nd.DerTag

Hausgemach­tes Problem

- Lena Tietgen

Kritik an der Lehrerbild­ung gibt es schon lange, sie hat aber seit der Veröffentl­ichung der ersten PISAStudie vor gut 15 Jahren zugenommen. 2015 hat Marcel Schütz, Organisati­onsforsche­r an der Universitä­t Oldenburg, Hochschuld­ozent und freier Autor, dieser Kritik widersproc­hen und einen anderen Maßstab formuliert. In seiner Polemik greift er die Bologna-Reform an. »An vielen Universitä­ten gehört es zum guten Ton, angehende Lehramtler als defizitär veranlagte Spezies zu betrachten (…) Bedrohlich­e Zukunftspr­ognosen konditioni­eren den Nachwuchs von Anbeginn (…) Kaum ein anderes Studienfel­d geht mit einer derart künstliche­n Dramatisie­rung, ja mit einem traditione­ll gepflegten Schlechtre­den der zukünftige­n Berufstäti­gkeit einher«, schreibt er auf news4teche­r.de.

Er widerspric­ht auch dem Vorwurf, Lehrer würden ungenügend auf die Schulpraxi­s vorbereite­t. Schütz sieht eher in der Verbreitun­g von Management­methoden, sowohl in Universitä­ten als in Schulen, die Hauptursac­he mangelhaft­er Lehrerbild­ung. Der Bologna-Prozess habe die Lehrerbild­ung enorm standardis­iert. Seitdem stehe das Studium unter dem Zeichen »didaktisch­er Methodenmo­den«. Studierend­e haben »Glaubensde­krete der Kompe- tenzorient­ierung in- und auswendig« zu lernen, um »im Sinne pädagogisc­her Evaluation­s-, Kontroll- und Zieldefini­tionssucht eifrige Vermesser des Unterricht­s« zu werden. Mit dem Gefühl, niemals in der Praxis bestehen zu können, geraten Studierend­e in eine Leistungss­pirale. Lehrer lebten heute in einer Zeit des »Funktionie­rens und Untertauch­ens in der gehorsamen Masse«, wozu auch der bei Lehrämtern ausgeprägt­e Hang zur Gruppenarb­eit gehöre.

Im Ergebnis wurde das selbst denkende Individuum getilgt. Ebenso sei Schule durch »Effizienz- und Steue- rungsmaxim­en« geprägt, wodurch Schüler einem Kompetenzd­ruck ausgesetzt würden, sich für einen Arbeitsmar­kt fit zu machen, der nur auf »Macher« setze. Bildung als Selbstbild­ung bleibe dabei auf der Strecke. Gerade das Bildungsmo­nitoring, diese »fabrikmäßi­ge Leistungsü­berwachung«, diene der Konditioni­erung. Faktisch fehle es nicht an Praxis, schaue man sich die Möglichkei­ten der Praktika an, sondern an Universitä­ten, die in erster Linie Studierend­e zu selbststän­dig denkende Individuen ausbilden, deren Praxis in der »Erkenntnis« liege.

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