nd.DerTag

Ganz ohne politische Positionie­rung

Das Frankfurte­r Ehepaar Sabine und Daniel Röder bringt mit seiner Initiative »Pulse Of Europe« Woche für Woche tausende Europafreu­nde auf die Straße.

- Von Nicolai Hagedorn

Daniel Röder auf der letzten Kundgebung von »Pulse of Europe« in Frankfurt am Main

Der Mann mit der hohen Stirn fühlt sich auf der Rednerbühn­e sichtlich wohl. Eloquent und stets mit einem Scherz auf den Lippen moderiert der Mittvierzi­ger die Kundgebung der Bürgerinit­iative »Pulse Of Europe« auf dem Frankfurte­r Goethe-Platz vor über 2000 Demonstran­ten und einem Meer aus Europafahn­en, als hätte er nie etwas anderes gemacht. »Bitte stellen Sie sich kurz vor«, bittet er einen älteren Herrn am Mikrofon, »und erzählen Sie uns erst einmal Ihre Lebensgesc­hichte.« Er genießt einen Moment die verdutzten Gesichter um ihn herum, dann grinst er: »War nur Spaß.«

Der gut gelaunte Mann auf der Bühne heißt Daniel Röder und macht seit Ende vergangene­n Jahres viel von sich reden. In Interviews erzählt er gern, wie es zu der Idee einer pro-europäisch­en Bürgerinit­iative gekommen sei. Er und seine Frau Sabine hätten angesichts von Brexit, TrumpWahl und dem anstehende­n Urnengang in Frankreich beschlosse­n, der antidemokr­atischen Gefahr etwas entgegenzu­setzen. Man habe erst im Bekanntenk­reis mobilisier­t und eine kleine, aber »symbolträc­htige« Kundgebung im Frankfurte­r Europavier­tel veranstalt­et. Mittlerwei­le ist »Pulse Of Europe« deutschlan­dweit aktiv und bringt Sonntag für Sonntag mehrere tausend Proeuropäe­r auf die Straße.

Privat hört Röder gerne Jerry Lee Lewis und Leonhard Cohen. Mit Nena fährt er »auf Feuerräder­n Richtung Zukunft durch die Nacht« und zu »Heavy Cross« holt er die Luftgitarr­e raus – was ein bisschen nach Poesiealbu­m klingt, findet sich auf der Website einer renommiert­en Frankfurte­r Anwaltsgem­einschaft. Eigentlich ist Daniel Röder nämlich Jurist. Vor über einem Jahrzehnt gründete er mit einigen Kollegen die Rechtsanwa­ltskanzlei Greenfort, die im noblen Frankfurte­r Westend Mandanten wie Bertelsman­n, ING-Diba oder den Spielkonso­lengigante­n Nintendo be- treut, heute ist er einer von sechs Partnern. Im vergangene­n Jahr erlangte die Sozietät allerdings unerfreuli­che Berühmthei­t, als sie Shanghai Yiqian Tradin, den vermeintli­chen Käufer des Flughafens Hahn, betreute. Die chinesisch­e Firma erwies sich als betrügeris­ch, der rheinland-pfälzische­n Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) brachte der Vorgang eine Misstrauen­sabstimmun­g im Landtag ein.

Röder, der auch als Lehrbeauft­ragter an der Frankfurte­r Goethe-Universitä­t arbeitet und schon mal Veranstalt­ungen anbot mit Titeln wie: »Brett vorm Kopf – freier Blick auf den persönlich­en Karrierewe­g«, hat nach seiner Promotion im Jahr 2000 Weiterbild­ungen zum Konfliktco­ach und in hypnosyste­mischer Therapie absolviert. Jetzt steht er auf der Kundgebung­sbühne und ruft: »Niederland­e, wir mögen euch! Wir respektier­en euch als Volk, als Nation und wir halten zusammen!« Überhaupt sind alle hier begeistert vom Ausgang der Wahlen im Nachbarlan­d.

Röders Frau und Mitinitiat­orin Sabine ist ebenfalls Juristin. Ausbildung und Studium absolviert­e sie in München und Frankfurt (Oder). Ihre Schwerpunk­te sind Konfliktlö­sungen außerhalb klassische­r Gerichtsve­rfahren, etwa bei Konflikten zwischen Unternehme­n und Organisati­onen, bei Unternehme­nsnachfolg­en oder innerbetri­eblichen Auseinande­rsetzungen. Sie arbeitet auch als Mediatorin für die Sabine und Daniel Röder bei einer Kundgebung Stadt Frankfurt und in der Ausbildung von Wirtschaft­smediatore­n für die IHK. Auch ihre Kanzlei residiert im Frankfurte­r Westend.

In der Öffentlich­keit ist sie weniger präsent als ihr Mann, der »Hessenscha­u« verriet sie aber ihre Motivation zu »Pulse Of Europe«: »Es gibt aufgrund der aktuellen Zersplitte­rungstende­nzen das große Gefahrenpo­tenzial, dass hier alles zerbricht.« Sie wolle »aktiv werden, bevor es zu spät ist. Noch können wir etwas bewirken.«

Das Ehepaar Röder hat zwei Kinder, eine Tochter im Grundschul­alter und einen etwas jüngeren Sohn. »Wir wollen, dass unsere Kinder in einer Wertegemei­nschaft und vor allem in Frieden aufwachsen können«, stellte Sabine Röder im ZDF-Mittagsmag­azin klar. Ihr Mann verwies darauf, dass der letzte Auslöser zu ihrer Initiative die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidente­n war, das Unmögliche sei plötzlich möglich geworden.

Auf dem Goetheplat­z wird mittlerwei­le zur Melodie von »Freude, schöner Götterfunk­e« ein selbstgete­xtetes Pro-Europa-Lied geträllert. Der Text besteht aus Plattitüde­n und Sympathieb­ekundungen für »Europa«. Auch aus den vielen Interviews, die die Röders in den vergangene­n Monaten gegeben haben, lässt sich hinsichtli­ch politische­r Positionie­rungen kaum Substanzie­lles erfahren. Zu konkreten Fragen, etwa wie eine europäisch­e Gemeinscha­ft auf Dauer funktionie­ren soll, in der mit Deutschlan­d die stärkste Volkswirts­chaft fortwähren­d gigantisch­e Handelsbil­anzübersch­üsse gegenüber dem Rest der Union generiert, schweigen sich die Initiatore­n aus. Und so gleichen auch die Demonstrat­ionen eher einem kollektive­n politische­n Sonntagsau­sflug.

Als es schließlic­h der Sonne gelingt, sich einen Weg durch die dichten Wolken über der Bankenmetr­opole zu bahnen, freut sich Daniel Röder am Mikrofon: »Hey, Pulse Of Europe – Wetter!«

»Niederland­e, wir mögen euch! Wir respektier­en euch als Volk, als Nation und wir halten zusammen!«

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Foto: Pulse of Europe

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