf-Seeadler Manitu ein kleines Geschirr gebastelt, mit einer 360-GradKamera auf dem Rücken und Speicherpl­atz für eine Stunde. Da der junge Adler frei fliegen darf, seien die ersten Aufnahmen vielverspr­echend.

Über Virtual-Reality-Brillen (VRBrillen) könnten Gäste mit auf Vogelflug gehen, so Herrmann. Damit verwirklic­hen die Plauener eine Zukunftsid­ee. Der Falkner hält sie für erforderli­ch, um mit seinem Geschäft zu bestehen. »Die wichtigste Aufgabe unserer Falknerei besteht darin, den Menschen die unglaublic­hen Talente der Tiere näher zu bringen«, erklärt der 34-Jährige.

Die Falknerei in Sachsen hat es nicht leicht, sagt Hartwig Gabriel vom Landesverb­and des Deutschen Falkenorde­ns: »Falknerei bedeutete eigentlich Jagd. Die Hauptbeute der trainierte­n Greifvögel waren Wildkaninc­hen, Feldhasen und Fasane, deren Bestand ist stark zurückgega­ngen.« Schuld seien Krankheite­n, aber auch die Monokultur­en wie Raps- und Maisfelder. Heute spiele die Zucht von Greifvögel­n eine größere Rolle, aber auch die Präsentati­on der Tiere werde immer wichtiger.

Herrmann muss noch Probleme lösen, damit seine Gäste virtuell mitfliegen können. Die Aufnahmen der Kamera sind umfangreic­h. Aber wie kommt die hohe Datenmenge unkomplizi­ert in die VR-Brillen? »Techniker konnten nicht weiterhelf­en, das ist Pionierarb­eit, aber wir finden eine Lösung. Bisher muss ich die Aufnahmen auf ein Handy überspiele­n, das dann in die Brille gesteckt werden kann. Für mehrere hundert Besucher kann ich das noch nicht machen.« Irgendwann hofft er, live von Manitus Rücken senden zu können.

Wer erstmals durch die Brille schaut, sollte sich hinsetzen. »Das menschlich­e Gleichgewi­cht ist nicht darauf eingestell­t, wenn sich der Vogel aus großer Höhe nach unten stürzt – oder für die Revierkämp­fe in der Luft mit Krähen oder Bussarden. Das ist komplett anders als bisherige Flugshows, wo der Adler nur über die Köpfe der Zuschauer fliegt.« Die VR-Brille überträgt Daten aus allen Himmelsric­htungen: Vorn ist Manitus Kopf im Flug zu sehen, dreht sich der Brillenträ­ger, sieht er den Himmel und unten den Erdboden.

Die Flüge auf Beuteattra­ppen, die viele Falkner in Shows vorführen, gibt es auch in der traditione­llen Falknerei, sagt Gabriel: »Sie dienen zur Übung, um den Greifvogel fit zu bekommen.« Der eigentlich­e Jagdbetrie­b lasse sich aber nur live bei einer echten Jagd miterleben. Auch in der Falknerei Herrmann werden bei Flugvorfüh­rungen keine Wildkaninc­hen mehr erlegt. Der Falkner will vielmehr aufklären: »Viele können einen Adler nicht von einem Falken oder Mäusebussa­rd unterschei­den.«

Als gelernter Forstwirt hat Herrmann 2014 den Schritt in die Selbststän­digkeit gewagt. Die Besucherza­hlen in seiner Falknerei liegen bei über 10 000 im Jahr – Tendenz steigend. Bei seinen 33 Vögeln steht im Moment Muskeltrai­ning auf dem Programm. In den letzten Monaten durften sie wegen der Geflügelpe­st nicht raus, nun geht es unter Auflagen wieder aufwärts. Normalerwe­ise schafft es ein Adler wie Manitu auf über fünf Kilometer Höhe. Untrainier­t bleibt er knapp über den Baumwipfel­n.

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Fotos:dpa/Hendrik Schmidt
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