Korallenbleiche im Doppelpack
Das Große Barriere-Riff vor Australien ist durch den Klimawandel und Belastungen aus Landwirtschaft und Schifffahrt stark geschädigt.
Totgesagte leben länger. Das alte Sprichwort schien bislang für das Große Barriere-Riff (GBR) wahr zu sein. Oft hat sich das Riff, das von der Torres-Straße vor Papua-Neuguinea bis zur 2300 Kilometer weiter südlich liegenden australischen Lady-Elliot-Insel reicht, von schweren Schäden erholt. Zum Beispiel nach der extremen Massenkorallenbleiche zwischen 1998 und 2002. Deren Ursache war die globale Erwärmung.
Dieses Mal aber ist einiges anders. Das von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärte Riff wird wieder totgesagt, doch dieses Mal könnte es tatsächlich den Abgesang auf Teile des Riffes bedeuten. Zwei direkt aufeinander folgende zu heiße australische Sommer haben zwei direkt aufeinander folgende Korallenbleichen verursacht. Die von 2016 war die stärkste, die jemals festgestellt wurde. Die Bilanz 2017 könnte nach ersten Beobachtungen und Messungen der Experten der Great Barrier Reef Marine Park Authority und des Australian Institute of Ma- rine Science (AIMS) ähnlich katastrophal ausfallen.
Neal Cantin vom AIMS befürchtet, dass die Korallen durch die beiden Bleichen keine Zeit zur Erholung hatten. »Viele Korallenarten scheinen anfälliger für eine Bleiche zu sein, wenn sie länger als zwölf Monate überdurchschnittlich hohen Wassertemperaturen ausgesetzt waren«, sagt Cantin und fügt besorgt hinzu: »Zum ersten Mal hatte das Great Barrier Reef nicht ein paar Jahre Zeit, um sich von Bleichungsereignissen zu erholen.«
Zwei Dinge sind unter den Korallenexperten unbestritten. Erstens: Ursache auch der beiden neuen Bleichen ist der Klimawandel, der Australien in den letzten beiden Jahren extreme Temperaturen bescherte. Die Erderwärmung führt zudem zu heftigeren tropischen Wirbelstürmen, die wiederum mit ihrer Wucht Korallenbänke zerstören. Überdies bremst die Versauerung der Meere durch CO2 das Wachstum der Steinkorallen.
Punkt zwei sind die auf den Zuckerrohr- und Bananenplantagen Absterbende Korallen im Great Barrier Reef entlang der Küste eingesetzten Pflanzenschutz- und Düngemittel, die mit dem jährlichen Monsunre- gen ins Meer gespült werden und Korallenstöcke zerstören. Als ein weiterer Sargnagel wird sich laut Um- weltschützern die Genehmigung der konservativen australischen Regierung zum Ausbau des Kohlehafens Abbot Point am GBR zum größten Kohlehafen der Welt erweisen. Dafür sollen drei Millionen Kubikmeter Schlamm abgebaggert und im Meer in der Nähe des Riffs entsorgt werden.
Schon die bereits existierenden Kohlehäfen sind eine Gefahr für das Ökosystem des Riffs. Am 3. April 2010 lief der chinesische Frachter MS »Shen Neng 1« mit einer Ladung von 65 000 Tonnen Kohle und 950 Tonnen Öl an Bord am Great Barrier Reef auf Grund. Anfang Februar dieses Jahres wurden große Mengen von Kohlenstaub an die sonnigen Strände von East Point und Louisa Creek gespült. Umweltschützer gehen davon aus, dass der schwarze Dreck vom nahe gelegenen Hafen Hay Point stammen, von dem aus Millionen Tonnen Kohle in alle Welt verschifft werden.
2014 vertagte die UNESCO auf Bitte Australiens die Entscheidung, das Riff auf die Liste des gefährdeten Welterbes zu setzen. Im vergangenen Jahr entfernte die UNESCO in einem Bericht zur Bedrohungslage von Weltkulturstätten durch die Globale Erwärmung auf Intervention der australischen Regierung alle Passagen zum Great Barrier Reef. Im Dezember 2016 kündigte Australien ein umgerechnet 920 Millionen Euro teures Programm zur Verbesserung des Wasserqualität am Riff an und hofft, es damit von der Gefährdetenliste der UNESCO zu retten.
2017 könnte für die Korallen des GBR aber ein weiteres »Annus horibilis« werden. Die katastrophalen Regenfälle in Peru und die gerade einsetzende Hitzewelle in Südostasien deuten auf einen neuen El Niño hin, obwohl der letzte schwere El Niño erst im Frühjahr 2016 zu Ende gegangen war.
Für den Riffexperten David Wachenfeld machen die Bleichkatastrophen am GBR vor allem eines deutlich: »Die Umsetzung des Abkommens von Paris zur Senkung der Treibhausgase ist von entscheidender Bedeutung.«