Hausgemachtes Problem
Kritik an der Lehrerbildung gibt es schon lange, sie hat aber seit der Veröffentlichung der ersten PISAStudie vor gut 15 Jahren zugenommen. 2015 hat Marcel Schütz, Organisationsforscher an der Universität Oldenburg, Hochschuldozent und freier Autor, dieser Kritik widersprochen und einen anderen Maßstab formuliert. In seiner Polemik greift er die Bologna-Reform an. »An vielen Universitäten gehört es zum guten Ton, angehende Lehramtler als defizitär veranlagte Spezies zu betrachten (…) Bedrohliche Zukunftsprognosen konditionieren den Nachwuchs von Anbeginn (…) Kaum ein anderes Studienfeld geht mit einer derart künstlichen Dramatisierung, ja mit einem traditionell gepflegten Schlechtreden der zukünftigen Berufstätigkeit einher«, schreibt er auf news4techer.de.
Er widerspricht auch dem Vorwurf, Lehrer würden ungenügend auf die Schulpraxis vorbereitet. Schütz sieht eher in der Verbreitung von Managementmethoden, sowohl in Universitäten als in Schulen, die Hauptursache mangelhafter Lehrerbildung. Der Bologna-Prozess habe die Lehrerbildung enorm standardisiert. Seitdem stehe das Studium unter dem Zeichen »didaktischer Methodenmoden«. Studierende haben »Glaubensdekrete der Kompe- tenzorientierung in- und auswendig« zu lernen, um »im Sinne pädagogischer Evaluations-, Kontroll- und Zieldefinitionssucht eifrige Vermesser des Unterrichts« zu werden. Mit dem Gefühl, niemals in der Praxis bestehen zu können, geraten Studierende in eine Leistungsspirale. Lehrer lebten heute in einer Zeit des »Funktionierens und Untertauchens in der gehorsamen Masse«, wozu auch der bei Lehrämtern ausgeprägte Hang zur Gruppenarbeit gehöre.
Im Ergebnis wurde das selbst denkende Individuum getilgt. Ebenso sei Schule durch »Effizienz- und Steue- rungsmaximen« geprägt, wodurch Schüler einem Kompetenzdruck ausgesetzt würden, sich für einen Arbeitsmarkt fit zu machen, der nur auf »Macher« setze. Bildung als Selbstbildung bleibe dabei auf der Strecke. Gerade das Bildungsmonitoring, diese »fabrikmäßige Leistungsüberwachung«, diene der Konditionierung. Faktisch fehle es nicht an Praxis, schaue man sich die Möglichkeiten der Praktika an, sondern an Universitäten, die in erster Linie Studierende zu selbstständig denkende Individuen ausbilden, deren Praxis in der »Erkenntnis« liege.