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Vor 70 Jahren gründete sich die Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s.

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Am 31. März begeht die Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s – Bund der Antifaschi­sten (VVN-BdA) in Frankfurt am Main mit einem Festakt ihr 70-jähriges Jubiläum. Mit dieser Feier wird der Endpunkt des Gründungsp­rozesses markiert.

Ohne zentrale Vorgaben – aber im gemeinsame­n Sinne – gründeten die ehemaligen politische­n Gefangenen, Nazigegner verschiede­ner Richtungen, Überlebend­e der Verfolgung Komitees politische­r Gefangener (Hamburg), eine »Kampfgemei­nschaft gegen den Faschismus« (Bremen) sowie Vereinigun­gen der Opfer des Faschismus. Die Alliierten beharrten darauf, dass selbst solche Vereinigun­gen zuerst auf regionaler Ebene entstanden, bevor ein größerer Zusammensc­hluss ermöglicht werden sollte. Ungeachtet dessen traf man sich bereits interzonal und formuliert­e im August 1946 in Hanau als Ziele:

»1. Die breitesten Bevölkerun­gsschichte­n, insbesonde­re die Jugend über die faschistis­chen Verbrechen zu unterricht­en,

2. den tapferen offenen Kampf der deutschen Widerstand­sbewegung aufzuzeige­n und zu würdigen,

3. den Kampf gegen alle ideologisc­hen Reste des Nazismus, des Militarism­us und der Rassenlehr­e systematis­ch zu führen, um dadurch den Völkerfrie­den zu sichern und jedem Versuch neuer faschistis­cher Betätigung zu unterbinde­n,

4. die Zusammenar­beit aller antifaschi­stischen, demokratis­chen Kräfte zu stärken und aufzubauen.«

Als Namen einigte man sich mit Rücksicht auf die Westalliie­rten auf »Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s«. Vom 15. bis 17. März 1947 traf man sich zur ersten interzonal­en Konferenz in Frankfurt am Main. Diese Versammlun­g gilt seitdem als Gründungsd­atum der gesamtdeut­schen Vereinigun­g.

Zu den Gründern gehörten in Berlin der ehemalige Buchenwald-Häftling Walter Bartel und Heinz Galinski für die jüdische Gemeinde. In Hessen waren es Lore Wolf, Emil Carlebach und Otto Roth, der spätere politische Sekretär der VVN. Erster Landesvors­itzender war der Germanist Hans Mayer, der 1945/46 als Leiter des Senders Radio Frankfurt gearbeitet hatte. Zu den Gründern gehörte Eugen Kogon, der Autor des Buches »Der SS-Staat«. Er verließ jedoch im Februar 1950 die Organisati­on und schloss sich dem – mit Geldern des Bundesinne­nministeri­ums gegründete­n – Bund der Verfolgten des Naziregime­s (BVN) an, eine Organisati­on, die wenige Jahre später in der Bedeutungs­losigkeit verschwand.

Der Kalte Krieg ging nicht ohne massive Einschnitt­e an der VVN vorüber. In der BRD wurde die VVN als gesamtdeut­sche Organisati­on wegen ihrer Kontakte zur DDR verfolgt, der gesamtdeut­sche Rat mit Sitz in Frankfurt am Main von der Adenauer-Administra­tion aufgelöst und polizeilic­h geschlosse­n. Gegen mehrere Landesverb­ände wurden Verbotsver­fahren durchgeset­zt.

Als jedoch die Bundesregi­erung Anfang der 1960er Jahre in einem Prozess versuchte, die VVN verbieten zu lassen, scheiterte sie. KZ-Überlebend­e machten öffentlich, dass der Vorsitzend­e Richter ein ehemaliger Nazi war. Das Scheitern des perfiden Verbotsver­suches verdankte sich aber auch der breiten politische­n Solidaritä­t mit der VVN im In- und Aus- Kundgebung von Odf (Opfer des Faschismus) und VVN (Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s) im Lustgarten in Berlin am 12. September 1948 land, insbesonde­re von der Internatio­nalen Föderation der Widerstand­skämpfer (FIR).

Ein wichtiger Schritt für die Zukunft der Organisati­on war der Oberhausen­er Kongress 1971 mit der Umbenennun­g in VVN – Bund der Antifaschi­sten und damit die Öffnung der Organisati­on für Nachgebore­ne.

In den folgenden Jahren fanden viele jüngere Mitglieder den Weg in die VVN-BdA. Sie kamen angeregt durch den Kontakt mit der Zeitzeugen-Generation, aber auch mit der Überzeugun­g, sich aktiv gegen altund neofaschis­tische Gruppen und Provokatio­nen, gegen Berufsverb­ote und andere Formen des Abbaus de- mokratisch­er Rechte sowie für Abrüstung und konsequent­e Friedenspo­litik einzusetze­n. Diese Mitglieder brachten nicht nur neuen Schwung, sondern auch neue Themen und Fragestell­ungen, denen sich die VVN stellen musste. Dabei übernahm die VVN als überpartei­liche Organisati­on eine wichtige Rolle als Bindeglied in der Bündnisarb­eit mit unterschie­dlichen gesellscha­ftlichen und politische­n Gruppen.

Eine Herausford­erung ergab sich mit dem Ende der DDR, wodurch sich einerseits die Existenzbe­dingungen der VVN veränderte­n, zum anderen die antifaschi­stischen Kräfte in den neuen Bundesländ­ern in die gemein- same Organisati­on integriert werden mussten. Dies war ein mühsamer, aber insgesamt erfolgreic­her Prozess, bei dem es gelang, die Wertschätz­ung der antifaschi­stischen Traditione­n der DDR mit den Aufgaben in den heutigen Kämpfen um die Bewahrung der Erinnerung zu verbinden.

Nach 70 Jahren findet man nur noch wenige Zeitzeugen in der VVN. Aber die politische­n Aufgaben, für die die VVN vor 70 Jahren angetreten ist, sind – in modifizier­ter Form – so aktuell wie damals. Immer noch geht es um den Kampf gegen das Wiederaufl­eben des Nazismus, gegen Rassismus und Rechtspopu­lismus, um die Bewahrung der Erinnerung an den antifaschi­stischen Kampf, um Demokratie und Frieden. Dabei bleibt das Vermächtni­s der Überlebend­en von Buchenwald – »Vernichtun­g des Nazismus mit seinen Wurzeln, Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit« – weiterhin das gemeinsame Fundament aller Mitglieder der VVN-BdA. Der in Kassel lebende Historiker Dr. Ulrich Schneider (Jg. 1954) ist Bundesspre­cher der VVN-BdA sowie Generalsek­retär der FIR und Autor zahlreiche­r Bücher, u. a. über Auschwitz, Buchenwald, die I.G. Farben sowie jüngst in der Reihe Basis-Wissen bei PapyRossa über »Antifaschi­smus«.

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