Ganz ohne politische Positionierung
Das Frankfurter Ehepaar Sabine und Daniel Röder bringt mit seiner Initiative »Pulse Of Europe« Woche für Woche tausende Europafreunde auf die Straße.
Daniel Röder auf der letzten Kundgebung von »Pulse of Europe« in Frankfurt am Main
Der Mann mit der hohen Stirn fühlt sich auf der Rednerbühne sichtlich wohl. Eloquent und stets mit einem Scherz auf den Lippen moderiert der Mittvierziger die Kundgebung der Bürgerinitiative »Pulse Of Europe« auf dem Frankfurter Goethe-Platz vor über 2000 Demonstranten und einem Meer aus Europafahnen, als hätte er nie etwas anderes gemacht. »Bitte stellen Sie sich kurz vor«, bittet er einen älteren Herrn am Mikrofon, »und erzählen Sie uns erst einmal Ihre Lebensgeschichte.« Er genießt einen Moment die verdutzten Gesichter um ihn herum, dann grinst er: »War nur Spaß.«
Der gut gelaunte Mann auf der Bühne heißt Daniel Röder und macht seit Ende vergangenen Jahres viel von sich reden. In Interviews erzählt er gern, wie es zu der Idee einer pro-europäischen Bürgerinitiative gekommen sei. Er und seine Frau Sabine hätten angesichts von Brexit, TrumpWahl und dem anstehenden Urnengang in Frankreich beschlossen, der antidemokratischen Gefahr etwas entgegenzusetzen. Man habe erst im Bekanntenkreis mobilisiert und eine kleine, aber »symbolträchtige« Kundgebung im Frankfurter Europaviertel veranstaltet. Mittlerweile ist »Pulse Of Europe« deutschlandweit aktiv und bringt Sonntag für Sonntag mehrere tausend Proeuropäer auf die Straße.
Privat hört Röder gerne Jerry Lee Lewis und Leonhard Cohen. Mit Nena fährt er »auf Feuerrädern Richtung Zukunft durch die Nacht« und zu »Heavy Cross« holt er die Luftgitarre raus – was ein bisschen nach Poesiealbum klingt, findet sich auf der Website einer renommierten Frankfurter Anwaltsgemeinschaft. Eigentlich ist Daniel Röder nämlich Jurist. Vor über einem Jahrzehnt gründete er mit einigen Kollegen die Rechtsanwaltskanzlei Greenfort, die im noblen Frankfurter Westend Mandanten wie Bertelsmann, ING-Diba oder den Spielkonsolengiganten Nintendo be- treut, heute ist er einer von sechs Partnern. Im vergangenen Jahr erlangte die Sozietät allerdings unerfreuliche Berühmtheit, als sie Shanghai Yiqian Tradin, den vermeintlichen Käufer des Flughafens Hahn, betreute. Die chinesische Firma erwies sich als betrügerisch, der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) brachte der Vorgang eine Misstrauensabstimmung im Landtag ein.
Röder, der auch als Lehrbeauftragter an der Frankfurter Goethe-Universität arbeitet und schon mal Veranstaltungen anbot mit Titeln wie: »Brett vorm Kopf – freier Blick auf den persönlichen Karriereweg«, hat nach seiner Promotion im Jahr 2000 Weiterbildungen zum Konfliktcoach und in hypnosystemischer Therapie absolviert. Jetzt steht er auf der Kundgebungsbühne und ruft: »Niederlande, wir mögen euch! Wir respektieren euch als Volk, als Nation und wir halten zusammen!« Überhaupt sind alle hier begeistert vom Ausgang der Wahlen im Nachbarland.
Röders Frau und Mitinitiatorin Sabine ist ebenfalls Juristin. Ausbildung und Studium absolvierte sie in München und Frankfurt (Oder). Ihre Schwerpunkte sind Konfliktlösungen außerhalb klassischer Gerichtsverfahren, etwa bei Konflikten zwischen Unternehmen und Organisationen, bei Unternehmensnachfolgen oder innerbetrieblichen Auseinandersetzungen. Sie arbeitet auch als Mediatorin für die Sabine und Daniel Röder bei einer Kundgebung Stadt Frankfurt und in der Ausbildung von Wirtschaftsmediatoren für die IHK. Auch ihre Kanzlei residiert im Frankfurter Westend.
In der Öffentlichkeit ist sie weniger präsent als ihr Mann, der »Hessenschau« verriet sie aber ihre Motivation zu »Pulse Of Europe«: »Es gibt aufgrund der aktuellen Zersplitterungstendenzen das große Gefahrenpotenzial, dass hier alles zerbricht.« Sie wolle »aktiv werden, bevor es zu spät ist. Noch können wir etwas bewirken.«
Das Ehepaar Röder hat zwei Kinder, eine Tochter im Grundschulalter und einen etwas jüngeren Sohn. »Wir wollen, dass unsere Kinder in einer Wertegemeinschaft und vor allem in Frieden aufwachsen können«, stellte Sabine Röder im ZDF-Mittagsmagazin klar. Ihr Mann verwies darauf, dass der letzte Auslöser zu ihrer Initiative die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten war, das Unmögliche sei plötzlich möglich geworden.
Auf dem Goetheplatz wird mittlerweile zur Melodie von »Freude, schöner Götterfunke« ein selbstgetextetes Pro-Europa-Lied geträllert. Der Text besteht aus Plattitüden und Sympathiebekundungen für »Europa«. Auch aus den vielen Interviews, die die Röders in den vergangenen Monaten gegeben haben, lässt sich hinsichtlich politischer Positionierungen kaum Substanzielles erfahren. Zu konkreten Fragen, etwa wie eine europäische Gemeinschaft auf Dauer funktionieren soll, in der mit Deutschland die stärkste Volkswirtschaft fortwährend gigantische Handelsbilanzüberschüsse gegenüber dem Rest der Union generiert, schweigen sich die Initiatoren aus. Und so gleichen auch die Demonstrationen eher einem kollektiven politischen Sonntagsausflug.
Als es schließlich der Sonne gelingt, sich einen Weg durch die dichten Wolken über der Bankenmetropole zu bahnen, freut sich Daniel Röder am Mikrofon: »Hey, Pulse Of Europe – Wetter!«
»Niederlande, wir mögen euch! Wir respektieren euch als Volk, als Nation und wir halten zusammen!«