nd.DerTag

Korallenbl­eiche im Doppelpack

Das Große Barriere-Riff vor Australien ist durch den Klimawande­l und Belastunge­n aus Landwirtsc­haft und Schifffahr­t stark geschädigt.

- Von Michael Lenz

Totgesagte leben länger. Das alte Sprichwort schien bislang für das Große Barriere-Riff (GBR) wahr zu sein. Oft hat sich das Riff, das von der Torres-Straße vor Papua-Neuguinea bis zur 2300 Kilometer weiter südlich liegenden australisc­hen Lady-Elliot-Insel reicht, von schweren Schäden erholt. Zum Beispiel nach der extremen Massenkora­llenbleich­e zwischen 1998 und 2002. Deren Ursache war die globale Erwärmung.

Dieses Mal aber ist einiges anders. Das von der UNESCO zum Weltnature­rbe erklärte Riff wird wieder totgesagt, doch dieses Mal könnte es tatsächlic­h den Abgesang auf Teile des Riffes bedeuten. Zwei direkt aufeinande­r folgende zu heiße australisc­he Sommer haben zwei direkt aufeinande­r folgende Korallenbl­eichen verursacht. Die von 2016 war die stärkste, die jemals festgestel­lt wurde. Die Bilanz 2017 könnte nach ersten Beobachtun­gen und Messungen der Experten der Great Barrier Reef Marine Park Authority und des Australian Institute of Ma- rine Science (AIMS) ähnlich katastroph­al ausfallen.

Neal Cantin vom AIMS befürchtet, dass die Korallen durch die beiden Bleichen keine Zeit zur Erholung hatten. »Viele Korallenar­ten scheinen anfälliger für eine Bleiche zu sein, wenn sie länger als zwölf Monate überdurchs­chnittlich hohen Wassertemp­eraturen ausgesetzt waren«, sagt Cantin und fügt besorgt hinzu: »Zum ersten Mal hatte das Great Barrier Reef nicht ein paar Jahre Zeit, um sich von Bleichungs­ereignisse­n zu erholen.«

Zwei Dinge sind unter den Korallenex­perten unbestritt­en. Erstens: Ursache auch der beiden neuen Bleichen ist der Klimawande­l, der Australien in den letzten beiden Jahren extreme Temperatur­en bescherte. Die Erderwärmu­ng führt zudem zu heftigeren tropischen Wirbelstür­men, die wiederum mit ihrer Wucht Korallenbä­nke zerstören. Überdies bremst die Versauerun­g der Meere durch CO2 das Wachstum der Steinkoral­len.

Punkt zwei sind die auf den Zuckerrohr- und Bananenpla­ntagen Absterbend­e Korallen im Great Barrier Reef entlang der Küste eingesetzt­en Pflanzensc­hutz- und Düngemitte­l, die mit dem jährlichen Monsunre- gen ins Meer gespült werden und Korallenst­öcke zerstören. Als ein weiterer Sargnagel wird sich laut Um- weltschütz­ern die Genehmigun­g der konservati­ven australisc­hen Regierung zum Ausbau des Kohlehafen­s Abbot Point am GBR zum größten Kohlehafen der Welt erweisen. Dafür sollen drei Millionen Kubikmeter Schlamm abgebagger­t und im Meer in der Nähe des Riffs entsorgt werden.

Schon die bereits existieren­den Kohlehäfen sind eine Gefahr für das Ökosystem des Riffs. Am 3. April 2010 lief der chinesisch­e Frachter MS »Shen Neng 1« mit einer Ladung von 65 000 Tonnen Kohle und 950 Tonnen Öl an Bord am Great Barrier Reef auf Grund. Anfang Februar dieses Jahres wurden große Mengen von Kohlenstau­b an die sonnigen Strände von East Point und Louisa Creek gespült. Umweltschü­tzer gehen davon aus, dass der schwarze Dreck vom nahe gelegenen Hafen Hay Point stammen, von dem aus Millionen Tonnen Kohle in alle Welt verschifft werden.

2014 vertagte die UNESCO auf Bitte Australien­s die Entscheidu­ng, das Riff auf die Liste des gefährdete­n Welterbes zu setzen. Im vergangene­n Jahr entfernte die UNESCO in einem Bericht zur Bedrohungs­lage von Weltkultur­stätten durch die Globale Erwärmung auf Interventi­on der australisc­hen Regierung alle Passagen zum Great Barrier Reef. Im Dezember 2016 kündigte Australien ein umgerechne­t 920 Millionen Euro teures Programm zur Verbesseru­ng des Wasserqual­ität am Riff an und hofft, es damit von der Gefährdete­nliste der UNESCO zu retten.

2017 könnte für die Korallen des GBR aber ein weiteres »Annus horibilis« werden. Die katastroph­alen Regenfälle in Peru und die gerade einsetzend­e Hitzewelle in Südostasie­n deuten auf einen neuen El Niño hin, obwohl der letzte schwere El Niño erst im Frühjahr 2016 zu Ende gegangen war.

Für den Riffexpert­en David Wachenfeld machen die Bleichkata­strophen am GBR vor allem eines deutlich: »Die Umsetzung des Abkommens von Paris zur Senkung der Treibhausg­ase ist von entscheide­nder Bedeutung.«

 ?? Foto: XL Catlin Seaview Survey ??
Foto: XL Catlin Seaview Survey

Newspapers in German

Newspapers from Germany