Die eigene Stimme verstummte
Wie es zur Auflösung der VVN in der DDR kam.
Bereits
im Februar 1947 wird in Berlin die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes für die Sowjetische Besatzungszone gegründet. Vorsitzende werden der Kommunist Ottomar Geschke und der aus der Bekennenden Kirche kommende Probst Heinrich Grüber. Dem engeren Vorstand gehören der Kommunist Walter Bartel, Heinz Galinski als Vertreter der Jüdischen Gemeinde und die Sozialdemokratin Jeanne Wolf ab. Ottomar Geschke warnt bereits im September 1947 vor dem wieder offen auftretenden Antisemitismus. Im Mai 1948 begrüßt eine von der Berliner VVN aufgerufene Kundgebung die Gründung Israels.
Im aufziehenden Kalten Krieg zerbricht 1948 im Spannungsfeld von Unvereinbarkeitsbeschlüssen, Währungsreform, Berlin-Blockade und Einflussnahme der Besatzungsmächte der überparteilich-antifaschistische Konsens. Heinz Galinski, Jeannette Wolf und Heinrich Grüber verlassen die VVN. Diese erlangt, trotz Vorbehalten in der Bevölkerung, in der SBZ und der DDR eine weit über ihre Organisation hinausgehende Ausstrahlung und Anerkennung. Dies zeigt sich an der großen Teilnahme zu den jährlichen Kundgebungen für die Opfer des Faschismus. An die Opfer erinnern bald Denkmale und Gedenktafeln in vielen Städten und Gemeinden Ostdeutschlands, zahlreiche Straßen tragen bis heute ihre Namen. Der VVN-Verlag veröffentlicht über 200 Bücher zu Widerstand und Verfolgung. Bis 1953 ist eine kleine Fraktion der VVN in der Volkskammer und sind VVN-Hochschulgruppen an Universitäten präsent.
Mit der plötzlichen und unvermittelten Auflösung der VVN am am 21. Februar 1953 bringt die SED die eigene Stimme der Verfolgten des Naziregimes zum Schweigen. Das Vermächtnis des antifaschistischen Widerstandskampfes sei in der DDR erfüllt, heißt es in der offiziellen Begründung. Die Nationale Front werde ihre Arbeit fortführen. Führende VVN-Funktionäre schließen sich dieser Argumentation an. Tatsächlicher Hintergrund aber sind vor allem innerhalb der VVN bestehende Widerstände gegen das von der SED betriebene Projekt der »Nationalen Front«. Debatten in der Mitgliedschaft über damit einhergehende gesellschaftliche Integration ehemaliger NSDAP-Mitglieder und Mitträgern des NS-Regimes werden der VVN als ideologische Schwäche angekreidet. Dazu gehören auch For- derungen von nach Entschädigung jüdischer Naziopfer. In Folge des Slansky-Prozesses in Prag trifft es die jüdischen Gemeinden und auch die VVN mit ihren jüdischen Verfolgten. Einige werden festgenommen, viele verlassen die DDR.
Noch im selben Jahr 1953 wird auf Beschluss des Politbüros der SED das »Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer in der DDR« gebildet. Es konnte die überparteiliche und weltanschauliche Breite, wie sie die VVN bei ihrer Gründung repräsentierte, jedoch nicht erreichen. Hans Coppi, Sohn der von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer Hans und Hilde Coppi, ist Vorsitzender der Berliner VVN-BdA; der Historiker ist Autor mehrerer Bücher, darunter »Der vergessene Widerstand der Arbeiter« und »Ilse Stöbe«.